Vor Mittag arbeitete ich, dann ging ich zu v. Kárner, welcher mit Seitz ausritt. Heute gab v. Kárner sein wegen der Redoute am Ostermontag verwettetes Diner bei Villar. Ich aß bei Brandl, nach Mittag sah ich im fürstlichen Hause Arbeiten nach. Abends ging ich zu Therese, blieb den ganzen Abend, soupierte und trollte mich um 10 h nach Hause. Therese und Mutter gingen zu den letzten Akten von „Bürgertreue“; ich blieb zu Hause und las. Heute hatte ich einen sehr ernsten, düsteren Tag, nichts freute mich. Sind es vielleicht Ahnungen eines neuen Sturmes ? Heute morgen um 3 h starb Stephanie der Ältere an einer Brustkrankheit. Er war der älteste und auch ein verdienstvoller Schauspieler; nahm den Ruf eines ehrlichen Mannes in sein Grab mit.
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Ich arbeitete zu Hause. Mittags brachte mir die Sepherl von Therese einen Zettel, worin sie v. Kárner und mich bat, heute zu kommen, indem Weigl zu Besuch gewesen und es Neuigkeiten geben dürfte. Mittags aß ich beim Brandl; nach Mittag blieb ich mit v. Kárner und ging mit selbem abends zur Gassmann. Die klagte mit einigem Leide, dass ihr Weigl erzählte, dass der Braun über Theresens Verbindung so aufgebracht sei, dass ihr selbst dadurch im Dienst geschadet sein dürfte. Kárner sah die Kabale durch, nahm die Sache auf den rechten Gesichtspunkt und beruhigte so eine ganze Familie. Ich begleitete v. Kárner ins Marinellische Theater, ging dann zu Therese zurück und blieb da den Abend.
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Früh arbeitete ich sehr fleißig, ging später in die Stadt in Geschäften. Speiste bei Brandl, ging nach Tisch zu v. Kárner, dann zu Therese, welche aufgestimmt durch die Mutter sehr finstere Blicke mir zuwarf, dass ich ins Marinellische Theater gehen will. Dies verdross mich; da ich aber einmal mein Wort gab, so rüstete ich mich gegen alles und ging. Man gab den „Forstmeister“, darin Goldhammer (?) und seine Frau in den Rollen des Amtmannes und Frau auftraten; beide mittelmäßig, sie beinahe noch weniger. Eine Tochter von ihnen spielte im Nachspiel „Eine Komödie in der Komödie“ artig und gut bis zur Bewunderung. Ich fühlte Langeweile im Theater, war missmutig und schlenderte nach dem Theater gleich nach Hause.
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Geburtsfest der Fürstin. Ich stand sehr früh auf und ging hernach zum Fürsten unterschreiben und zur Fürstin gratulieren. Mit Stessel ging ich zu allen Handwerkern, teils in meinem Dienste, teils wegen einem Batard für ihn. Nach 2 h fuhren v. Kárner, Stessel und ich in den Prater, speisten beim Einsiedler, beim Jüngling um 1 fl., waren ziemlich munter und frohen Muts. Nach Tisch fuhren wir Karussell, ich zeichnete mich aus und stach in einem Fahren 5 Kasketten herab. Abends war ich bei Therese bis 9 h. Im Nachhause gehen wimmelte es auf allen Straßen. Als ich in die Wallnerstraße kam, hörte ich Sturmgeheul, mit Steinen Fenster einwerfen, von Mord reden, von einer zerschmetterten und zerrissenen Fahne und mehr dergleichen. Bernadotte steckte abends gegen 8 h eine dreifarbige Fahne, blau, weiß, rot auf dem Balkon seines Hauses aus. Er wurde auf Ersuchen der Polizei und vieler anderer gebeten und gewarnt, zur Vermeidung eines Aufruhrs die Fahne abzunehmen. Bernadotte – wie rasend – tat nichts. Das Volk versammelte sich immer mehr. Ein paar Waghälse kletterten auf die Mauer bis zum Balkon, rissen die Fahne herab, zerfetzten sie ganz, liefen mit der Stange, welche sie nachher auf der Freyung verbrannten, auf den Burgplatz, schrien „Kaiser Franz soll regieren und die Franzosen alle krepieren!