Trübe, kalt. Reise nach Eisenstadt zur Aufführung der Kantate. Therese befindet sich etwas besser. Ich war früh bei Braun, um Haim aufzusuchen, der wegen Krankheit seines Bruders die Lustreise nicht mitmachen kann, bei Kárner, von dem ich Abschied nahm. Hernach war ich bei Goldmann, Klimbke und dem Vetter. Mit Walther sprach ich auch, der mir nichts, für den Grafen aber Frack, Gilet und Beinkleider mitbrachte. Um 2 h ist unsere Abreise festgesetzt. Der Graf ließ mich für heute abends bestellen, und da ich absagen musste, wurde er unwillig. Nach 2 h fuhren wir weg; Therese übergab unser Silber, Schlüssel alles der Schreibers. Außer Ebreichsdorf fuhr uns der Pölt vor, den wir aber in Wampersdorf wieder erreichten. Weil ich viele pressante Briefe hatte, und unsere Kutsche in Wimpassing fütterte, so setzte ich mich zu ihm, um schnell nach dem geliebten Eisenstadt zu kommen. Therese befindet sich sehr übel, besonders ward ihr auf dem Weg von Wimpassing nach Eisenstadt äußerst schlimm. Kaum hatte ich meine Briefe besorgt, so traf auch schon Therese krank ein. Sie legte sich gleich und hatte in der Nacht fürchterliche Hitze, welche mich eine schwere Krankheit besorgen ließ.
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Kalt, mitunter trübe. Therese befindet sich sehr schlimm; wie bang ich bin ! Ich gehe herum wie einer, der tausend Geschäfte hat und darüber sein erstes vergisst. Der Buchbinder brachte mir 200 gebundene Bücher der Kantate. Mit dem Verwalter Ruttrich ging ich ins Engel-Wirtshaus, um mit dem Wirt wegen Verköstigung der Wiener Chöre zu traktieren. Es wurde für den Kopf 3 fl. 30x ohne Wein bedungen. Die Csekonics besuchte ich, mittags zu Haus, vor Sorge konnte ich nichts essen. Nach Mittag kam Röckl, die Krämpfungen und das Fieber nahmen zu, und auch meine Angst. Abends setzte ich mich ins Kaffeehaus, soupierte mit Ringer, Nimmervoll etc. Bei Tisch heiterte ich mich etwas auf. Mit Elsler sprach ich wegen Musselin, welchen die Csekonics kaufen soll. Mayer saß auch neben uns auf den Bänken und bewunderte Eisenstadts schöne Gegenden. Nach 9 h nach Haus, Therese lag im Fieber.
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Früh empfindet sich Therese um nichts besser. Ich besuchte Haydn und lud ihn zu unserer Tafel beim Engel, vorher war ich bei Szentgály, ihm mein Kompliment zu machen, der mir des Fürsten Brief und Uhr zeigte. Um 12 h zu Fuchs und zu ihr, um ihn und sie nochmals zu laden. Gleich nach 12 h kamen Korner, Zeltner, Heller und Spangler mit 8 Knaben an. Eine Last war mir vom Hals, als ich sie sah, weil sehr leicht hätte ein Hindernis eintreten können. Wir speisten in 17 Personen im Saal und wurden gut bedient. Es wurde alles lustig und guter Dinge, wir saßen bis 4 h, dann begann die Kantate und Generalprobe. Korner sang Theresens Part. Im Engel-Saal wurde sie in Gegenwart vieler Zuhörer gemacht und gelang vollkommen. Nach der Probe nach Haus. Therese liegt noch immer ohne Hoffnung, morgen singen zu können. Mächtig ist meine Bestürzung, unsere Verlegenheit. Um mich zu zerstreuen, ging ich mit dem Flautisten Mayer zur Traube in die „Lanassa“, Einnahme des Karl und Sophie Kretschmar. Es war leer, die Faber spielte die Lanassa, die Priester hatten Hemden an, über selbe waren sie mit Coquelicot-Schals angetan. Auf dem Kopf hatten sie Tücher wie die Milchweiber. Sie sahen wirklich wie travestierte Priester aus. Die Wiener Compagnie war auch samt den Knaben im Theater. Nach selbem ging ich ins Engel-Wirtshaus. Es war ein stürmischer Abend. Beim Herausgehen kam ich mit der Dichtler zusammen. Ich blieb eine Weile beim Souper und kam erst um 11 h nach Hause. Therese hatte eine üble Nacht, schlief nichts, übergab sich und führte öfters ab. Auch ich blieb die ganze Nacht schlaflos.
