Vor Mittag heiter und warm, nach Mittag trüb und großer Staub. Früh 7 h große Prozession von St. Stephan nach Mariahilf, um 12 h zurück. Therese ging zu Quarin, seine Einladung zu benutzen, die Prozession zu sehen, und brachte ihm ihr Stammbuch, um unter die schöne Devise seinen Namen eigenhändig zu schreiben. Ich sah die Prozession auf der Straße zum Grafen, wo ich den ganzen Vormittag beschäftigt war. Um 12 h kam ich in Geisslers, Stadlers, Jungmanns und Werlens Gesellschaft. Letzterer erzählte mir, dass er mit 500 fl. entlassen sei, wie schändlich ! Im Burgtheater zum ersten Mal „Thekla, die Wienerin“, Schauspiel in 5 Akten von F[riedrich] W[ilhelm] Ziegler. Spielt in Wien im August 1278, also vor 531 Jahren. Die Stadtgegend um Maria Stiegen ist von Janitz. Im Kärntnertor-Theater „Grenzstädtchen“ und „Belebtes Gemälde“ im Theater an der Wien „Biedersinn und Vaterlandsliebe“. Mittags war Peck und sein Kanzleigefährte Stoka (?), ein Italiener, unser Gast. Ich musste gleich nach Tische zum Grafen, Offenheimer, fuhr mit Jungmann und Kutschersfeld zur Breuner (?) zur Mariahilfer Linie, zum Peter, dann ins Theater. Therese war schon da, später kamen Jungmann und Geissler, Ullmann mit Czaczek, die Goissner (?) drängte sich ein, Werlen, auch Richart war im Zirkel und ganz zuletzt erst kam Peter. Der 1. Akt ist gut, die übrigen langweilten. Brockmann als Kono von Haslau spielte vortrefflich; Lange als Albrecht, Sohn Rudolfs von Habsburg, war ganz heiser und es fehlte ihm alle Kraft. Weissenthurn als Thekla gefiel nicht besonders. Ziegler wurde vorgerufen und sprach: „Nach hundert und hundert Jahren werden Wiens Bürger mit Gemeingeist und hochherzig handeln.“
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Trüb, nicht kalt. Im Burgtheater die Oper „Leonore“, im Kärntnertor-Theater „Thekla, die Wienerin“, im Theater an der Wien „Hausgesinde“; dann produziert Hr: Mälzel seinen künstlichen Trompeter von Albert-Kürassieren. Früh zum Keglevich, zum Grafen, wo ich den Vormittag wieder vollauf beschäftigt war. Mittags allein, nach Tische mit dem Zuckerbäcker in die Porzellanfabrik und zum Brandmayer. Bei Peter stieg ich ab, war im Gartenzimmer, las. Später kamen Erhart, Werlen, sie blieben, ich ging nach Hause. Dann ins Kärntnertor-Theater, sehr voll, traf Zeuner, ging ins Komödien-Bierhaus, dann auf’s Theater, hörte eben den herausgerufenen Ziegler die Worte sagen: „Nach hundert und hundert Jahren werden Sie, Verehrungswürdigste, so sein, [wie] wir waren“. Ich übernahm von ihm eine Einladung für den Grafen zu seiner Einnahme. Therese war am Nachmittag bei der Rösner um Wolle zum Tabaksbeutel für Peter nach ihrem Muster zu wählen, kaufte selbe auch gleich und war dann mit Schmidt und Werlen.
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Früh trüb und unerträglicher Staub. Im Burgtheater „Verbrechen und Eifersucht“, darin traten Reil (?) von Salzburg, welcher in Stuttgart, und Holbein auf. Im Kärntnertor-Theater „Schweizer Familie“, im Theater an der Wien „Die Räuber“ von Schiller. Therese hatte Probe von „Adam in der Klemme“. Früh zum Grafen, der übel auf ist, zum Istvanffy (?) ins Bureau, zum Keglevich. Den ganzen Vormittag begegnete ich Prozessionen. Da der Graf liegt, kam ich erst um 1 h weg. Zur Geissler, wo Gesellschaft war, dann nach Hause. Mittags allein, nach Tische zum Grafen, um 4 h zu Jungmann, Peter. Blieb in Gesellschaft bis ½ 7 h, dann mit ihm, Jungmann und Ullmann in den Landstraßer fürstlichen Garten, mit allem zum Fischfang ausgerüstet, stellten Vorposten aus und fingen nichts. Vor 8 h nach Haus, ich sandte den 3. Tagesbericht vom 15. April aus Vilsbiburg nach Preßburg. Dann ins Burgtheater, erstlich ins Parterre, dann ins Orchester. Reil als Rentmeister Ruhberg gefiel ziemlich, Holbein als Eduard grimassierte zu sehr, hat ein unangenehmes Organ und missfiel. Keiner wurde vorgerufen. Therese war mit Hocheder, Tschebulz und Martin im Josephstädter Theater, Einnahme der Mad. Held, „Das Wunderwasser“, Zauberspiel in 3 Akten; langweilten sich sehr. Dem Röckel schickte man den Souffleur-Part zu „Iphigenie in Aulis“.