“ Ein anderer Haufe warf mit Steinen, so dass kein Fenster ganz blieb. Einige Mann von der Kavallerie, welche sich vor dem Hause postierten, konnten den Aufruhr nicht zurückhalten. Gegen 10 h, als eben der Fürst zu Fuß und ich mit selbem kam, verdrängte man mit außerordentlicher Kühnheit die Kavallerie, stürmte das Tor, brach ein, verwüstete zu ebener Erde die Kuchel, Zimmer, Wägen und mehr anderes, und würde auch in der Höhe nichts geschont haben, wenn nicht von des Bernadotte Leuten welche über die Stiege geschossen und das Volk so abgeschreckt wurde, hinauf zu stürmen. Es war rabenfinster im Hause, alle Laternen und Lampen waren zerschmettert. Der Gesandte mit seinen Leuten retirierten sich in die hinteren Zimmer, formierten eine ordentliche Batterie. Das Personal war 14 Mann stark und hatte Säbel, Pistolen und Flinten. Der Fürst sich dagegen mitten in den Stiegen, als aber geschossen wurde, ins Haus. Kein Bitten, nichts, konnte den guten Fürsten abhalten, zurückzubleiben. Als er ins Haus kam, wirkte sein zweckmäßiger Vortrag, seine gute Art, die Schmeicheleien, welche er dem Volke sagte, alles dieses so viel, dass das Volk von seiner Wut abließ und sich aus dem Haus begab. Indessen kam ein Reitpferd des Fürsten. Als er sich in Generalsuniform darauf setzte, und die Leute um Ruhe und Abziehung bat, gingen sie haufenweise aus dem Hause. Der Fürst ließ gleich die Kavallerie und Infanterie vorrücken, dann ins Haus vordringen und den übrigen Teil von außen besetzen. Indessen kam erst der Kommandierende und mit ihm mehrere andere Offiziers. Das Volk wurde durch das sehr langsame Vorrücken der Kavallerie und auf das sehr weise Benehmen und Überredungsart des Oberst Wilhelmi nach und nach vom Hause des Gesandten auf den Kohlmarkt weggedrückt und so war bis gegen 12 h alles ziemlich ruhig. Alles blieb unter Gewehr. Die Burg, Kohlmarkt, Herrengasse und alle Zugänge zur Wallnerstraße waren auf das schärfste und stärkste mit Militär besetzt. Nach 12 h ging ich nach Hause, dachte nach der ganzen Begebenheit und war mir wegen der Folgen besorgt.
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Um 6 h weckte man mich und erzählte, dass alle Tore der Stadt gesperrt seien und dass es darin sehr tumultuarisch aussehen musste. Nach 8 h öffnete man die Stadt, das Militär wechselte ab und alles durfte wieder aus- und eingehen. Ich arbeitete zu Hause bis 10 h, dann ging ich auch hinein, fand die Straßen voll Menschen, hörte hunderterlei Erzählungen und fand die Straßen voll Militär, so wie ich sie nachts verlassen hatte. Der Hof wechselt mit dem Gesandten Depeschen, seine Leute gehen mit Kokarden herum, seinen Adjutanten misshandelte das Volk gerade auf dem Weg nach Hofe mit Depeschen. Die Wache musste ein Karree schließen und ihn so nach Hofe begleiten. Nach Mittag kam ein Zirkular mit der Unterschrift des Staats- und Polizeiministers Grafen von Pergen heraus, worin das tumultuarische Betragen dem Volke verwiesen und alles zu Ordnung und Ruhe ermahnt wird. Abends hatte der Gesandte Besuch von mehreren Ministern und man erzählt sich, dass er abreisen wird. In die Wallnerstraße lässt das Militär fast niemanden hinein, das Personal des Fürsten muss Billetts haben. Ich schlich viel herum, um zu hören und die Meinung des Volks zu erfassen. Abends war ich bei Therese. Nina klagte mir die Misshandlung der Weiglischen (?) Brut, Therese über die despotische Behandlung der Mutter, hinzu gesellte sich noch diese Fatalität und so fehlte nicht viel zu einer Jeremiade. Abends 10 h ging ich nach Hause.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).