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Lfd Nr Jahr Monat Tag Eintrag Namen Referenz
2361 1804 1 20 Den ganzen Tag Nebel. Vor Mittag war ich mit dem Grafen sehr beschäftigt, mit anderen Fahrten war ich auch in der Porzellanfabrik. Therese fuhr zur Gräfin Traun, wo sie speiste. Ich fuhr in die Josephstadt zum Englischen Gruß, wo ich Gewey, Stegmayer, Maisano, Pelikan, Kaiserer (?) und Godfried (?) fand. Ich war munter, bis mir Stegmayer erzählte, zwei Weiber – ich vermute Neumann – hätten zu Weigl und dem Buben Treitschke gesagt, dass ich bei der Aufführung der Oper „Zwei Posten“ ganz zügellos geschimpft hätte. Diese Lüge erzürnte mich zu höchsten und ward ganz umgestimmt. Der Compagnie willen ging ich nach Tische ins Kaffeehaus und später ins Bierhaus zum Verlorenen Sohn auf dem Neubau, wo bis 8 h getrunken und dann im fürchterlichen Morast bis über die Füße in die Stadt gegangen wurde. Als ich ins Kärntnertor-Theater kam, sagte man mir im Parterre, Pfersmann habe mich gesucht und ich hätte auf Brauns Befehl keinen freien Eintritt mehr. Ich suchte auf der Stelle Pfersmann, war bis zur Wut erbittert, sprach auch mit dem Grafen und bestimmte, morgen früh gleich zum Braun zu gehen. Diese Beleidigung war zu groß, ich konnte das Ballett „Die Tänzerin“ nicht auswarten, ging nach Hause und erzählte es Therese, welche eben von „Achille“ aus dem Burgtheater kam. Sie war über diese schändliche Verleumdung ebenso bestürzt. Therese und ich konnten die ganze Nacht nicht schlafen und durchwachten eine Höllennacht. Band 05 (V.), Seite 9r
2362 1804 1 21 Heute beginnt es sich auszuheitern. Früh ließ ich Klimbke rufen und erzählte ihm den Vorfall. Auch er erstaunte nicht minder und stimmte mit mir ein, es ist ein Werk der Buben Neumann und Treitschke. Um 9 h gingen Therese und ich zum Braun, wurden bald vorgelassen und blieben länger als eine Stunde. Anfangs gab es Feuer von beiden Seiten, dann wurde es ruhiger und das Resultat war, dass er seine Übereilung einsah, den Befehl zurücknahm und ich wieder freien Eintritt in beide Theater habe. Er war am Ende sehr herzlich, versicherte mich mit Hand und Mund, dass wenn wieder etwas gegen mich gesagt wird, er mich rufen lässt, um mich in des Verleumders Gegenwart zu verteidigen. Mit Therese war er auch sehr gut und so schieden wir mit der nochmaligen Versicherung, dass er gleich dem Pfersmann den Gegenbefehl erteilen wird. Ich ging zum Grafen, arbeitete, beantwortete den gestrigen Woller-Brief, ging zu Richart, wo Fink mir Schinken und Erdäpfel brachte, dann nach Haus. Mittags allein. In der Theaterkanzlei plauderte ich mit Klimbke, Mayer und Pfersmann über unsere Geschichte. Nach Tische arbeitete ich. Später suchte ich Stessel und Kárner auf, zu Richart und in beide Theater um mich zu zeigen. Im Burgtheater „Glücksritter“, im Kärntnertor-Theater „Musicomania“ und „Bacchus und Ariadne“. Stessel traf ich und regalierte ihn mit 3 Bouteillen Champagner. Im Burgtheater blieb ich die ersten 2 Akte, traf im 3. Stock Mirus und ging ins Kärntnertor-Theater. Die Oper war zur Hälfte; anfangs sah ich in den 3. Stock, dann ins Parterre, wo ich Richart fand. Nach dem Theater gleich ins Bett. Die arme Therese hatte viel Kopfschmerzen; ich fand sie schon im Bett. Band 05 (V.), Seite 9r
2363 1804 1 22 Früh und abends Regen, am Tage heiter. Podgorschek brachte mir den blauen Caput mit Beinkleid. Schreibers besuchte uns, dann zum Grafen, zu den Augustinern, wo ich Kárner fand. Therese speiste bei der Gulyás, blieb bis nach 6 h, ging dann wegen Kopfweh nach Hause. Mit Kárner fuhr ich in den Prater, speiste beim Mounier, wohin zu unserem Verdruss auch der Schuft Joël kam. Beim Marcelli tranken wir Kaffee. Ich ging zu Richart, sprach mit ihm lange wegen dem Prozess, den Dr. Joël gegen Wimmer führte, wegen Joëls Bestürzung wegen des unterschobenen falschen Wechsels etc. Mit Kárner fuhr ich ins Theater an der Wien „Tot und lebendig“ oder „Der tote Neffe“, zum 2. Mal „Der kleine Page“ von Seyfried, Musik vom Grafen Callenberg, wirklich langweilig und ohne Wert. Die Müller spielte den Pagen sehr frei. Mit Richart nach dem Theater nach Haus. Band 05 (V.), Seite 9v
