Trübe, kalt. Früh arbeitete ich. Therese kaufte für Lisette Woller Strümpfe und Handschuhe, die ich übergab. Mich besuchte Augustin Hitzinger und bat mich, seinen Heiratskontrakt mit der Goldarbeiterswitwe Anna Sandmayer (?) zu machen, und sagte mir, dass er am Sonntag heirate. Mit Klimbke ging ich zum Hafner in die Roßau, in die Porzellanfabrik, wo Klimbke für Walcher (?) eine Kaffeeschale bestellte. Mittags allein, nach Tische besuchten wir Quarin um ihm zu gratulieren, er war nicht zu Haus. Therese ging mit mir zum Vetter Kilian (?), wo wir zahlten, dann sie allein zu Braunmüller und Barany. Abends aber mit Rosalie ins Kärntnertor-Theater „Corsaro“ mit Brocchi. Ich besuchte einen Augenblick Schaidegger, eilte nach Haus, arbeitete bis 7 h und begab mich dann ins Kärntnertor-Theater, um Therese abzuholen. Ich hatte Langeweile, plauderte mit Nigst, Hunnius.
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Ein schöner Tag. Früh arbeitete ich in No. 810, zu Woller. Sie war nicht zu Haus, doch begegnete ich sie in der Kärntnerstraße. Lisette hatte Freude mit ihrem Angebinde. Therese speiste allein und blieb Mittags und abends allein. Ich aß in der Schwann mit Stegmayer, Frankstein, Pelikan, Maisano, Wallaschek, Gewey, Perinet, Jean Sartory, Altmann (?) etc. Auf dem Weg begegnete ich der Therese Klenner (?) und begleitete sie ins Freihaus. Ich war im Kärntnertor-Theater „Essighändler“ italienisch und Terzett von Giulio Viganò, Frau und Capelletti. Da blieb ich nicht lang, begleitete Nigst, ging ins Burgtheater „Straßenräuber aus Kindesliebe“ und sah Heurteur als Fritz Rehfeld sein Unwesen treiben. Nach dem Theater nach Hause.
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Elisenfeier, neblig. Früh brachte Klimbke den Stiefsohn Huber seines seligen Bruders, der den Tag über bei uns blieb. Ich sah in No. 810 nach, gab zum Laager (?) ein Billett hin, dann nach Haus. Um 10 h kam Toussaint von Hz. Albert, holte uns ab. Rösner, der keine Huber, die Gulyás, Therese und ich gingen in Alberts Palais. Man zeigte uns Mälzels Trompeten- und Paukenwerk, eine Spieluhr, seine Zimmer, den Saal, die Kupferstichgalerie, die Bibliothek, wo wir einige Prachtausgaben sahen, und den neuen Gedanken, eine Bibliothek von allen Bäumen, Stauden. Auf den Buchrücken sind ein Stück Holz, Rinde, Moos, im Buch selbst aber in Natura Samen, Blatt, Rinde, Holz, Frucht, Wurzel etc. zu finden. Jeder Baum hat ein Buch in Oktav. Zuletzt sahen wir die Silberkammer. Wir speisten allein mit dem kleinen Vetter von Klimbke und Pepi. Nach Mittag arbeitete ich, ging in den Redoutensaal zur Probe von den morgigen Deutschen und Menuetts. Therese rangierte ihre Kleidung und Toilette zur „Marie von Montalban“. Den Pepi nahm ich mit in den Saal, er tanzte Deutsch und betrug sich recht artig. Nachher übergab ich ihn Klimbke und ging ins Kärntnertor-Theater. Therese sang wieder meisterhaft. Mit dem Ridikül, den ihr die Ascher am Mittwoch schickte und der recht artig ist, von ihrer eigener Hand gestickt, ihrer ersten Stickarbeit, hatte sie viel Freude.
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Ein heiterer Tag. Früh zum Grafen, dann nach Haus und mit Kárner zum Hafner Winkler. Therese war bei Kohl, um die angetragenen Billets zur heutigen Katharinenredoute abzuholen. Mittags speisten wir allein. Therese wurde nach Mittag zur Ascher gebeten, wohin sie auch ging und bis 7 h blieb. Sie rüsteten sich in die Redoute, wohin sie auch Therese persuadieren wollten, aber vergebens. Therese war den Abend zu Haus. Ich musste nach Mittag zum Grafen, ging auf die Bastei, war abends bei Nigst, soupierte im Lothringer und begab mich nach 9 h in die Redoute. Es war sehr voll, die Zahl 4195 versammelt sich nicht so bald wieder. Die Ascher und Babett sahen sehr gut aus. Beide waren weiß, ganz gleich gekleidet und hatten rosafarbene Felberhüte mit Federn. Ich sagte ihnen: „Sie sehen Grazien ähnlich“, und sind auch wirklich Grazerinnen. Ihr Bruder unterhielt sich mit Praschinger (?). Drei Masken in weiß atlassenen Spitzenmänteln sind sehr prächtig gewesen. Eine davon sagte mir viel Verbindliches und versicherte mir, sich mir im Theater erkennen zu geben. Zwei Ägypterinnen erhielten meinen ganzen Beifall. Ihr Anzug war so richtig, so neu, der Gedanke so glücklich gewählt, dass er mir viel Freude machte. Eine davon sprach ich lange, sie war sehr galant und heftete mir manch Schönes auf. Mit Lis[ette] Rummer (?) sprach ich, auch mit Viotti, beide waren maskiert. Die Schaidegger mit Tini waren darin, sie fanden und sprachen den Fürsten; ich sah sie gar nicht. Um 5 h erst kam ich nach Haus.
