Ostersonntag. Ein rauer, feuchter, trüber Tag. Im Redoutensaal die „Wehrmannslieder“ von Collin mit Musik von Weigl und Gyrowetz, zum Vorteil der Wohltätigkeitsanstalten. Früh arbeitete ich, schrieb an den Grafen einen langen Brief, expedierte mehrere Gegenstände und besuchte Filath. Ging zu Peter, wo ich mit Jungmann und seiner Marie speiste. Bei uns war Moreau 2 Mal und brachte einen Schlegel mit. Er fand mich allein, ich lud beide für Dienstag zum Speisen. Um 12 h kam Ullmann und Jungmann, wir machten uns darüber, aus dem Ablass des Bassins den Kopf der Roose, welcher da seit 3 Monaten eingemacht und vor der Kälte wohl verwahrt ist, herauszunehmen und nachzusehen, wieweit im Wasser die Fäulung der Muskel, Bänder und des Fleisches vorgerückt ist. Ein Pestgeruch verbreitete sich bei der Eröffnung des Schaffes. Der Unterkiefer und die Zähne lösten sich gleich los; mit einem Messer und gespitztem Holz wurden die Fleischfasern, Bänder u. dgl. so viel wie möglich losgelöst. Der Kopf ist sehr stark fleckig, wild, grünlich, voll Fett-Teilen. Ich besorge sehr, dass er durch sie Sonne und Wasserbleiche weiß wird. Wir wuschen ihn oft in frischem Wasser, gaben ihn nach geschehener Reinigung in frisches Wasser und versperrten das Schaff in der Grotte. Als der Actus schon vorüber war, kam der Arzt Weiß. Wir zeigten ihm den Kopf, auch er ist besorgt, dass er nicht weiß wird. Nach Tische kam Werlen, wir blieben in seiner Gesellschaft bis ½ 6 h, dann nach Haus. Bei uns war der junge Nitschner samt Frau, um die morgige Einladung zum Speisen zu wiederholen. Heute ist der Jahrestag, dass bei Nitschner der große Theater-Jux gewesen. Im Redoutensaal war es gedrängt voll. Ich fand Nitschner, Hocheder, Etzelt, Kárner. Ich ließ uns Sitze bringen, da kam der alte Stephanie mit seiner Geliebten Frey (?), der Hausfrau von den Drei Tauben. Ich überließ meinen Sitz, wir blieben beisammen. Der Enthusiasmus war ungeteilt, doch war schade, dass niemand vom Hofe erschien. Beim Herausgehen traf ich wieder Nitschner und Erhart. Therese speiste allein zu Haus, fing ihre Batist-Tücheln zu stopfen und schlingen an und hatte den Abend die Hausfrau, Schmidt und Werlen bei sich.
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Ostermontag, ein hässlicher kalter Tag. Den ganzen Tag schneit und weht es. Im Burgtheater „Erste Liebe“, im Kärntnertor-Theater zum 1. Mal „Grenzstädtchen“, Oper in 1 Akt von Kotzebue, Musik von Riotte, dann „Das belebte Bild“, Divertissement von Taglioni, Musik von Hummel. Im Theater an der Wien „Ariadne und Theseus“. Früh arbeitete ich im Verdrusse über das Wetter sehr fleißig. Um 10 h zur Terzaga, zum Keglevich, sprach Filath, kam in Compagnie, um mit Kárner zu Nitschner zu fahren, wo großes Diner ist. Therese fuhr mit der alten Frau hinaus. Außer uns und Kárner speisten Tannenberg (?) und Lefèvre da. Die Gesellschaft war froh, Kárner bei Laune, hatten sehr viel Spaß mit T[annenberg ?]. Die Lefèvre, bei der Liebe und Mitleid erwachte, nahm sich seiner an. Nach Tische wurde Woita (?) gespielt, da ließen Therese und ich einen Fiaker holen, er kostete 2 fl 36 x. Therese fuhr nach Hause, ich ins Kärntnertor-Theater. Fand eine dumme Veränderung des Parterres, außer Zimmermann, Berger, Arbesser, Rosalie mit Zeuner keine Bekannten. Die Oper wurde ausgezischt. Zum Ballett kam Werlen, mit dem ich auf die Redoute ging, wozu uns Peck reichlich mit Billetts versah. Trotz des anhaltenden teuflischen Wetters waren doch bei 1200 Ballgäste und eine ziemlich gewählte Gesellschaft. Wir fanden Scheiger, Ortner, Kunz, Filath, Demelmayer, eine Menge Gesellschaft, Carl Etzelt mit der Walther, dem ich wegen Verwendung zur Befreiung meines Bruders dankte. Um 3 h nach Hause.
