Ich ging vor Mittag zum Grafen, sprach da mit Reymund. Dann in die Apotheke zu Röhrich, welchem ich ein Billett in die Jahreszeiten gab, da uns Schindlöcker 2 schickte. Dann machte ich noch einige Geschäfte. Therese hatte Probe von der „Liebe unter den Handwerksleuten“. Mittags speisten Hornung, Klimbke und Gewey bei uns. Nach Tische ging ich zu Reymund und fuhr mit ihm wegen Untersuchung des Hauses zu Pawle. Therese war nach Mittag zu Hause, die Jeanette Schmirer besuchte sie, welche den Abend blieb. Gewey brachte mir die travestierte „Erwine“, welche ich zu lesen anfing. Abends ging ich ins Burgtheater „Die 4 Jahreszeiten", von der Musikgesellschaft bei doppelten Preisen aufgeführt. Sie machten keine außerordentliche Wirkung. Ich plauderte mit Michel und fühlte nebenbei Langeweile. Therese fand ich schon zu Hause und in Jammer über den nahen Tod der guten Willmann-Galvani. Die Sepherl brachte die Nachricht, dass 3 Ärzte und Geistliche bei ihr sind und dass sie eben die letzte Ölung empfange. Mich erschütterte diese Nachricht recht sehr, und ich kann mich nicht so zeigen, weil ich Therese den Schmerz nicht vergrößern will. Nach 9 h kam noch Klimbke und blieb eine halbe Stunde. Ich schlief wenig; von Angst und Furcht gequält, weckte mich Therese um 2 h und ließ mich nicht mehr schlafen.
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Sterbetag unserer guten Freundin Magdalena Galvani, geborenen Willmann, im 28. Jahre. Früh erholte sich die Galvani wieder. Um 9 h ging ich zum Grafen und um 10 h mit Therese zur Gräfin Traun gratulieren. Ich führte sie in die Probe von der „Liebe unter den Handwerksleuten“, ging dann ins Bureau und nach Hause. Madlen Eisenkohl kam und sagte, dass ihre Mutter heute wegen vielen Geschäften Therese nicht empfangen könnte. Ich zeigte ihr das schöne Schreibzeug, Kalender, Siegel, Papier etc., dann ging sie. Nach ihr kam Strack, dem gab ich ein Billett in die „Jahreszeiten“, weil Schindlöcker auch heute 2 schickte. Um 1 h kam Therese aus der Probe und wir speisten allein. Nach Tische schickten wir die Sepherl zur Galvani; sie kam mit der Nachricht ihres Todes zurück. Um 12 h verschied sie. Therese verlor eine gute Freundin, ihre Bekannten eine sehr angenehme Gesellschafterin, die Kunst eine ihrer ersten Lieblinge, das Theater ihre größte Künstlerin. Als Marianne im „Soliman“ ist sie unerreichbar. Ihr Verlust ist mir sehr empfindlich. Ich strengte alles an, um Therese zu trösten und sie meinen tiefen Schmerz nicht merken zu lassen. Sie starb an Nervenfieber im 28. Jahre. Therese, das gute Geschöpf, dachte wohl nicht, dass am 25. November der letzte Abend war, den sie in ihrer Gesellschaft zubrachte, und dass sie die Verklärte damals zum letzten Male sah. Die beiden Waisen, Lotte ungefähr 5 Jahre und Carl, kaum so viel Monate, dauern mich sehr. Ich suchte Therese so viel möglich aufzuheitern und schickte sie gleich nach dem Essen zu Leybold. Ich arbeitete, ging zum Grafen und brachte ihm die französischen Kalender. Die Schmirer kam und engagierte uns auf morgen Abend zur Etzelt. Werlen nahm Abschied; er reist morgen nach Eisenstadt. Ich gab ihm einige für sie zur Aufführung angemessene Komödien mit. Abends bis 8 h war Leybold, seine Frau, seine Friederike und der Scholar Steinkopf bei uns. Wir sprachen von der Kunst und unterhielten uns mit Ovids „Verwandlungen“. Klimbke kam auf einen Augenblick; mit diesem urteilte ich über Theresens Bild, welches Steinkopf bei sich hatte, und gaben uns um ½ 9 h das Rendezvous zur Rosen, wohin auch Walther kam und wir bis 10 h blieben. Mich trifft des Schicksals Härte Schlag auf Schlag. Ich kann nicht ruhig sein, ich habe kaum Zeit mich zu fassen, so erschüttert mich ein neuer Schlag. Ich fühle keine Lebensfreuden und kann an nichts mehr warmen Anteil nehmen. Die gute Willmann hat ausgelitten. Wehe denen, die die unnatürliche Schuld an ihren Leiden, ihrem frühen Tod haben. Sie können unmöglich ruhig sein, denn ihr Leichtsinn raubte der Welt ein edles, vortreffliches Geschöpf.
