Kalt, abwechselnd Regen, ein düsterer Tag. Den Vormittag beim Grafen und mit ihm. Peter und Klimbke sprach ich einen Augenblick. Mittags allein, nach Mittag kamen Witwen um ihr Geld, die Umlauf, Lavotta, welche bei Therese blieben. Ich war immer zu Haus, arbeitete, bin missmutig und für nichts empfänglich. Abends ging ich in beide Theater, im Burgtheater „Brautschmuck“, im Kärntnertor-Theater „Iphigenie“. Hielt mich in den Theatern nicht auf, sondern besuchte Brandl und fand da Weber, die Teidl (?). Ich engagierte sie zum Römischen Kaiser zu soupieren, der alte Brandl kam nach. Wir trafen Kühnel, Frau und Schön, schwätzten, blieben bis nach 10 h und gingen im stärksten Regen nach Haus. In der Nacht um 2 h erhob sich ein wütender, verheerender Orkan. Therese und ich wurden wach und brachten die Nacht schlaflos zu. Der Sturm riss uns die Fenster auf. Vor 5 h früh hörten wir einen schrecklichen Schlag, fühlten eine Erschütterung. Der Augustinerturm stürzte ein, ganze Partien von Ziegeln fielen von den Dächern herab und zerschmetterten Reihen von Fenstern. Die Straßen sind von Ziegeltrümmern und Glasscherben angefüllt.
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Vor 6 h ließ mir Umlauf sagen, es sei der Augustinerturm eingestürzt. Ich warf mich in die Kleider, und eilte, alle die Verwüstungen zu sehen. Der Turm lag mit seinem Unterteil am Palais des Lobkowitz, und die Spitze mit Krone am Schranken des Klosters. Nicht ein Dach, kein Fenster wurde beschädigt. Äußerst merkwürdig ist die Art des Herabstürzens. Auf dem Josephsplatz sind von den Dächern ganze Partien Ziegeln herabgerissen. Das Dach des Gerüstes an der Josephsstatue samt den Bretterplanken wurde eingerissen. Am Michaelsturm wurde das Uhrblatt gegen das Theater zur Hälfte umgebogen. Am Tandelmarkt wurden viele Hütten, ganze Reihen umgeworfen und die Kleider und übrigen Effekten vom Sturm weggetragen und zerstreut. Mehrere Rauchfänge und Dächer stürzten ganz und zum Teil ein. In der Stallburg, dem Hönigsteinschen und Zollerschen Haus geschah großer Schaden. Im Prater sieht es schauerlich aus, partienweise gleicht er einem Verhau. Die stärksten Bäume sind am Grunde abgebrochen, in der Allee kann man gar nicht fahren. Die Verwüstung ist unglaublich. Stuwers Feuerwerksgerüst wurde zwar sehr geschont, doch hat er über 700 fl. Schaden. Wie traurig werden die Nachrichten vom flachen Lande sein ! In Heiligenstadt hat es auch den Kirchturm umgestürzt. Ich war am Vormittag beim Grafen, ging zum Theater und fand nach 11 h den herabgestürzten Teil des Augustinerturms schon ganz weggeräumt, und das Dach über der Statue fing man an abzutragen. Peter begleitete Therese und mich auf die Mehlgrube, wo wir elend speisten. Nach Mittag zu Nagl, sprach Reider (?) in Gesellschaft, war zu Haus. Wir hatten Besuche von Hocheder und Walluschek. Abends ging ich ins Kärntnertor-Theater „Hagestolze“, war im Parterre und Loge. In der Loge fand ich Compagnie, es war Peter, Lissl mit Anhang. Nach dem Theater gleich ins Bett. Der heftige Wind dauerte mit abwechselndem Regen immer fort, dabei war es sehr kalt.
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Heiter, aber kalter Wind. Den Vormittag beim Grafen, dann zu Keglevich. Mittags hatte Therese Eckhart zu Gast, ich speiste mit Stessel bei Puchberg. Um 4 h gingen Therese und ich zur Joseph[ine], wir luden sie ein, mit uns in den Prater zu fahren, um die Verwüstungen zu sehen. Traurig wurden wir, den schönen Prater so zerstört zu sehen. Wir fuhren auch zu Stuwer, von dem ich Feuerwerk-Stücke nahm. Therese blieb bei Joseph[ine], ich ging in beide Theater, im Burgtheater „Ersatz“, im Kärntnertor-Theater „Kleine Putzmacherin“ und „Helena“, um den Tänzern die Eisenstadt-Präsente zu verteilen, welche zusammen 2200 fl. machten. Später suchte ich Gesellschaft und plauderte.
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Abwechselnd Regen. Den Vormittag beim Grafen, mit ihm fuhr ich ins Cavrianische Haus, um das Quartier anzusehen. Eckhart war Theresens Gast, ich musste mit Stessel im Römischen Kaiser speisen. Nach Mittag besorgte ich die Quittungen über die Douceurs, Taglioni und Rossi waren bei mir. Ich übergab ihnen die Gelder, ging zu Stessel. Der aber war schon mit Kárner nach Eisenstadt gefahren. Hatte Besuche von Neumann und Gewey und ging mit letzterem ins Kärntnertor-Theater, zum 1. Mal „Ostade“, Oper in 1 Akt von Treitschke, Musik von Weigl, nachher „Der großmütige Caliph“. Die 6 Tableaux machten gute Wirkung und die Operette gefiel. Therese war zu Haus, Nitschner kam und lud uns morgen am Nachmittag zum Speisen ein, welches Therese auch zusagte.
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Am Vormittag heiter, warm, am Nachmittag trüb, windig und großer Staub. Früh hielt mich Podgorschek mit Caput und Beinkleidern auf, dann zum Grafen und nach 10 h zur Institutssitzung. Um 12 h fuhr ich mit Nitschner hinaus, Therese mit seiner Mutter. Wir durchstrichen seinen vom Sturm beschädigten Garten und waren eben zurück, als Therese ankam. Der Uhrmacher, Nitschner und Chimani waren auch Gäste. Nach 4 h gingen wir mit dem jungen Nitschner und Frau in die Stadt. Ich führte sie ins Burgtheater „Ostade“ und ländliches Divertissement, führte sie auf’s Theater, in die Garderobezimmer und setzten uns auf’s Theaterbankl. Ich blieb nicht im Theater, sondern begab mich zu Peter. In seinem Garten war Kassier Hannamann; ich blieb den Abend in seiner Gesellschaft, Therese zu Hause.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).