2364 1804 1 23 Trübe. Früh zum Grafen. Mit Mussini (?) traf ich bei Richart zusammen. In der Theaterkanzlei traf ich mit Nadastini zusammen, der mir Geweys Stück „Das Piquenique der Götter“ zu lesen gab. Babett Töpfer, Kárner und Eckhart waren unsere Gäste, später kam Töpfer, Nadastini und Riebenfeld. Kárner fuhr mit Babett nach Haus. Mit Therese fuhr die Rosalie ins Burgtheater „Räuberhöhle“. Ich arbeitete, dann ins Kärntnertor-Theater „Kobold“ und Pas de deux mit DeCaro und Gioja. Mittags waren wir sehr guten Humors, der Champagner machte uns sehr fröhlich. Bis 5 h blieb die Gesellschaft zusammen. Töpfer begleitete mich ins Kärntnertor-Theater, wo ich Lang und R[ichart ?] fand. Nach dem Theater ins Bett. Band 05 (V.), Seite 9v
2365 1804 1 24 In der Nacht Regen, am Tage heiter. Früh zum Grafen, der gab mir für Therese ein in Paris artig von Gold gearbeitetes Flaçon; ich war so überrascht, so sehr es mir Freude machte, Therese sich darüber freuen zu sehen. Ich ging zu Haus, war aber vorher bei Richart, fand die Babett, welche mit uns speiste und gab Therese das niedliche Geschenk; mächtig war ihre Freude. Nach Tische arbeitete ich, brachte Teki das Redoute-Billett, erwartete Mirus bei den Augustinern, dann ins Kärntnertor-Theater „Richard Wanderer“. Mirus kam nicht. In der Theaterkanzlei brachte Ziegler mich und Klimbke auf den Diskurs von der Nouseul, Lefèvre, dem Theater, Misshandlungen des Braun etc. Während dem wir sprachen, ging Nouseul zum Braun wegen 200 fl. Zulage. Es war ½ 5 h, Braun sprach mit ihr ¼ Stunde, gleich konnte sie ihn nicht sprechen. Als sie um 5 h über die Stiege ging, wurde ihr übel. Sie erreichte mit Mühe die letzte Stufe, rief den Portier um Hilfe, der führte sie in sein Zimmer; da fiel sie um. Der Stallmeister, der eben im Zimmer war, fing sie auf, sie schleppten sie auf’s Bett. Man bot ihr gleich alle Hilfe auf. Quarin, der zu Haus war, der Chirurgus, alles war mit den erforderlichen Hilfsmitteln im Augenblick da, aber alles vergebens, sie verschied in der Minute. So endete die unersetzliche, verdienstvolle Schauspielerin Rosalia Nouseul im 54. Jahr ihr um die Kunst verdientes Leben. Deutschland und die Kunst trauern um sie, denn sie war einzig. Alles sagte, der Braun hätte sie so behandelt, dass sie vor Zorn, von gerechtem Unwillen erbittert, der Schleimschlag traf. Pfersmann und derlei Kreaturen sagten, Braun habe sie im Sterben bei der Hand gehalten und sie hätte noch ihren letzten Blick, wegen der Zulage von 200 fl. – eher hatte sie nur 1800 fl. – auf Braun geworfen. Da sagte Nadastini den prächtigen Gedanken: „Marinelli, Marinelli !“, das waren die letzten Worte des sterbenden Grafen; und das mit einem Tone, einem Blicke etc. Ja wohl mag der [Tyrann ?] der Kunst schuld an ihrem Tode sein. Die Bestürzung unter der Gesellschaft und im Publikum gleich mächtig, das Stück gleich fade und schlecht. Zwischen dem 3. und 4. Akt brannte vor dem Kärntnertor-Theater eine Tabakhütte ab. Als so nahe am Theater getrommelt und Feuer gerufen wurde, geriet alles in Alarm, in der Meinung, als ob es im Theater brennte. Ziegler war aber so besonnen und trat mit den Worten vor: „Es brennt nicht im Theater, sondern vor dem Tor eine Tabakhütte, es ist also keine Gefahr“. Es wurde applaudiert, dann fortgespielt. Weidmann und Sanenz machen 2 Schauspieler; ersterer hatte in seiner Rolle zu sagen: „Wir Schauspieler von Metier lernen nie eine Rolle; bei der Probe durchlesen wir sie und bei der Produktion lassen wir statt uns den Souffleur reden“. Ein einstimmiges Applaudissement erfolgte; sonst wurde im ganzen Stück nicht geklatscht. Bei Therese war die Stegmayer und Gabrieli. Der Tod der Nouseul erschütterte uns sehr. Lang war im Theater. Nach selbem nach Haus. Band 05 (V.), Seite 9v
Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.

Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:

  • Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
  • Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
  • Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
  • Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
  • Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.

Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).


(†) Peter Prokop, Wien, im Februar 2016

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