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Lfd Nr Jahr Monat Tag Eintrag Namen Referenz
2366 1804 1 25 Ein heiterer Tag, aber kotig. Früh zum Grafen, Theaterkasse und Theaterkanzlei. Da waren der Inspizient Klingmann, Ziegler, der die arme Lefèvre zu sich nahm, Pfersmann, Baumann und Weinmüller versammelt. Da war die große, einzige Künstlerin ihres Faches in Deutschland, Nouseul, und ihre ehrenvolle Beerdigung Gegenstand unseres Gesprächs. Braun lässt in ihres Mannes Joseph Nouseul Namen Partezettel drucken, sie durch Castelli öffnen und morgen bei St. Michael auf seine Kosten in der ersten Klasse begraben. Hier fällt mir ein Gedanken ein: „Einen großen Dichter ließ man im Leben im Elend schmachten, nach seinem Tode setzte man ihm ein schönes Denkmal“. Ein anderer Dichter sagte den Gedanken: „Er bat um ein Brot, man gab ihm einen Stein“. Mit Ziegler ging ich ins Michaelerkloster, um den Leichnam zu sehen. Sie lag zu ebener Erde im Hausknechtzimmer, fast nackt, die Hände mit einem Strick gebunden, den Kopf entblösst, in einer Truhe, worin alles gelegt wird. Ein schwarzer Fetzen war ihre Hülle. Ihr Gesicht war noch kenntlich, Brandflecken waren in selbem, noch häufiger aber auf der Brust. Ich ging wieder zum Grafen, Richart, dann nach Haus. Mittags besuchte ich noch Kárner, fuhr mit ihm in den Prater. Um 2 h speisten wir allein. Die Töpfer Mutter war da und brachte Therese die schon lang gewunschenen Motetten der Assen von Cavalieri. Als ich mich setzte, brachte mir Therese Krapfen, die die Richart schickte. Nach Tisch gingen Therese und ich wegen Uhrblättern auf den Spittelberg und wegen Kasten auf den Getreidemarkt zum Bildhauer Schmidt. Therese führte ich zu Richart ins Gewölb, um sich wegen der Krapfen zu bedanken, dann zur Gulyás, wo die Klob war, und sie den Abend blieb. Kerndl begegnete mir, begleitete mich nach Haus, zu Richart. Wir gingen ins Leopoldstädter Theater, „Schwarze Redoute“, Operette in 3 Akten von Kringsteiner, holten vorher aber Mussini (?) ab. Ich traf Kárner, die Schmirer etc. Mich langweilte es zum Einschlafen. Nach dem Theater nach Haus. Als Therese kam, schlief ich schon. Band 05 (V.), Seite 10r
2367 1804 1 26 Heiter; es beginnt etwas aufzutrocknen. Den ganzen Vormittag brachte ich beim Grafen zu, und etwas in der Theaterkanzlei. Ziegler begegnete und gab mir Nouseuls Partezettel. Einen Augenblick bei Richart, um ihr zu sagen, fass abends 6 h Nouseuls Begräbnis ist. Moreau war unser Gast. Zwischen dem Essen kam Marcus, dem ich 32 Ellen Wallis für 30 fl. abkaufte. Nach Tische arbeitete ich und Therese hatte Besuche von der Stollhofer. Um ½ 5 h ging Therese in die Kammer der Kaiserin zur Musikprobe vom „Götterpicknick"" von Wranitzky. Die Kaiserin war im Nebenzimmer. Die Konstanze Streffleur ließ Therese bitten, nach der Probe zu ihr zu kommen. Sie kam und erhielt von ihr ein Ballbillett, worauf stand: „Einladung aus allerhöchster Gnade Ihrer Majestät der Kaiserin zu einem maskierten Ball“. Sprach auch mit der Kaiserin, welche auch mit ihr äußerst gnädig war und manches Angenehme sagte. Den Abend war sie allein, dachte und arbeitete an Maske und Geschenken, die sie am dienstägigen Ball austeilen will. Um 5 h ging ich zu Kárner und war um 6 h in der St. Michaelskirche zum Leichenbegängnis der Rosalia Nouseul. Die meisten Schauspieler und Damen, von der Oper wenig, vom Ballett noch weniger, waren schwarz, alles in schwarzen Mänteln. Braun war nicht dabei, aber seine Livréeleute. Ich sah sie mit Hornung, der mein Gespan war, nochmals an. Sie lag im nämlichen Zimmer, wo sie gestern lag, in einem gemalten Sarg und schwarzer Kutte. Sie war ganz entstellt. Ihr Gemahl stand in einer Ekke beim Ofen. Der Leichenzug begann feierlich. Sie wurde zweimal in der Kirche herumgetragen, dann eingesegnet. Wohl ihr, sie ruht ! In Deutschland ist keine Nouseul mehr, die Kunst trauert um ihren Verlust. Um ½ 7 h ging ich ins Burgtheater „Helene“, leer. Ich plauderte mit Richart, nach dem Theater nach Haus. Band 05 (V.), Seite 10v
