Die ganze Nacht und Tag kalter Regen, heftiger Wind, in den Gebirgen fällt Schnee. Zu unseren Tagen der Gefahr gesellt sich noch das schlimme Wetter. Proklamation von Ugarte wegen Verproviantierung der Stadt. Die italienische, St. Anna- und Franziskanerkirche wurden heute gesperrt und zu Magazinen verwendet. In dem Landsturm-Patent ist befohlen, dass sich jeder mit Waffen aller Art, dann in Ermanglung dessen mit Sensen, Sicheln, Prügeln, dann mit Brot auf 5 Tage und sonstigen Lebensmitteln versehen soll. Alle Tore, außer Stuben- und Rotenturm-Tor, werden geschlossen und verrammelt. Auf den Basteien werden meistens 36pfündige Kanonen aufgeführt. Heute hielten wir auch Institutssitzung, bei welcher ich 2000 fl. zur Einlegung in die Instituts-Hauptkasse übergab. Im Burgtheater „Wald bei Hermannstadt“, im Kärntnertor-Theater „Ostade“ und „Abdul“, im Theater an der Wien „Der lustige Schuster“. Wanzmann erzählte, dass vom Theater alle Gewehre, Lanzen, Hellebarden, Säbel abgefordert wurden. Jean kam auch voll Angst und bat um Mehl für die Feigl. Ich ging zur Terzaghi, um sie zu trösten. Therese aß allein, ich machte mich in Peters Gesellschaft, um zu sehen, ob Bschaidner heute male, er erschien aber nicht und wir speisten in Jungmanns Gesellschaft allein. Am Eck der Leopoldstadt war das Patent vom Landsturm angeschlagen. Auf den St. Stephans-Platz wird das Bauholz gelegt. Die Parteien der oberen Stöcke an der Bastei sollen ausziehen. Ich machte trotz dem Sturm die Tour auf die Bastei und fand die Mörser, Bombenkessel und meisten Kanonen noch auf den Wägen. Im Prater ist ein Verhau und an der Franzensbrücke sind grimmige Brückenköpfe errichtet. Wir sahen beim Schanzl das Salzbeamten-Haus schleifen. Nach 4 h nach Haus, auf der Brücke begegnete ich dem Maximilian und Suite, er will gegen den Prater. Die Flucht dauert ununterbrochen fort. Der Markt ist mittels Dekret aufgehoben. Das Gewühl von fliehenden, ausziehenden und rettenden Menschen ist außerordentlich. Ich schrieb an Keglevich und meine Mutter. Der Fürst echappierte abends nach Eisenstadt, und da mir Stuppan die Nachricht brachte, dass die Franzosen wegen Anschwellen der Enns und Donau im Vordringen aufgehalten sind und Hiller sich mit Carl vereinigte, so schrieb ich auch der Gräfin. Heute waren die Hausfrau, Hocheder – welche mit Nagy beschlossen hat, nach Ofen und weiter nach Debreczen zu reisen – dann die Caroline, welche mit der Mnischek (?) nach Frain reiset, bei uns und nahmen Abschied. Nun ist alles unserer Gesellschaft getrennt. Werlen nahm schon am 1. nach Tresdorf Abschied und wir bleiben allein hier.
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Ein kalter, rauer, düsterer Tag. Im Burgtheater „Porträt der Erbin“, „Hass allen Weibern“, im Karntnertor-Theater „Heftige junge Frau“, nachher „Eifersüchtige“, im Theater an der Wien „Otto der Schütz“. Noch waren wir im Bette, als Caroline kam, und nochmals Abschied nahm, nach ihr Bayer, welcher mich für sich, seine Frau, Wiesinger (?) und Fischer um Quartier ansprach. Ich schrieb Reimann um unsere neuen Sesseln und Canapé, weil ich unsere für 40 fl. an Mafficioli verkaufte, schrieb an Révay, ging zum Brandmayer. Beim Generalkommando sah ich das Landsturm-Patent der Stadt und Vorstädte Wiens angeschlagen, vom 7. September 1809, Maximilian: Die Städter sollen sich beim Magistrat, die Vorstädtler bei ihren Grundrichtern melden und für 4 Tage mit Brot versehen. Kaiserliche