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Trübe, das Wetter löst sich auf. Um ½ 9 h zum Grafen, und mit dem Baumeister Reymund und Pawle das Haus zu untersuchen Therese hatte Probe von der „Liebe unter den Handwerksleuten“.. Um 12 h ging ich zur Barany. Wir speisten allein. Nach Tische ging ich zu Levi wegen Obligationen. Mit Goldmann zeichnete ich, Therese studierte. Abends unterhielten wir uns bei der Etzelt und blieben bis 12 h; es waren die Schmirer, Seidl, 2 Häusler. Kiepach, Rivolla und ihr Sohn Carl da. Man spielte Verschiedenes; nichts konnte mich zerstreuen, nichts aufheitern. Das Tauwetter verursachte im Nachhause gehen außerordentlich Kot. Heute erhielten wir 200 Abdrucke von unseren neuen, von Rahl gestochenen Billetts.
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Christtag. Heute abends 6 h wurde die seltene Künstlerin und treue Freundin Galvani bei St. Stephan in der Stille beigesetzt. Um 9 h brachte man den von ihren Brüdern Max und Carl ausgegebenen Partezettel. Ein großer Verlust für unser Herz. Therese und ich verehrten sie als Künstlerin, schätzten und liebten sie als Mensch. In beider Hinsicht macht ihr Verlust eine große Lücke in der Menschheit. Ich ging zum Grafen und Therese nach der Kirche zum Leybold, wo sie bis nach 2 h blieb. Um 11 h ging ich ins Kaffeehaus und las den Totenzettel: Dem wohledlen Herrn Galvani, Großhändler in Italien, seine Frau Magdalena; so unverständlich, dass selbst kaum Bekannte es wissen können, dass die Verblichene die unvergessliche Willmann ist. Zu Hause arbeitete ich im Rechnungsfache für unseren Fonds. Mit uns speiste Walther, nach Mittag kam Salieri; Therese passierte ihre Arien. Der Regen dauerte bis Mittag. Es ist wegen der außerordentlichen Nässe auf den Straßen beinahe nicht zu gehen. Abends besuchten uns die Barany, ihr Mädchen, später Etzelt mit zwei Brüdern, Carl Schmirer und Jeanette, die Seidl, Häusler, Walther, Klimbke und mein Bruder. Wir unterhielten uns mit kleinen Spielen bis 11 h und bedienten die Gesellschaft mit Kaffee, Guglhupf, Würsteln, Ofner und Bier. Mich konnte auch heute weder Spiel noch Gesellschaft aufheitern; ich bin doch ein armer Mensch !
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Stephansfest. Nasskalt und trübe. Ich schlief wenig und unruhig. Jede, auch die kleinste Veranlassung erinnert mich an die Willmann. Meinem Gedächtnis wird sie lange eingeprägt bleiben. Die Sepherl war gestern bei ihrer Begräbnis. Ich ging zum Grafen, Therese zu den Michaelern, studierte und strickte an des Bruders Weste. Ich arbeitete und las. Um 11 h sah ich den Hof in Trauer wegen dem Tod der Clementine nach St. Stephan fahren. Mittags waren wir allein, nach Mittag besuchte uns Lissl, blieb aber nicht lange, sondern ging ins Kärntnertor-Theater „Repressalien“. Ich rangierte unsere Billetts fürs Neue Jahr, bis die Chatrin kam. Da plauderte ich eine Weile, las Zeitungen. Um 8 h kam Klimbke und beredete mich, mit ihm in die Teinfaltstraße zum Ofner Wein zu gehen. Wir gingen auch im größten Morast dahin, bllieben bis ½ 10 h, dann ins Bett. Therese verfertigte für den Bruder die Weste.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).