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Osterdienstag. Fortdauer dieser verheerenden Wetters, es schneit und weht noch immer. Therese gab ihre Lektionen, ich erzählte ihr, dass ich in der Redoute Moreau mit seiner Schlegl (?) traf und dass beide gleich mager sind. Am Vormittag schrieb ich an den Grafen. Mittags speisten Brandl und Aloys Kollmann bei uns. Im Burgtheater die verunglückte Oper „Das Grenzstädtchen“, dann „Das belebte Gemälde“, im Kärntnertor-Theater „Intermezzo“, im Theater an der Wien „Theseus und Ariadne“, im Leopoldstädter Theater „Sitah Mani“, Heurteur von Brünn als Karl XII. Nach Mittag zu Haus, nach 4 h mit Werlen zu Frey. Bei Peter fanden wir uns wieder und hörten, dass bei Rottensteiner der Teich (?) zerfallen und beim Binder (?) ein neuer angeschafft sei. Um 7 h mit Werlen nach Haus. Es kam Caroline, um 9 h ins Bett. Die Witterung wie im strengsten Winter.
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Strenge Kälte, gefroren, erst um Mittag taute es auf. Im Burgtheater „Wald bei Hermannstadt“, im Kärntnertor-Theater „Heftige junge Frau“, im Theater an der Wien „Rochus Pumpernickel“, im Leopoldstädter Theater „Abälino“, Heurteur als Flodoardo. Früh arbeitete ich, dann zum Grafen, Keglevich, Filath. Mittags mit Therese und der Agnes allein. Nach Tische zum Reimann, zum Petschiermacher Bartl (?) zum Karpfen auf die Neue Wieden, zum Brandmayer und Peter. Blieb in seiner Gesellschaft, es war eben der Kupferschmied wegen Veränderung des Teiches da. Nach 5 h kam Werlen, wir gingen zusammen ins Leopoldstädter Theater, erquickten uns vorher im Bierhaus. Heurteur gefiel und wurde verdient vorgerufen. Jeanette mit Bruder und Schwägerin, Doppler Mama waren meine Bekannten. Bei Therese war Caroline und Martin. Die heutige Wiener Zeitung enthielt wieder Schmähungen aus dem Journal de l‘ Empire.
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Heiter, stark gefroren. Im Burgtheater „Bürgermeister“ im Kärntnertor-Theater Einnahme der Milder „Schweizer Familie“, im Theater an der Wien „Hausgesinde“ und „Harlekin in den Alpen“, im Leopoldstädter Theater „Jäger“, Heurteur als Anton. Früh besuchte ich Dopplers Protektor, Freund Passy, welcher uns selben als Violinisten bei den Hoftheatern empfahl. Heute erschien der Armeebefehl von Ehz. Carl, weswegen ich den Aloys überall herumschickte und nicht erhalten konnte. Nach 9 h zum Keglevich. Therese gab ihre Lektionen. Ich fetzte den Armeebefehl sehr geschwind herab, denn erst nach Tische war selber bei Haas zu haben. Baumann war unser Gast, da wurde immer von seiner Oper „Adam in der Klemme“, mit verbundenem Divertissement von Hornung, gesprochen. Nach Tische ging Therese zur kranken Goldmann und Rohrweck, ich fuhr mit der Jeanette in die Porzellanfabrik und zum Peter, zeigte ihr Wohnung und Gärtchen. Nach 6 h zu Haus und zum Grafen, der eben von Preßburg kam und wo ich bis 8 h blieb. Dann nach Haus, suchte mir Compagnie um etwas zu soupieren und um 9 h ins Bett. Bei Therese war die Schmidt.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).