Ein schöner, warmer Tag. Im Burgtheater „Lästerschule“, im Kärntnertor-Theater „Grenzstädtchen“ und „Abdul“, im Theater an der Wien „Der lustige Schuster“. Vor 8 h ließ mich der Graf rufen. Am Vormittag erschien der 10. Tagesbericht. FML Hiller hat am 24.die feindliche Avantgarde bei St. Veit geschlagen, die französischen Truppen kommandierten Molitor und Boudet (?). Die Hessen und Bayern waren 18.000 Mann. Dann hat sich bis 25. noch keine Spur von den Feinden an den österreichischen Grenzen gezeigt. Nach Mittag erschien der auf’s Neue erschütternde elfte Tagesbericht. In selbem wird angezeigt, dass die 5-tägige Schlacht unerwartet unglücklich ausgegangen sei, dass Carl sich am 23. auf der Höhe von Regensburg über die große Donau zurückgezogen habe und sich bei Waldmünchen, dem letzten Flecken im Bayrischen, unweit der böhmischen Grenze, aufgestellt haben. FML Hiller steht zwischen der Isar und dem Inn. Wir sind für diesen Augenblick von der Offensive in die Defensive versetzt. Der Kaiser war in Enns, dort hat ihn Fürst Esterházy getroffen, welcher ihn mit Aufträgen an Carl nach Böhmen sandte. Er hat den Defrith (?) mit Aufträgen an Kárner geschickt, dass er packen lassen und die Hofstatt wegschicken soll. Wie sehr dies alles bestürzte, alle Hoffnung niederdonnerte, lässt sich nicht schildern. Die schrecklichen Folgen sind nicht zu berechnen. Mangel, Elend und Unterjochung werden unsere alten Tage begleiten. Beim Grafen wird auch schon gepackt. Ich expedierte dem Michael Berger (?) nach Ács und Preßburg, dass bis Sonntag die Kaiserin mit Familie Ács passieren werden. Mittags allein, nach Mittag kam Peck. Ich gab ihm das schöne Schreibzeug von Passy, ging mit der Rodler und Maurer zum Brandl ins Quartier, dann wieder zum Grafen. Alles gibt jede Hoffnung verloren. Die Kaiserin fuhr zu ihm, mit ihrem Bruder Franz nach Enns, kommt diese Tage und geht nach Ungarn. Diese Nacht sind 80 Pferde auf jede Station von Enns herab bestellt gewesen. Zichy, und alles was mit ihm war, kommt zurück. Therese ging mit der Hocheder auf Markt und Bastei, ich abends zu Peter, wohin Ullmann mit Czaczek und Jungmann kam, um 8 h in die Stadt, trank in Compagnie, dann nach Haus. Fand die Hocheder und Mafficioli, der mir sagte, dass die Papiere stürzten, nicht fielen. Ich schlief lange nicht und dann auch sehr wenig.
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Anhaltender Regen, die Barometer tief, alles umzogen. Im Burgtheater „Armand“, Demmer der Jüngere als Micheli. Im Kärntnertor-Theater „Essex“, Mad. Fährmann-Bencke (?) als Rutland; im Theater an der Wien „Der lustige Schuster“, im Leopoldstädter Theater „Seelengröße“ und „Landsturm in Tirol“, Schauspiel in 5 Akten von Ziegler. Zu spät und unpassend kommt diese Produktion. Neue Betstunden in allen Pfarren unter Außetzung des Hochwürdigsten, Prozessionen nach St. Stephan. Früh zum Grafen, wo es wegen Silber, Packen und Abreise vollauf zu tun gibt. Später zu Kárner, wo ich Hampel und Tannenberg (?) sprach. Ich hörte, dass mit der Kaiserin ihr Bruder Franz und Fürst Dietrichstein reisen. Mittags allein, nach Tische zum Grafen, Brandmayer, Filath, hörte nirgends etwas Tröstliches. Unsere Stunde hat geschlagen, ich bin auf alles gefasst. Abends in beide Theater, leer, beide neuen Sujets gefielen so halb, keines aber wurde vorgerufen. Therese war mit der Karoline zu Hause.