Offiziers werden sie anführen. Bei Brandmayer hörte ich, dass die Fürstin Schwarzenberg, welche gestern abreisen wollte, ihre Reise nach Petersburg ganz abstellte. Nun sind die Aspekte mit Russland trübe. Das Abbrechen der Hütten, das Ausziehen so vieler Personen, die Flucht, das Räumen der Vorstädte in die Stadt, die Abreise so vieler Menschen, die Verproviantierung der Stadt und des Militärs, welche als Besatzung kommt, das Einführen der Fourage, die Arbeiten bei allen Toren, die Sperrung und Hemmung der Passage bei mehreren Toren, alles dies macht eine Verwirrung und ein Gedränge, dass man es selbst sehen muss; beschreiben lässt es sich nicht. Mit Bayer ins Quartier zum Keglevich und installierte ihn mit Frau, Schwiegermutter und Tante Fischer. Aloys speiste mit uns. Nach Mittag schrieb ich an die Gräfin, dass unser Hauptquartier heute in Perschling sein soll, bis Donnerstag dürfte selbes ziemlich vor Wien kommen. Der alte FML Unterberger ist Festungskommandant und FML Devost (?) Direktor des Geniewesens. Mit Therese, Goldmann Therese, und Mafficioli gingen wir über die Bastei vom Burgtor bis zum Roten Turm, sahen das Aufführen der Artillerie, begegneten Hocheder mit Tschebulz und Goldmann Josephine, nahmen von ihr Abschied, dann die Mama und Nina. Als wir an der Donau zur Franzensbrücke gingen, trafen wir noch Castelli und Hasslinger (?), welche eben mit dem Banco-Personale und der Bancozettel-Druckerei in einem Kelheimer abzufahren im Begriffe waren; auch von diesen nahmen wir einen scherzhaften Abschied. An der Franzensbrücke wird noch immer an Verhauen, Aufwerfen von Sandsäcken und Faschinen und dreifachen Verschanzungen gearbeitet. Im Prater selbst ist der schöne Garten der Kaiserin, die schönsten, gesündesten Bäume niedergehauen. Gestern waren sie schon bis zum Ende des Gartens gekommen. Fürchterlich ist der Umsturz so gesunder, starker Bäume. Die ganze Breite des Praters, von der Praterstraße angefangen, nämlich von der Tabor-Allee bis zur Franzensbrücke, wird eine Verschanzung gemacht. Schauerlich sieht das Ganze aus. Von da zum Peter. Ich schrieb noch das Geschehene in meine Briefe, wir tranken Kaffee, die anderen Bier, sahen dem Bschaidner nach. Bediente ihn und Günther (?) mit Wein, räsonnierten und deliberierten, lasen den Aufruf des Ehz. Maximilian, dass Wien verteidigt und er bis zum letzten Augenblicke gegenwärtig sein wird, samt einer Menge erhebender Ausdrücke. Nach 8 h zu Haus. Unsere tägliche Gesellschaft ist fort. Therese und ich saßen allein und begaben uns zeitlich zur Ruhe.
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Endlich einmal ein schöner Tag. Therese ging um 6 h beichten, ich an meine Arbeit und schrieb in einem langen Briefe die Inschriften des Tages dem Inspektor Janko (?). Das Kärntnertor-Theater ist geschlossen, im Burgtheater „Jugend Heinrichs V.“ und „Amors Bild“, im Theater an der Wien „Der lustige Schuster“, im Leopoldstädter Theater „Die schöne Melusine“. Um 7 h kam der Hofkonzipist Bayer, und sagte, ein Bedienter sei vom Keglevich mit der Jungfer gekommen und der Graf käme heute, sie müssten das Quartier räumen. Ich machte Anstalten, um sie in unserem Quartier einzulogieren, ging ins Loprestische Haus, sprach mit der Franzl (?) und Scheich (?), und hörte, dass es nur Mutmassungen sind. Sie blieben also ruhig in ihrem Quartier; bei dieser Gelegenheit sprach ich die ganze Familie. Der Carlo kam von Ács mit einem Brief der Beatrix