2368 1804 1 27 Regen und trübe. Den Vormittag beim Grafen, Richart und Schaidegger. Therese war bei der Lise Rösler und Traun, um mit ihr wegen der Maske für Dienstag zu reden. Mittags allein. Die Tischlerin war da und erzählte, dass ihre Tochter Reserl am Montag gestorben sei. Nach Tische arbeitete ich, ging zur Richart, um für Therese Spitze zu erhalten, zu Nigst, um das Redoute-Billett zu übergeben. Ochs (?), Schauspieler, besuchte mich, dem ich einen Hut schenkte. Abends ins Kärntnertor-Theater, zum 2. Mal „Die Erben“, Schauspiel von der Weissenthurn. Die ersten 2 Akte dauerten 2 Stunden und erregten viel Langeweile; der 3. und 4. Akt sind kürzer und auch interessanter. Koch spielte so schön, dass er zu Rührung und Bewunderung hinriss. Die Weissenthurn spielte recht brav, hat aber so viele lange philosophische Reden, die im Munde eines Weibes fatal klingen. Im Ganzen wurde es rasch und gut gespielt. Ich plauderte mit Brandtner, Richart, Nitschner, der mir sagte, dass wegen Unpässlichkeit der Kaiserin der morgige Ball verschoben wird. Abends regnete es und ich wurde im Nachhause gehen nass. Therese war zu Hause. Band 05 (V.), Seite 10v
2369 1804 1 28 In der Nacht Regen, am Tag heiterte es sich aus. Früh ging Therese zur Richart wegen Spitzen und Borten zur Maske, dann zu Kohl, um ihnen das Redoute-Billett anzutragen. Ich zum Grafen, Lang, Theaterkanzlei und nach Haus. Mittags allein, nach Tische kam die Rottruff, der wir für morgen unser Redoute-Billett versprachen. Ich arbeitete eine Stunde, dann zu Neuling, Kárner und zu Richart ins Gewölb, dann nach Haus. Richart machte Therese ein Geschenk mit einem wirklich schön gearbeiteten Vortuch von polonaise Dünntuch (?) mit Spitzen. Mich überraschte dies sehr. Für den Fink schrieb ich noch einen Conto. Um 7 h ins Kärntnertor-Theater „Dorfbarbier“, nachher zum 1. Mal „Das Singspiel“ in 1 Akt, Musik von Della Maria. Weinmüller und Baumann wurden vor zwei Tagen zu Polizei gerufen, ihnen ein ganzer Vortrag von Extemporieren vorgelesen und ihnen jedes Wort, jede Gestikulation streng verboten. Sie hielten sich treulich an das Verbot, machten gar nichts. Baumann war halb schwarz angezogen und hatte einen großen Haarbeutel statt dem langen Zopf anhängen. Er parodierte ganz den Baron Barfuss. Sie ließen alles weg; das Finale war, dass die Operette sich um 20 Minuten früher endigte und am Ende solenn ausgezischt wurde. Das ganze Parterre war schon von dem polizeilichen Befehl verständigt. Die Operette gefiel sehr, es sangen Saal, Tochter und Neumann. Klimbke und Umlauf erzählten mir, dass Braun den Joseph Sonnleithner mit 4000 fl. Gehalt zum Direktor des deutschen Spektakels ernannt hat; wir wollen sehen. Nach dem Theater nach Haus. Band 05 (V.), Seite 11r
2370 1804 1 29 Trübe. Früh schrieb Therese an Braun wegen Redoute-Billett und erhielt 3. Therese speiste allein. Ich zum Grafen, Schaidegger, nach Haus und zur August[inerkirche ?], mit Richart auf die Bastei, wo ich auch speiste. Ich unterhielt mich gut. Nach Tische kam Mussini. Um 4 h ging ich nach Haus, zu Kárner, brachte ihm einen rekommandierten Brief von dem Schuft Svoboda, dann ins Theater an der Wien, zum 2. Male „Pagenstreiche“, Farce in 5 Akten von Kotzebue. Die Müller als Page war sehr brav. Es ist kaum zu glauben, dass Kotzebue so etwas Niedriges schreiben konnte. Neben meiner war Cleynmann, dessen herzliches Lachen mich lachen machte. Nach dem Theater nach Haus und in die Redoute. Es waren 3004 Personen und eine unerträgliche Hitze. Falk, Kárner, Mussini mit Richart waren darin. Wir soupierten zusammen und um ½ 4 h nach Haus. Band 05 (V.), Seite 11r
Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.

Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:

  • Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
  • Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
  • Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
  • Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
  • Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.

Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).


(†) Peter Prokop, Wien, im Februar 2016

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