Den ganzen Tag schneit es. Früh zum Grafen, Theaterkanzlei, nach Haus, wo wir einen Besuch von Csekonics und Pepi hatten. Nach 11 h ging ich ins Kärntnertor-Theater in die Generalprobe von „Axur“, hörten den 3. Akt an, dann nach Haus. Agnes speiste mit uns. Nach Tische arbeitete ich zu Hause, dann zum Vetter Uhrmacher wegen Zichori-Kaffee für meine Mutter. Abends zu Richart ins Kärntnertor-Theater, Korntheuers 2. Versuchsrolle als Jude Baruch, ins Burgtheater „Räuberhöhle“. Im Kärntnertor-Theater ist weder an Logen noch an Sitzen etwas abgebrochen worden. Im 1. und halben 2. Akt blieb ich im Kärntnertor-Theater, dann ging ich ins Burgtheater. Dahin kam ich bis zum Anfang des 2. Akts und blieb bis zum Ende. Therese spielte mit vieler Laune. Ich plauderte da mit Csekonics, Pepi und Werlen. Nach dem Ende der Oper begab ich mich ins Kärntnertor-Theater und wartete dort das Ende ab. Ziegler spielte sehr schön und mit vieler Anstrengung. Korntheuer gefiel, nach dem Lärm zu berechnen. Ich bemerke, dass er den Charakter des Juden zu niedrig nahm, einen Binkeljuden daraus machte, der doch unmöglich so freien Zutritt bei Hof, beim Minister Dasitz, beim Sekretär Fallbring etc. haben kann und im Ganzen die Sprache und den Akzent nicht soutenieren kann. Er wurde vorgerufen, war schon im eigenen Kleid, dankte aber im Tone des Juden mit Folgendem ab: „Da ich Liebhaber von Prozenten bin, so danke ich für die hohen Zinsen, mit welchen Sie mein geringes Kapital verzinsen. Sollte ich so glücklich sein, in diesem großen Handelshause noch öfters zu handeln, so werde ich mit aller Anstrengung mich befleißen, gute Geschäfte zu machen und das bei mir mit Wucher angelegte Kapital zu erhalten suchen“. Krüger spielte anstatt Brockmann mit allem Fleiße, konnte aber Brockmann nicht einen Augenblick vergessen machen. Besonders vermisste man Brockmanns Festigkeit bei der Szene mit dem Fürsten, wo er ausruft „Euer Durchlaucht, ich werde gejagt !“ Mit Nigst traf ich im Theater zusammen, mit selber nach Haus.
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Heilige 3 Könige. Trocken, kalt. Früh zum Grafen, schrieb Woller, gab den Brief zu Hanneke (?) Die Rose ging eben aus, ich begleitete sie zu Ley zur Polizei. Bei den August[inern ?] kam ich mit Richart zusammen, gingen ein Stück auf die Bastei und zum Taroni. Dort traf ich Stegmayer, Frankstein, Maisano und Pelikan, wir gingen in die Josephstadt zum Englischen Gruß speisen; ein neuer Wirt und eine schöne Wirtin. Wir aßen mittelmäßig. In der Nähe gingen wir in ein Kaffeehaus, dann in ein Bierhaus, wo die Tochter sehr hübsch und fertig Pianoforte spielt. Stegmayer und ich gingen um 6 h in die Stadt ins Burgtheater, „Beide Billetts“ und „Findelkind“, Richart war im 3. Stock. Weidmann machte seine gewöhnlichen Lazzi und am Ende dankte er für morgen „Axur“ von Salieri ab, bemerkte aber nicht, dass die Mad. Baronesse Natorp geborene Sessi als Aspasia auftritt. Nach dem Theater nach Haus. Therese machte Besuche bei der Brandlin, Hocheder, speiste bei ihrer Mutter und blieb auch den Abend.