an ihren Sohn Maximilian, diesem gab ich einen Brief an den Grafen mit. Den Grafen verließ er in Ács. Wiesinger ritt mit Maximilian und Suite, rekognoszierte gegen Hütteldorf, da kam ihnen ein Offizier mit der Nachricht entgegen, die Franzosen seien auf dem Riederberg, eine Stunde außer Purkersdorf. Auf diese Nachricht wurde die prächtige, so kostspielige Franzensbrücke angezunden, als selbe brannte, mit Kanonen darein geschossen; dieses schöne Werk ist schon zerstört. Mittags war die Jungfer der Keglevich unser Gast, die nach Mittag mit dem Silber und allen Pretiosen abreist. Therese ging nach Tisch zu Peter und nahm beide Goldmann mit, um Peters Gärtchen vielleicht zum letzten Mal zu sehen. Ich zeigte dem Kassier Huber seine Wohnung im gräflichen Quartier, machte Anstalten zu den Möbeln der Fischer und ging über die Bastei zum Roten Turm, zur Franzensbrücke, sah selbe brennen, dann zu Peter. Es ist grässlich, alle diese Zubereitungen zu sehen und sich den Gedanken einer Belagerung zu denken. Die Reitschule ist zu einem Spital umgeschaffen. Mich begleitete Kämpfler (?), vor der Franzensbrücke traf ich Brockmann und Gewey, mit diesen in den Prater, die Fortschritte der Verschanzungen und Verhaue zu sehen. Mit Kämpfler allein zu Peter, korrigierte die Inschriften und gab dem Bschaidner noch so Manches an. Um 7 h zu Haus. Das große Rotenturm-Tor ist gesperrt und die Verwirrung groß. Therese, die Hausfrau und ich saßen zu Haus, als ich gerufen wurde, weil der Graf angekommen. Ich eilte hinüber, er fragte um alles Geschehene und wollte erst morgen abreisen. Ich riet ihm solches schon in der Nacht zu tun, weil die Feinde so nahe sind, dass sie morgen gewiss Wien umzingelt haben. Ich fuhr zum Brandmayer, tauschte ein anderes Kalesch und nahm Meithrath (?) mit. Die Brandmayer jammerte mir erschrecklich fort und fort vor, dass ich froh war, los zu werden. Um 5 h zum Wiesinger, um zu sehen, ob sie eingezogen sind, dann über die Bastei. Auf allen Seiten wird im Fackelschein gearbeitet und die ganze Bastei mit Militär und Bürgerschaft umgeben. Um 11 h fuhr der Graf weg.
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Ein schöner Tag, schon staubt es außerordentlich. Alle Theater sind geschlossen. Im Burgtheater wurde zwar „Leonore“ angeschlagen, aber nicht gegeben. Erscheinung der Franzosen vor den Mauern Wiens, das ist der Stadt selbst. Um 5 h war schon der Alarm, die Franzosen zeigten sich in den Vorstädten. Um 6 h eilte ich über den Graben zur Burg und auf die Bastei und zum Kärntner Tor. Albert vom Fürsten und ein paar Kaufleute waren mit mir. Auf dem Graben standen Liechtenstein-Husaren, etwas Chevauxlegers, auf der Burg österreichische Landwehr. General Mészáros machte einen Ausfall und nahm einige 60 solcher Waghälse gefangen. Sie kamen über die Laimgrube herab, zeigten sich beim Kaffeehaus, gaben einige Schüsse ab, da wurden sie gleich von der Burgbastei, Paradeplatz mit einigen Kanonenschüssen begrüsst. Sie retirierten sich ins Kaffeehaus und in die Steinmetzhütten. Ein bürgerlicher Kavallerist – er ist ein Pferdehändler – verwehrte ihnen beim Kadettenhaus mit seinen Söhnen und Leuten den Rückzug und so entkam kein Mann. Vier Buben, nur mit Stangen bewaffnet, liefen einem Chasseur nach, der sich mit seinem Säbel tapfer wehrte, um sich zu retten, aber vom nämlichen Buben, dem er in die Hand hieb, gefangen wurde, da er dem Pferde in die Zügel fiel und 2 andere Buben ihn