Abwechselnd Regen. Früh zum Grafen, zur Polly. Mit Graf Louis ging ich wegen Geigen herum. Mittags mit Therese allein. Rottruff war am Vormittag da und kam nach Tische wieder. Sie klagte und jammerte wegen Untreue des Mannes, dass sie sich von ihm trennen will. Es ist so unangenehm, dass solche Weiber immer zu der ohnehin zückenden (?) Therese kommen. Goldmann, Weidmann Franzl kamen, später die Gulyás Therese. Wir gingen zusammen spazieren, dann auf die Wieden zu dem gestürmten Bäcken. Vorher jausneten wir im Weichselwein-Gärtl, tranken Weichselwein, aßen Käse, Salami, Kipfeln. Der Pfauen-Bäcker verkauft schon wieder Brot, ist aber von Polizei bewacht. Auf der Straße steht noch immer Polizei, Kavallerie und Grenadiere. Viele sind verwundet. Im Hereingehen erzählte man, dass es zu Mariahilf, Kothgasse, Neubau sehr tumultuarisch sei. Weidmann Franzl und ich separierten uns von den Damen, gingen in die Kothgasse, da kam eben ein Schwarm herab. Burschen trugen ganze Binkel Brot, andere wieder mehre Laibe unter dem Arm, andere hatten Prügel, Bettstaffeln, einen Buschen Banco-Zettel etc. Kaum waren wir da, fingen die Grenadiere scharf zu feuern an. Zu Mariahilf waren Latour, Kriegspräsident, Dietrichstein und Ehz. Johann, alle vergebens, ersterer wurde ausgelacht. Ein Zug solcher Schufte kamen, auf einer Bäckerstange mit einem Fetzen Leintuch als Fahne, ein anderer mit einer alten Trommel, und rückten so wie wütend mit einem Steinregen gegen das Militär an. Die Kavallerie haute ein und hieben dem Fahnenträger den Kopf entzwei, dem Tambour spaltete ein anderer die Achsel und ein Grenadier stiess ihm das Bajonett in den Leib. Eine Kompanie Grenadiere schloss über zwei Aufrührern ein Karree, musste sich aber mit selben in das Kadettenstift retirieren. Sie schlossen die Tore, der Janhagel warf Steine und dachte die Tore zu sprengen. Ein Schuft davon entkam doch. Nun feuerten die Grenadiere aus allen Fenstern auf das Volk herab. Es fielen und wurden mehr als hundert beschädigt und getötet. Der Platzmajor wurde tödlich verwundet und wird schwerlich die heutige Nacht ausleben. Ebenso war es auf dem Platzl, Neubau, Schottenfeld, Währing, Ottakring. Überall verwüsteten sie und zerstörten die Wohnungen der Bäcken, brachen sogar die Stubenläden, zerschmetterten die Einrichtung, warfen das Geld auf die Straße, zerrissen die Banco-Zettel und trieben scheusslichen Unfug. Dies währte die ganze Nacht. Die ganze Garnison musste ausrücken und blieb unter den Waffen. Abends bleibt mir nichts übrig, als im Burgtheater „Mädchentreue“ zu sehen. Bis 9 h ging ich in Compagnie herum, dann gleich nach Haus.
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Ein schöner Tag. Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs wurde ein Drohungs-Patent an allen Ecken angeschlagen. Auf dem Mehlmarkt steht ein Zug Kavallerie von Albert-Kürassieren und eine Kompagnie Infanterie von Salzburg. Alles Glacis ist voll Militär; in Simmering ist das Lager aufgelassen und in die Stadt gerückt. In allen Vorstädten ist Militär einquartiert. Kriegerische Anstalten, die meisten Hauptpassagen sind gesperrt. Über die Donaubrücken beim Neuen Tor darf niemand passieren. Horden Arrestanten werden eingebracht. Ich sah auch einzelne (?) mit 6 Mann Grenadieren und 3 Mann Kavallerie einführen. Der Befehl ist, dass um 9 h in den Vorstädten alle Häuser geschlossen und alle Gasthäuser leer sein sollen. Außer einigen Kleinigkeiten im Schottenfelde und Leopoldstadt, Neugasse ist heute alles ruhig. Ich schlich in den Plätzen herum und war bei Polly, und anstatt Therese bei der Regierung wegen der Klassensteuer. Mittags war die Rottruff und zum ersten Mal die Menner unser Gast, sie blieben am Nachmittag. Ich ging mit dem Weidmann Franzl auf die Hauptmaut, zum Löwen wegen Fuhr nach Brünn, bestimmten aber, den Leitgeb für 50 fl. zu nehmen, mit dem wir bequemer fahren. Therese sang im Burgtheater „Capricciosa“, ich fuhr mit Weidmann ins Theater an der Wien. Er spielt in „Kobold“, Lustspiel in 4 Akten zum 1. Mal den Bedienten Johann. Sehr leer und elende Produktion, Zimmermann als Wagner wusste nicht ein Wort und beschmutzte sich von Dreck die Beinkleider. Er wurde vorgerufen, hielt eine Rede, teils in Prosa, teils in Knitteln und schloss: „Habt Nachsicht und Geduld mit mir altem Kreister, der auch schon 30 Jahre dient, Josephus Weidmann heiiißt er“. Ich fand Compagnie im 2. Stock, schwätzte mit Willmann, Clementi, Braunfels (?) und so passierte der Abend.