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Ein schöner Tag. Im Burgtheater „Singspiel an den Fenstern“ und Divertissement „Belebtes Bild“ Im Kärntnertor-Theater zum 3. Mal „Thekla die Wienerin“, Zieglers Einnahme, im Theater an der Wien „Rochus Pumpernickel“. Therese hatte Probe von „Adam in der Klemme“ und Röckel wurde als Souffleur im Kärntnertor-Theater probiert. Früh zum Grafen, der noch liegt, zum Wirtschaftsrat Matzi (?) von Breunner wegen unserem Zimmerputzer in Ács, zum Keglevich und zum Ziegler um die Loge. Gegen Mittag trübte es sich. Mittags allein, nach Mittag erschien der 4. Tagesbericht vom Hauptquartier in Landshut am 16. April 1809. Nach Mittag bis 6 h beim Grafen. Es fing zu regnen an, regnete die Nacht durch und verwandelte sich in Schnee. Therese kaufte Wolle zu Peters zu nähendem Tabaksbeutel. Ich ging zu Peter, blieb im Garten und Zimmer. Es war Hoffmann da, mit selbem um 8 h in die Stadt. Ich ins Komödiengassel, wo ich Wanzmann und Schwenner (?) bewirtete, dann auf’s Theater, wo ich beim Sturm im 4. Akt die chinesische Glocke schlug. Es war nicht voll. Den Dank Zieglers wartete ich im Parterre ab; er sagte gewöhnliche Worte.
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Schneegestöber, rauer Wind. Der Schnee fällt so häufig, dass er auf Dächern und freien Plätzen liegen bleibt. Die feierliche Prozession in 5 Kirchen, welche Kaiserin, Familie und Hofstaat begleiten sollte, ist vereitelt; alle Bürgercorps sollten en parade Spalier machen. Die Prozession ist wegen bösem Wetter abgesagt und bis auf einen schönen Tag verschoben. Den ganzen Vormittag beim Grafen Keglevich, der heute abreiste. Heute sind wegen Kriegs-Andacht alle Theater geschlossen. Mittags waren Kridl und Lang unsere Gäste, auf Fastenspeisen außer Schinken. Ich schrieb meiner Mutter und schloss ihr Tagesberichte der Armee bei. Therese hatte heute keine Probe, lehrte dafür ihre Scholaren. Nach Tische wurden erst die Theaterzettel angeschlagen, im Burgtheater „Erste Liebe“, im Kärntnertor-Theater „Agnes Sorel“, im Theater an der Wien „Geheimnis“ und Mälzels künstlicher Trompeter in Albert-Kürassiers- und bürgerlicher Uniform. Nach Mittag zum Grafen und ins Komödien-Bierhaus, und mit Therese, Hocheder, Schmidt, Martin, Kridl und Lang ins Theater an der Wien, in die Loge. Ich sah auf dem Theater das Arrangement des Zeltes aus weiß und blau gestreiftem Taffet, das Einsetzen der Walzen, sprach mit Mälzel, Rohrimthal (?), Mayer und nahm den Castelli zankend in die Loge mit, worüber alle bange wurden. Der Trompeter unterhielt uns sehr. Heute erschien der 5. Tagesbericht aus Landshut am 17. April 1809, worin bekannt gemacht wurde, dass die Avantgarde unter FML Jellachich am 16. Vormittag um 11 h in München eingerückt. Der König und sie haben sich unter französischem Schutz nach Augsburg geflüchtet. Nach Mittag besuchte uns Peck, für Röckel geht’s gut.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).