vom Pferde rissen. Ein Offizier wurde auf der Glacis in den Kopf gehauen und verwundet, nebst mehreren anderen in die Stadt geführt. Er verband sich mit seinem schwarzseidenen Halstuch den Kopf und will Chapeaubas. Den Lagrange (?), welcher bei der Gesandtschaft hier war, nahmen sie auch gefangen. So wurden also vor Mittag, und gerade noch früh, die ersten Kanonenschüsse feindlich abgebrannt. Ein paar Stunden war ich auf der Bastei, sah der Affäre ganz zu, dann der Einquartierung nach, plauderte mit Haim, zum Peter hinaus, holte meine Diana und sah Schiffe zerhauen. Bei den Toren wurden nur wenige Personen eingelassen, hinaus fast nur Weiber. Es war schon Mangel an Brot und Fleisch. Therese, Aloys, dann gesellte sich auch Michel dazu, teilten auf dem Graben unter den Chevauxlegers und Liechtenstein-Husaren, dann auf dem Burgplatz unter der österreichischen Landwehr Slivovitza und Wein. Es war ein großes Vergnügen, diesen armen Leuten zu geben. Richart, welche ich am Graben herumgehen sah, will am Nachmittag in die Josephstadt zur Hauptmann Pehaker (?), Schwägerin der Zimmermann, gehen. Mittags allein, nach Tische zur Rodler, welche ich nicht zu Hause fand. Dann auf die Bastei, auf den Boden des Loprestischen Hauses, wo ich alles übersah, aber keine Franzosen. Es wurde von Zeit zu Zeit kanoniert, um die Richtung der Kanonen zu sehen. Unter dem Militär waren wenig Bewegungen. Hauptmann Haratauer (?) kam von Hiller, als Kurier, dass die Vereinigung mit Ehz. Carl geschah und letzterer bis Donnerstag bis Enzersdorf und auch am Spitz sein kann. Am Tabor ist ein großes Lager ausgesteckt. Die Rossauer Donaubrücke wurde heute früh samt den Magazinen im Stadtgraben verbrannt. Der Landsturm zeigt sich in voller Größe, alles ist bewaffnet, selbst Weiber und Mädchen haben Spiesse und Hellebarden, und Buben laufen mit Gewehren herum. Unser Zuckerbäcker Obermayer ist auch dabei. Die Stimmung erhält sich noch immer. Ein Patent wurde angeschlagen, wegen Folgeleistung von allen denen, welche mit weiß und roten Schärpen versehen sind, und eine Aufforderung vom Magistrat, wegen Wegbringung von Munition. Im Loprestischen Haus ging ich auf’s Dach, noch abends, man sah aber nichts als ihre Wachtfeuer. Alle Vorstadthäuser sind geschlossen und die Inwohner haben den Befehl, sich ruhig zu verhalten. Die Franzosen dehnten sich nur in den Vorstädten M[aria]hilf, Josephstadt, Lerchenfeld und einem Teil von der Wieden aus, in den anderen ließen sie sich nicht sehen. Beim Theater an der Wien und der Laimgrube ließen sich öfters welche sehen, wurden aber immer begrüsst. Ich ging mit der Goldmann herum, war aber meistens zu Haus. Auf der Kärntnerstraße sprach ich die Karilla, welche gestern in die Kaiserkrone in der Rauhensteingasse gezogen ist, machte eine Tour über den Hohen Markt, Lichtensteg, sah da auf freier Straße Ochsen und Kühe schlachten. Dann nach Haus, um 9 h ins Bett. Um 11 h hörten wie kanonieren. Einige Franzosen wagten sich bis an die Stadttore; es wurde auf sie gefeuert. Dies bewog die Studenten auf dem Wall, ihr Mütchen zu kühlen und auch zu feuern, und erschossen und verwundeten auf unserer Batterie mehrere Artilleristen und Landwehrmänner. In der Nacht hörten wir öfters feuern.