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Feucht, es schneit. „Axur“, große Oper in 4 Aufzügen von Salieri. Aspasia Mad. Marianne Sessi, sonst ist auf dem Zettel nichts angemerkt. Früh zur Kassa, zum Grafen und brachte Richart den Sitz. Die Kassiers ließen mich heute mit Billetts stecken, es geht unmenschlich zu. Der Lärm war nie so groß. Den Vormittag arbeitete ich, mittags speisten Csekonics, Pepi und Werlen bei uns, nach Tisch kam Agnes. Therese ging um für die Jeanette Platz aufheben zu lassen, schon um 3 h mit der Sepherl und ihrer Suite ins Kärntnertor-Theater. Ich bedaure die Ärmste; ich bin weit mehr auf den Empfang der Baronesse als auf die Oper selbst begierig. Unsere Redoute-Billetts gaben wir der Csekonics. Ich ging um 5 h ins Parterre noble, traf Therese stehen, welche mich versicherte, dass um 3 h schon alles voll war. Ich bekam noch einen bequemen Platz zu stehen, später durch Graf Palms (?) Güte auch zum Sitzen. Richart überließ ich meinen Sitz. Beim Auftreten der Sessi war ein starkes, aber kein übermäßiges Klatschen, welches beinahe nach jeder Bewegung, jeder kleinen Passage wiederholt wurde; sonst war alles ruhig. Am Ende wurde sie hervorgerufen. Sie erschien, dankte mit Verbeugungen und trat ab. Beim Herausrufen hörte ich von einigen den Namen Natorp, von den meisten Sessi rufen. Nach dem Theater nach Hause, Therese traf ich schon.
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Etwas gefroren im Freien, in den Gassen kotig. Früh besuchte mich Fink, dem ich versprach, mittags bei der Schwann Gesellschaft zu leisten. Dann mit ihm zum Grafen, die Roose traf ich, dann nach Haus, zu den Augustinern, eine Promenade mit Richart auf der Bastei, dann zur Schwann. Therese war den Vormittag zu Hause, speiste mit der Rosalie, dann zur Uhrmacher. Ich ging zur Nigst, dann ins Burgtheater Gasthof und Terzett von Giulio Viganò, Frau und Capelletti, plauderte mit Richart, dann mit Therese, Lavotta und Frau in die 2. Redoute. Es waren 1522 Menschen und nur der große Saal beleuchtet. Die Csekonics, Pepi und Werlen waren auch; diese bewirtete ich mit einem Souper. Später gesellten sich Stegmayer, Pelikan und Oehner (?) zu uns. Wir hatten mit ein paar Masken einen Jux, worein sich der Kommissar Schosulan ohne Grund und Zweck mengte. Ich unterhielt mich sehr mittelmäßig. Um 3 h begaben wir uns nach Hause. Ich schlief wenig.
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Früh zum Grafen, mit Klimbke in die Porzellanfabrik und zu Richart. Um 11 h kam ich nach Hause, fand ein Schreiben im Zimmer, Therese bestürzt und hörte, dass mir wegen des Dienstmensches Nachlässigkeit, die den Garderobekasten offen ließ, aus selbem 2 braune und ein blauer Gehrock gestohlen wurden. Der Verlust ist sehr empfindlich. Ich schickte gleich zur Polizei, zu Pelikan, welcher mit Moreau bei mir speiste, damit er es durch seinen Bruder im Versatzamte bekannt mache. Ich habe zur Wiedererhaltung keine Hoffnung. Nach Tisch ging ich mit Russo (?) in die Stephanskirche, wir gingen zusammen zur Heiligen Dreifaltigkeit, ich dann nach Hause. Abends ins Burgtheater, „Bruderzwist“, Korntheuers 3. Versuchsrolle als Hans Bullen. Es gelang ihm und gefiel auch weniger als die beiden ersten Male. Im Kärntnertor-Theater sang die Sessi zum 2. Male in „Axur“. Sie soll betrunken gewesen sein und viele Streiche getrieben haben. Es war leer, sie wurde dennoch vorgerufen und sagte: „Mein Dank ist so groß wie Ihre Güte“. Sie wurde heiser. Richart fand ich im Burgtheater, konnte mich vom Schlaf kaum erhalten und eilte gleich nach Haus.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).