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Heiter. Am Vormittag beim Grafen und auf dem Markt. Mittags allein, nach Tische erhielt Therese einen unglücklichen Part in „Giulio Sabino“. Goldmann war nach Mittag bei Therese, ich arbeitete, Weidmann Franzl war da. Schrieb an Kárner und schickte ihm das Schurken-Patent. Alle Vorstädte sind voll Militär, im Theater an der Wien sind 2 Rittmeister und 4 Gemeine samt den Pferden. Heute ist noch alles ruhig. Immer noch werden Unruhestifter eingeführt. Therese, Goldmann und ich gingen am Abend spazieren, sahen die Kavallerie kampieren und hörten, dass die Pulvertürme stark bewacht und mit Kanonen besetzt sind, die mit Kartätschen geladen sind. Noch kommen mehrere Regimenter nach Wien, welche Last für die Einwohner ! Wir gingen zum Burgtor hinaus über die Glacis an die Wien ins Marokkaner-Gärtel, tranken Weichselwein und aßen Käse, Salami und Kipfeln. Um 9 h nach Hause, dann ins Burgtheater „Horatier und Curiatier“. Crescentini und Campi sangen schlecht und wurden beinahe ausgezischt. Im Parterre traf ich Klimbke, in dessen Compagnie ich noch herumschlenderte. Wir schlichen vom Kärntner zum Burgtor und plauderten von den Anstalten der Wohltätigkeit, dass der Kaiser dem Haan (?) die Untersuchung dieses Vorgangs auftrug.
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Geburtstag des Herzogs Albrecht, heute ist selber ... [ ? Altersangabe fehlt] Jahre alt. Heute springen die Brunnen in den Vorstädten Mariahilf, Schottenfeld, Lerchenfeld, Kothgasse etc zum ersten Mal, in allem sind 8. Das Wasser kommt aus den Hütteldorfer Tälern. Regen, nach Mittag ein Wolkenbruch. Früh zum Grafen. Therese wurde von dem Regierungskonzipisten Fuchs gebeten, in der Pfarrkirche des Hl. Laurenz im Schottenfeld zu singen. Es war ein Amt von Joseph Haydn gemacht Therese sang die Motette von Cartellieri. Friedlowsky – Klarinettist vom Theater an der Wien – akkompagnierte sie; sie war gut bei Stimme. In der Kirche war die Bürgerschaft in Uniform, dann 12 Knaben und 12 Mädchen gleich gekleidet. Letztere hatten weiße Kleider und Schärpen in den Farben des Albertischen Kürassier-Regiments. Um 12 h kamen wir erst zurück, ich ging noch zur Polly, um mich wegen der Brieftasche zu bedanken, dann nach Haus. Therese und ich speisten allein. Nach Tische kam der junge Weidmann und sagte, sein Vater fahre nicht nach Brünn. Hofrat Ley hätte ihm gesagt, es wäre Aufruhr und man senge und brenne schon 2 Tage. Dies ärgerte mich, weil ich weiß, dass es nicht wahr ist, da ich eben von Krieghammer einen Brief erhalte, in dem er mir zwar von Bäcken-Stürmen, aber nichts weiter schreibt. Ich kenne den Wankelmut des alten hypochondrischen Mannes. Nach Mittag arbeitete ich, es kamen Eckhart, Goldmann und Neumann. Ich ging ins Kärntnertor-Theater „Capricciosa“, Therese sang heute sehr angenehm. Dann ins Burgtheater „Tage der Gefahr“, Babette Rothe zum 2. Mal als Constanze. Ich suchte Compagnie und fand welche im Burgtheater. Ich bin ganz umgestimmt, plauderte mit Rauecker und Giftschütz und war auch auf dem Theater. Heute rückten die Palatinal-Husaren in Garnison ein. Auch wurden alle Tandler, Büchsenschifter und Schwertfeger ins Magistrat gefordert, und ihnen Befehl erteilt, niemandem, außer jemand sehr bekannten Manne, Gewehr, Säbel oder andere Waffen zu verkaufen. Schon rücken noch Nassau, und Latour-Chevauxlegers und Wenzel Colloredo von Preßburg in Garnison ein. Große Garnison, große Last für das Publikum.
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Abwechselnd Regen. Am Vormittag beim Grafen, mittags allein. Nach Tische arbeitete ich. Therese nähte auf der Csekonics gefärbtes Umhängtuch Börteln auf, womit wir ihr ein Geschenk machen. Abends im Burgtheater „Kleiner Matrose“, Pas de deux mit DeCaro und Gioja. Unterm Essen kam der Graf, machte mir einen Auftrag und nahm eine Portion Dalkerln mit. Nach Mittag kamen Rottruff, Polly und Goldmann. Im Theater sagte mir der junge Weidmann, sein Vater habe vom Mayer einen Brief erhalten, dass in Brünn keine Unruhen sind, dass er ihn und mich sehnsuchtsvoll erwarte, und doch geht der Mann nicht, weil er besorgt, er nimmt zu wenig ein. Ich suchte mir nach der Oper Compagnie, schlich herum, dann soupieren. Therese war den Abend zu Haus.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).