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Christi Himmelfahrt. Der Horizont ist nicht ganz rein, doch sehr warm. Den Morgen und Vormittag wurde immer von uns kanoniert, auch in den Vorstädten und nahe an selben wurden einige Schüsse gehört. Früh schrieb ich, auch meinem Grafen. Alle Theater sind geschlossen. Mein erster Gang war zum Burgtheater, da erzählte mir auf dem Bankl Huber, Baron Kienmayer und Hiller erwarte man alle Augenblicke. Sie kamen auch wirklich gleich nach ½ 4 h, Ehz. Carl wäre gestern hier gewesen, und seine Armee käme heute und morgen. Von da auf den Boden des Kärntnertor-Theaters. Leere Glacis, manchmal zeigt sich ein Franzose und gleich wird auf ihn gefeuert. Neue Batterien werden aufgeführt. Heute bekam die Sepherl nur eine Semmel. Heute wurden 3 Zirkulare angeschlagen: eines, um sich ruhig, besonders nachts, im Belagerungszustand zu erhalten, dass alle öffentlichen Gast-, Kaffee- und andere Zusammenkunfts-Häuser um 9 h geschlossen sein müssen; dann dass man sich im Drange der Umstände wegen Brot mit dem Bedarf begnügen und nicht vorkaufen möchte, weil Brot hinlänglich vorhanden und nur eine augenblickliche Stockung entstand, weil die Vorstadt-Bäcker nicht ihre Läden versehen konnten; endlich, dass alle, welche gestern Waffen ergriffen, sich nach Mittag 2 h zur Einteilung und Bestimmung ihrer Plätze im Augarten einfinden sollten. Mit Haim und Stabl zur Hauptmaut-Brücke, Roten Turm. Am Lichtensteg wurden gerade wieder Kühe geschlachtet. Mittags allein. Unterm Essen wurde von der Kärntner-, Burg- und Schottenbastei auf die kaiserlichen Ställe – aus deren 2. Stock schossen die Franzosen eine Kanone auf unsere Burg und zündeten einen Wollsack an – und in die Glacis und Roveranigasse fürchterlich mit wenig Pausen gefeuert, und auch Bomben geworfen. Eine Bombe zerplatzte am Stallgebäude und schleuderte Stücke auf den Burg- und Josephsplatz, wovon sich der Architekt Pichl ein Stück aufbewahrte. Die kaiserlichen Ställe und der Gardehof, in welchen man vermutet, dass die Franzosen Batterien errichten, sind sehr beschädigt. Ich ging mit Mahr (?) auf den Burgboden und sah diesem grässlichen Schauspiel zu. Ein herzerhebender Anblick war es, als FML Baron Kienmayer um ¾ 4 h mit seinen Grenadieren in die Burg zog, Die Bürger, Landwehr und ein Regiment Infanterie paradierte. Alle Trommeln wurden gerührt, ein allgemeines Vivat-Rufen übertönte den Donner der Kanonen. Er ritt auf die Bastei und zum Maximilian ins Kriegsgebäude. Heute Nacht wird es heiß hergehen. Man hofft auf einen Ausfall und Gefecht in den Vorstädten. Bei Therese dann den Nachmittag die Goldmann und Rosalie. Abends marschierte alles Militär außer den Rekruten wieder zum Tabor hinaus. Ich schlenderte unruhig in der Stadt herum, war beim Wiesinger, die mich unbedingt beim Souper haben wollten, blieb aber nicht. Ging um 9 h nach Haus um etwas zu essen, da begann das fürchterlich grässliche Schauspiel. Es war kaum ¼ nach 9 h, so fingen die Franzosen aus 6 Haubitzen hinter den kaiserlichen Ställen auf der Anhöhe unter den Bäumen die Bombardierung an und feuerten heftig bis 12 h, dann weniger bis 3 h. Es fing zu dämmern an und sie hörten auf. Unsere Batterien feuerten sehr wenig, denn sie konnten nicht wirken, die Franzosen waren von den Gebäuden geschützt. Der Schaden ist außerordentlich. Die ersten Haubitzen zündeten gleich das Stögerische, ehemals Pilatische Haus, das Trattnerische, Schlossergassel, Kromsische (?) Kaffeehaus, die Brandstatt, dem Mafio(?) gehörig, und das Haus eines Juden hinter der Säule an, später Puchbergs Hotel garni, später alle Häuser in unserer Gasse, wovon am Kaisersteinischen das Dach