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Ein kalter, stürmischer Tag, abwechselnd Regen. Im Burgtheater zum 1. Mal „Porträt der Erbin“, Lustspiel in 3 Akten aus dem Französischen, dann „Proberollen“. Im Kärntnertor-Theater „Iphigenie in Aulis“, Röckel souffliert zum ersten Mal. Im Theater an der Wien „Räuber“. Abreise des Kronprinzen Ferdinand, und des Grafen nach Ács; alle Pferde, Silber, Gewehre, alles geht schon weg. Um 7 h zum Grafen und zu Quarin, er erzählte, dass die Feinde Schärding mit Pechkränzen angezündet haben. Später zu Reimann, mit ihm ins Quartier der Rodler wegen Abteilung der Zimmer. Es gibt außerordentlich zu tun. Kaiser und Kaiserin sind noch nicht hier, vielleicht passierten selbe über Neustadt. Um 2 h reiste der Graf ab. Mittags allein, Menschen und Pferde sind weg. Mittags ließ Baron Stuppan mir wissen, dass Carl vorgerückt und zwischen Straubing, Cham und Katzbach aufgestellt sei, dass Regensburg und Stadt am Hof ein Schutthaufen. Abends kam die Kaiserin zurück. Ich schrieb an den Grafen, meine Mutter und Keglevich. Mit Therese und Hocheder ins Burgtheater, vorher war sie bei Reimann. Es unterhielt uns nicht sehr.
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Trüb, kalt. Im Burgtheater „Faniska“, im Kärntnertor-Theater „Vorsatz“ und „Porträt der Erbin“, im Theater an der Wien „Strandrecht“ und Pantomime „Insel der Amazonen“. Früh kamen Bschaidner, Reimann und Pflüger (?) Ich ging mit ihnen zu Brandl ins Quartier der Rodler. Sprach nachher Filath, Kárner; der Fürst ist noch nicht zurück. Mittags allein, nach Mittag kamen Fürst Moritz und Louis Liechtenstein von Tulln. Letzterer ist mit seinem 2. zerschossenen Fuß sehr übel, er erholt sich von einer Ohnmacht zur anderen nicht. Die Kaiserin soll erst heute abends vom Kaiser kommen. Von der Regierung erschien heute eine sehr beruhigende Proklamation, es fehlen ihr aber Tag und Unterschrift. Nach Mittag wurde „Auf Befehl Sr. kaiserlich königl[ichen] apostol[ischen] Maj[estät]“ von Ehz. Rainer unterzeichnet und am 30. April 1809 datiert, ein Publicandum angeschlagen, welches von unserer Lage, der Verteilung unserer Corps berichtet und ebenfalls beruhigend ist. Dann erschien der 12. Tagesbericht von Ehz. Ferdinand, aus dem Hauptquartier Rakow vor Warschau am 21. April 1809: „Am 19. siegten wir bei Roszyn, nahmen einen französischen General, 1 Rittmeister und 69 Mann gefangen. Wir eroberten 4 Kanonen, 1 Haubitze und 6000 Kavalleriesäbel. Am 23. ging Warschau durch Kapitulation über“. Ich schrieb an Grafen, Gräfin und Keglevich, ging um 8 h ins Burgtheater, plauderte mit Kurz und Filath, dann mit Mafficioli zum Lothringer soupieren, wo ich auch Hampel fand.
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Früh regnete es etwas. Ein kalter, düsterer Tag. Im Burgtheater „Adelheid von Burgau“, Mlle. Krüger als Gefangene; im Kärntnertor-Theater „Beide Savoyarden“ und „Abdul“, im Theater an der Wien „Rochus Pumpernickel“ mit einem neuen Tirolerlied. Den ganzen Vormittag arbeitete ich zu Haus, schloss meine Kasse ab, schrieb meiner Mutter und sandte ihr Proklamationen. Lieh der Kunz 100 fl. Schlenderte herum, man spricht allgemein vom Aufgebot. Therese gab ihre Lektionen, Mittags war Brandl unser Gast. Nach Mittag kam Caroline und etwas später Werlen, welcher sich beurlaubte und als Kontrollor des Barons Brentano auf seine Herrschaft Tresdorf bei Korneuburg abreiste. Er nahm nichts, nicht einmal einen Mantel mit sich. Ich arbeitete, schrieb an Grafen, Gräfin, Keglevich, ging wegen Maler Er[hart ?] zu Peter, da brach so ein heftiges Donnerwetter und Regen aus, dass ich 3 fl. meinem Fiaker in die Stadt zahlen musste. Der arme Werlen, nur im Caput im offenen Kalesch, der wird ganz durchnässt ankommen ! Im größten Regen kam Hocheder, Caroline blieb auch und so unterhielten wir uns zusammen. Ich erzählte, dass FML Chasteler Fürst geworden und auch Güter eines Fürstentums erhalten, und dass Hiller mit dem großen Theresien-Orden geziert wurde. Der Fürst Esterházy ist noch bei der Armee. Graf Vinzenz schrieb durch einen Ulanenoffizier von Ehz. Carl aus Klattau.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).