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In Eisenstadt. Ankunft des Fürsten. In der Nacht kam Freund Kárner an. Diesen besuchte ich gleich früh, er wusste schon von Theresens Krankheit. Ich machte alle Anstalten zur heutigen, aber im ganz unmöglichen Fall zur morgigen Aufführung der Kantate. Kárner schickte Therese Tokajer, Kühnel schickte ihr Biskotten. Ich übergab Fuchs die Bücheln in Atlas. Sprach mit Haydn wegen früherem Anfang der Kantate. Therese besserte sich etwas und nährte meine Hoffnung auf Aufführung der Kantate. Der Empfang des Fürsten war feierlich. Beim Trauben-Wirtshaus empfingen ihn die städtischen Bürger mit Trompeten und Pauken. An der Straße paradierten die Juden, und hatten die Wände mit reich gestickten Teppichen, einem fürstlichen Wappen und einem Vers verziert. Auf dem Platz stand links die Bürgerschaft vom Berg im Gewehr, rechts paradierte die Grenadierkompagnie. Auf der Stiege empfingen ihn die Beamten, an deren Spitze Szentgály, und im kleinen Saal die Musik, an deren Spitze Haydn in Uniform war. Der Fürst kam um ½ 12 h an, war sehr gnädig und galant mit allen. Haydn und Fuchs sagten ihm von der heutigen Aufführung der Kantate, zugleich aber, dass Therese hier und krank sei, darum um Nachsicht bäte. Sie übergaben ihm Bücher in Atlas, und ich 2 an Kárner und Szentgály. Der Fürst sprach mit jedem und wusste jedem etwas zu sagen, den Kandler (?) fragte er um seine Jenaer Pillen, den Röckl um seine Patienten, den Kastner Fuchs um den Wein etc. Nach des Fürsten Ankunft ging ich nach Haus; da brachte mir eben die Frau Direktrice Michaelis einen gelb atlassenen Zettel und die Ankündigung, dass heute ein Gelegenheitsstück von Stotz (?) „Freudenfest einer Dorfgemeinde in Ungarn“ [gegeben werde ?].Therese befindet sich etwas besser und rüstet sich zum Singen. Ich holte Haydn im Schlosse ab und wir gingen zusammen zur großen Gesellschaft im Engel speisen. Heute lud ich noch Jean Haydn und Tomasini Vater ein. Nach Tisch kamen noch mehrere von der Musik, die ich mit Tokajer und anderem Wein bediente. Mit den Buben hatte ich viel Spaß, die befanden sich ganz eigen vortrefflich. Um 4 h fuhr ich nach Hause, schrieb an Joseph Weigl und Pfersmann wegen Theresens Krankheit und späterer Rückkunft. Dem Schmidt und Heyssan trug ich die Verteilung der Bücheln auf. Um 6 h ging ich ins Schloss, übergab dem Kerner die Bücheln von der Kantate für den Hofstaat. Die Rimanoczy (?) frisierte Therese, sie sah sehr elegant aus. Meine Mutter und Sepherl führten Therese ins Schloss. Gleich in der Antechambre traf sie mir der Fürstin und Leopoldine zusammen, die sich mit ihr lange unterhielten, in hohem Grade galant und freundschaftlich waren und viel und oft für diese Gefälligkeit, dieses Opfer dankten. Im Saal ging der Fürst zu Therese, war nicht minder charmant. Dazu kam Haydn; und sagte dem Fürsten in Gegenwart mehrerer viel gutes von Musik und Poesie, wiederholte, was er mir schon gestern in Gegenwart der Tischgesellschaft sagte, dass meine Poesie gut, viel abwechselnd und dem Kompositeur reichen Stoff zur Musik gibt, dass er auf meine Poesie recht gerne schreibe, und dergleichen. Die Sinfonie begann; alles in gespanntester Erwartung, mit den Büchln in der Hand. Therese sang das erste Duett mit Richter vortrefflich, dass man gar keine Schwäche bemerkte. Im zweiten Duett fehlte Richter und nur Theresens Stärke in der Musik verbesserte den Fehler. Am Schlusse war die türkische Musik von außerordentlicher Wirkung. Die Kantate gefiel allgemein und machte wirklich Furore. Therese hielt ritterlich aus und leistete in Anbetracht ihrer Schwäche ein Meisterstück. Nach selber kamen der Fürst, Fürstin und Leopoldine und sagten uns die schmeichelhaftesten Komplimente. Der Fürst bewunderte mein gutes Aussehen und dankte für diese Bemühung, diese besondere Aufmerksamkeit. Nachher sang Bevilacqua eine Arie von Crescentini und gefiel wenig. Des Fürsten Beifall waren ein paar Klatscher mit dem Buch der Kantate auf den Knieen. Therese fuhr, überladen mit Komplimenten nach Haus, ich zur Traube, da aber der Fürst nicht kam, soupierte ich im Engel-Wirtshaus, nahm von ihnen um ½ 12 h Urlaub und trollte mich nach Haus. Die 12 Wiener fuhren um 3 h früh nach Wien.
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In Eisenstadt. Kühl, windig. Früh schrieb ich. Um 9 h führte ich den Ingenieur Wagner (?), Stiefbruder des Steinberger (?) bei Kárner auf. Um 10 h ging ich mit Ringer zur Bergkirche, vor welcher die Grenadiers Kirchenparade hielten. Es wurde ein Amt von Haydn gemacht. Beim Tedeum feuerten die Grenadiers dreimal, und beim Amt viermal, dann wurde aus Böllern gefeuert. Nach dem Amt besuchte ich den Leutnant Dellafus (?), welcher mir seine Uhr zeigte, die er mit allen Offiziers vom Fürsten empfing. Mittags speiste ich zu Hause. Nach Tisch machte ich dem Köstler und der Singer (?) Waberl eine Bittschrift, Therese kleidete sich an. Flautist Mayer besuchte uns und machte die Promenade in die Stadt mit. Therese ist noch sehr schwach. Ich ging zur Traube in die „Teufelsmühle“. Kárner besuchte meine Mutter und blieb länger als eine Stunde. Im Theater war es voll. Nach selbem besuchte ich noch die Daber, welche bei der Habach (?) wohnt und auf der Erde liegt, 2 fl. Gage hat; lustiges Elend ! Voll Hunger kam ich nach Haus und weidete mich an einer kalten Ente.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).