abbrannte. Schrecklich waren all die Brände zu sehen. Am meisten litt das Johann Pálffy’sche Haus in der Wallnerstraße, welches ganz abbrannte, und rückwärts gar durch 2 Stöcke durchbrannte, dann das Stögerische Haus, wo der arme Rohrweck wohnt, der auf dem Boden und in den Zimmern des 4. Stocks sein ganzes Warenlager hatte und alles einbrannte. Um 12 h machten vom äußeren Burgtor ein paar Kompanien unserer großen Landwehr einen Ausfall, wurden aber nicht unterstützt. Trieben die Franzosen bis in die Breite Gasse des Spittelberges, mussten dann rückkehren. Die Franzosen wagten sich in der Nacht mit Kavalleriegeschütz bis an die Tore, um selbe einzuschießen, wurden aber versprengt. In dieser Nacht geschah viel Unglück; die arme Stadt litt sehr, weil niemand darauf vorbereitet war, niemand sich dieses Unglück dachte. In ganzen Straßen blieb kein Fenster ganz, kein Haus unbeschädigt. Fensterstöcke, Dachfenster, Stücke von Gesimsen liegen auf der Straße. Man kann vor Glasscherben gar nicht gehen. Bei uns waren alle wie sinnlos und flüchteten sich in den Keller; da lernte ich erst unsere Parteien kennen: Frau v. Hemberg (?), mit Hr. v. Werner, Hr. v. Gorgos (?), Sekretär bei einem Harrach, mit seiner ältlichen Gattin, die sich den 2. Mann nahm, die Schneider (?), ein Schauer (?) mit 2 Kindern, eine alte und eine junge Jungfer bei Hemberg, dann war im äuseren Keller das ganze Dienstpersonale des Hauses. Der Jammer, das Winseln und Geschrei vom ganzen Hause war beispiellos und würde auch den gefasstesten Mann erschüttert haben. Ich hatte nichts als meinen leichten Schlafrock, es fror mich, ich ging in unsere Wohnung um Hut und Nachtleibl, und nahm meine Uhr mit, weil niemand eine Uhr hatte. Da fand ich schon Malter und einen großen Mauerziegel auf unserem Gang. Ich konnte schwer unsere Türe öffnen. Mit tausend Trostgründen und Erzählungen suchte ich die jammernde Schar von Zeit zu Zeit etwas zu beruhigen. Oft wurde unser Haustor von Bürgerpatrouillen angeschlagen und zum Feuerlöschen aufgefordert. Ich ging von Zeit zu Zeit auf die Straße, den Graben, um nachzusehen, wie weit diese verheerenden Flammen greifen und wie unser Haus zu retten sei. Im 5. Stock schlief der Schneider und sein Geselle, von Mattigkeit und Wein benebelt; beim Feuerlärm erwachte er doch. Ich nahm alle Leute zusammen, um Wasser zu tragen, ließ die Frauen Leitern und Hacken hinaufziehen und so wurde unser Haus erhalten. Wunderbar ist es auf dem Graben zwischen dem Trattnerhof und dem Judenhaus, erhielt sich das alte Raabische Haus, mit Schindeln gedeckt, worin die Hocheder wohnt. So wurde denn diese Schreckensnacht überstanden. Um 3 h räumten wie erst, durch andere verleitet, in der Furcht einer künftigen noch schrecklicheren Nacht Wäsche, Kleider und Betten in den Keller. Ich protestierte gegen diese unnütze Vorsicht, ließ es aber doch geschehen. Mafficioli war bei seiner Mutter, kam um 3 h nach Haus. Ich machte im Keller Toilette und ging mit ihm durch die ganze Stadt, um alle Gräuel der Verwüstung zu sehen. Die Franzosen forcierten in der Nacht im Prater den Übergang über die Donau; ein Bataillon Landwehr stellte man ihnen ohne Unterstützung, ohne Kanonen entgegen. Um 11 h ritt der Maximilian mit Suite in den Prater, ließ selbe warten und er flüchtete über die Brücken. Der Graf Chotek reiste ab und Freiherr Jakob v. Wöber wurde provisorischer Hof-Kommissär.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).