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Ein düsterer, nebliger Tag. Der armen Ascher und des abgefeimten Bösewichtes Jakob Kirstein Todestag. Früh zum Grafen, zum Hafner, in die Theaterkanzlei und nach Haus. Die Sepherl kam mir atemlos entgegen, schrie „Um Gottes willen, die Ascher ist erschossen", und ein Kerl habe sie, dann auch sich selbst erschossen, beide liegen in ihrem Blute. Die Rustin (?) Mutter – sie wohnt am Tiefen Graben vis-à-vis des Hahn (?), wo die Unglückliche wohnte – war da und erzählte, dass sie um ¾ auf 12 h mittags 2 Schüsse nacheinander hörte. Die Schwester schickte Kirstein um 10 h aus nach Erdberg in ihren Garten, unter dem Vorwand, da eine Schrift zu holen, die ihn vielleicht retten könnte. Die Unvorsichtige ging. Die Hausfrau war auch nicht zu Hause. Der Schurke schloss die Türe. Sie schlief – so vermutet man aus der Lage, in der sie gefunden wurde – wieder ein. Er schoss sie beim Kinn in den Kopf, und sich in den Mund. Der Schlosser und die Dienstmagd kamen auf den Schuss, sperrten auf und fanden ihn im Blute, ohne Rock, mit der Pistole noch in der Hand liegen, sich aber noch bewegen. Der Pulverrauch und Dampf in dem kleinen Zimmer waren so heftig, dass sie den noch lebenden doppelten Mörder – vielleicht in der Meinung, ihn noch zu retten – auf den Gang zogen. Er war aber ohne alle Besinnung und hauchte nach ¾ Stunden seinen teuflischen Geist aus. Man fand bei ihm mehr Pulver, Blei, Briefe, wovon ich in der Folge etwas Bestimmtes hören werde. Er legte ihr ihr Porträt unter den Kopf. Von ihm fand man 3 Finger, die ihm vermutlich ein Schuss wegriss, unter dem Bett. Er soll unter dem Namen Fourier Mayer beim Römischen Kaiser gewohnt haben und sie schon am Leopolditage besucht haben. O die Unvorsichtigen ! Sie waren taub gegen die Warnungen ihrer Freunde. Schrecklich büsste die Ascher für ihren Leichtsinn und ihre Unvorsichtigkeit. Wehe den beiden R[embol]d und L[an]g; diese halfen und verbargen den Schurken fort. Ich und Therese waren Zeugen, wie die Ascher Kirsteins Schlafrock, und die Babett andere Sachen zusammenpackten, um sie beim L[an]g dem Schurken zu geben. Beide, Nanett und Babett, waren schon ganz misstraurisch gegen uns, weil wir ihnen wegen diesem Wüterich so ans Herz sprachen, aber leider ohne Nutzen, wie die gräuliche Tat bewies. Ich war ganz erschüttert, fasste mich mit Anstrengung aller Kräfte, um es Therese vorzutragen, so gut ich konnte. Therese nahm es standhaft auf. Ich schickte gleich die Sepherl hin; sie kam mit der Antwort, den Mörder trugen sie um ½ 2 h tot weg, Ascher liege im Bett, Babette rase, wolle sich über das Fenster stürzen oder mit dem Messer morden, der Bruder sinke von einer Ohnmacht in die andere und die Mutter schwanke wie eine Leiche herum. Mehrere 100 Menschen stünden auf der Straße herum und hörten die von zwei verkleideten Polizeikerls gehaltene Babett schreien und weinen. Der Gang, Zimmer und Bett schwimmen von Blut. Mit tausenderlei Verdrehungen und Zusätzen erzählt man sich diese grauenhafte Geschichte, die jedes Menschenherz empört. Nach 2 h kam die Sepherl nach Haus. Wir konnten nichts essen. Nach Tische kamen Salieri, mein Bruder, Lavotta, die Rottruff, Schwester, die Gulyás, Eckhart, welcher Therese etwas verschrieb. Wir blieben bis 4 h zu Haus. Dann gingen Therese und ich zum Brandl. Von da aus schickte ich die Magd zur Ascher, um zu hören und Rückbleibendes zu machen. Ich hörte nur von Jammer, Elend und Zetergeschrei. Um ½ 5 h trug man Aschers Leichnam ins Allgemeine Spital. Bitter und zermalmend mögen die Vorwürfe immer sein, die sich die Babett aus vielem Grund zu machen hat. Therese blieb den Abend bei der Brandlin, ich ging einen Augenblick zu Schaidegger, und erfuhr, dass der Fürst wirklich in der Redoute war, sie ihn sprachen und er sie heute schon besuchte, mit der Versicherung, für sie zu sorgen. Den Abend blieb ich im Kärntnertor-Theater „Tage der Gefahr“, dann zu Brandl, wo wir soupierten und erst um 11 h nach Haus kamen.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).