Sehr kalt, nach Mittag Schnee. Die Galvani ist heute schlechter als gestern. Früh zum Grafen, wo mir Quarin erzählte, dass Weigl Jos[eph]. die Bertier heiraten wird. Therese hatte Probe von der „Liebe unter den Handwerksleuten“. Die Tante speiste bei uns. Nach Tische ging Therese zum Leybold, ich arbeitete zu Hause. Abends ging ich ins Kärntnertor-Theater, ins Parterre noble „Bruderzwist“, zur Beurlaubung und zum Vorteil des Müller Vater. Es war außerordentlich voll. Am Schlusse hielt Müller eine Abschiedsrede in Versen. Nach selber war vielstimmiges Klatschen; er trat vor und sagte: „Ich habe noch einen Wunsch auf dem Herzen, Sie mit Bewilligung der Direktion noch einmal unterhalten zu dürfen, und lade Sie am Sonntag zum „Porträt der Mutter“ ein, wo ich zum letzten Mal den Hofrat Wacker spielen werde“. Vom 3. Stock wurden von beiden Seiten Gedichte von Werner ausgestreut. Vom Kaiser bekam er 500 fl., von der Königin von Neapel eine emaillierte Dose mit Perlen, worin 600 fl., vom Braun 100 #, und ein silbernes Perspektiv, vom Herzog Albert 180 fl.. Die Rede dauerte dauerte beinahe 12 Minuten. Ein gemalener Stock eines abgebrochenen dürren Baumes, welcher mitten auf’s Theater vors Souffleurloch gestellt wurde und auf den er sich als wankender Greis stützte, machte gegen die alten abgewischten Bäume eine so sonderbare Wirkung, als im Grunde der Zweck dieses Stocks etwas lächerlich ist. Therese war allein zu Hause und studierte ihre Rolle. Nach 10 h war das Spektakel erst zu Ende.
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In der Nacht und heute den ganzen Tag schneite es unaufhörlich. Früh zum Grafen, wo ich Maut- und Polizeibeamte fand, welche Waren, welche ein Handelsmann in sein Nebenzimmer legte, Contrebande machten. Nach 11 h ins Bureau, wo ich arbeitete. Hornung besuchte mich, Therese ein paar Lektionen im Menuette zu geben, weil sie in der Oper mit Lippert tanzen soll. Dann engagierte ich ihn, mich morgen in die „Zauberflöte“ ins Wiedner Theater zu führen. Therese war in der Probe, dann speisten wir allein. Nach Mittag ging sie zu Leybold und Eisenkohl, letztere lud sie auf einen Abend zu uns ein, welche es ihr aber vor dem Neuen Jahr absagte, weil sie mit Musetten (?) und dergleichen zu tun hat. Therese sang im Kärntnertor-Theater in „Achille“. Ich ging zu Scheiger, Neumann, dann ins Bürgerspital-Gasthaus. Ich unterhielt mich mit Hornung, Lissl, Frankstein vom Theater und kam erst um 11 h nach Hause. Ich suche alle möglichen Zerstreuungen und finde sie nirgends. Mich flieht Frohsinn und Munterkeit. Meine Lage ist sehr traurig; nur die Zeit ist meine Trösterin.
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Kalt, aber trocken. Die Willmann schlief heute ein paar Stunden. Ich schlief wenig. Ich fühle zu wenig Gründe, um mich zu beruhigen. Mein Missmut schafft mir traurige Tage und schlaflose Nächte. Früh zum Grafen, um 12 h nach Hause. Um ½ 11 h ging Therese zu Leybold. Der Sepherl befahl ich, für Therese Patschen zu kaufen und ihr selbe gleich zum Leybold zu bringen. Es ist schlüpfrig zu gehen und ich habe Sorge für das gute Geschöpf; sie ist so ein vortrefflich seltenes Weib. Mit uns speiste Klimbke. Nach Tische und abends arbeitete ich bis 8 h, schrieb auch meiner Mutter und schickte ihr das Geld für die Viktualien. Dann ging ich zu Brandl, soupierte da und trug mich nach 9 h nach Hause. Therese studierte.
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Kalt. Früh zum Grafen. Um 11 h zu Distler, wegen Sitz für Eisenkohl im Burgtheater, welchen ich ihr schickte. Vorher war Therese dort und fand schon Walther, welchen sie auf morgen zu einem Kaffee lud. Diese Einladung ist mir höchst unangenehm, weil auch ich davon nicht wohl wegbleiben kann und mit Eisenkohl zusammenkommen muss. Mit Therese machte ich eine Promenade auf die Bastei; es ist ein schöner Wintertag. Mittags speisten die Chathrin, Werlen und Tischler Nany bei uns. Nach Mittag besuchten uns die Weinmüller und Grünberg und tranken mit Therese Kaffee. Um 5 h kam Werlen und Hübl (?), diese führte ich ins Burgtheater „Porträt der Mutter“, Müller V[ater] zum letzten Mal als Hofrat Wacker. Am Ende wurde er vorgerufen und sagte ein paar Strophen von seinem letzten Epilog: „Vergebens würde mir die Ruhe winken, doch meine Kräfte sind im Sinken. Und sehn wir uns in höh’ren Regionen, wo Liebe und Redlichkeit thronen, so wird mein Dank noch innig sein. Meines Lebens Sonne sinket, ich mit ihr, doch nicht mein Dank“. Ich begleitete den Collett nach Hause und soupierte in Bürgerspital. Therese sang im Kärntnertor-Theater in „Molinara“.
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Strenge Kälte. Früh zum Grafen, nach 11 h zu Hause, um 12 h zum Baumeister Reymund, um ihn morgen zum Grafen zu bestellen. Vor Mittag war Therese bei Leybold. Mittags speisten Hornung, Nadastini und Walther bei uns. Nach Tische probierte Therese mit Hornung Menuett zu tanzen. Therese studierte nach Mittag, um 5 h ging sie zur Eisenkohl und mit ihr und ihren Mädchen zu Walther. Ich nahm alle meine Munterkeit zusammen und war sehr aufgeräumt. Wir spielten Saunikel, dann ein Plumpsackspiel, wobei viel gelacht wurde. Um 9 h gingen wir, ich bot der Eisenkohl den Arm. Sie lud Therese und Walther am Mittwoch zu sich, um den Abend zuzubringen. Therese führten wir dann nach Hause, ich begleitete Walther, blieb bis ½ 11 h im Kaffeehaus beim Taroni und plauderte mit Kugler.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).