Um 5 h stand ich auf, um 6 h ritten Tonerl und ich über Nussdorf und das Kahlenbergerdorf nach Klosterneuburg, im Stachlischen (?) Kaffeehaus, welches sehr geräumig und einen großen neuen Saal hat, bestellten wir Schokolade, gingen auf den Platz in die Burgkirche, sahen das kolossische Gebäude der Burg, und bewunderten dessen Höhe und Bau am Donauufer, als eine Stimme aus der Burg meinen Namen rufte. Wir gingen in selbe, da kam uns Schultheiss (?) entgegen. Wirklich groß war meine Freude, ihn zu sehen. Er ist da Provisor einer gut eingerichteten Apotheke und lebt da recht gut. Wir ritten zurück; der schöne Tag trieb mehrere Städter auf’s Land, welchen wir allen begegneten. Um 10 h waren wir zu Hause; ich zog mich an, ging zu Pfersmann, welcher mir ein Redoute-Billett gab, welches ich dem Stocklass schenkte. Da heute der Großfürst den Cercle des Adels zu sehen wünschte, so war allgemeiner Cercle angesagt und drei- auf vierfach fuhren die glänzendsten Equipagen nach Hof. Stessel, Krug und ich gingen um 12 h auf die Bastei und um 2 h zum Jahn speisen, wo uns Krug bewirtete; die Harmonie verbesserte das Behagen unserer Tischgesellschaft. Nach Mittag besuchte ich den jungen Fellner, dann Therese, wo mir wieder die Mama Verdruss machte. Den Abend verbrachte ich zum Teil im Kärntnertor-Theater, wo man „Armut und Edelsinn“ spielte; Unzelmann trat als Josephine auf und gefiel mir in dieser Rolle am meisten; zum Teil auf dem Burgtheater. Man gab „Rolla“. Ich sprach Mayer, er gab mir Redoute-Billets; mit diesen gingen Stessel und ich in die Redoute; Therese und Anhang waren auch da. Die allgemeine Aufmerksamkeit zog der Großfürst auf sich. Klingmann, Stessel und ich soupierten zusammen, Therese und ich schlichen ein Weilchen herum, plauderten und unterhielten uns recht angenehm. Um 2 h begleitete ich sie nach Hause und eilte meiner Ruhe zu. Nie war ich abgematteter als heute; ich konnte kaum noch gehen und war im höchsten Grade zufrieden, als ich im Bette lag.
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Bis um 10 h lag ich im Bette. Durch Kerner (?) erfuhr ich v. Kárners Hiersein und ich wollte ihm in der Ungarischen Krone unseren Willkomm sagen, fanden ihn aber nicht zu Hause, sondern später mit dem Beridez, in dessen Gesellschaft er herauffuhr. Nachher besuchte ich Brandl, welcher krank ist, und Kreutzer, welcher mich ersuchte, morgen den Erstling seiner dramatischen Muse „Das Fräulein als Kammermädchen“ zu besuchen, welches ich ihm zusagte. Nachher kaufte ich Theresen ein niedliches Tuch, um auf den Kopf zu stecken, und gab ihr selbes bei Tische. Stessel führte ich zu Klimbke, wir sahen die Galerie der Schauspieler. Dort bat mich Klimbke dringend, Gevatter mit Theresen bei dem aus Mähren gekommenen Mädel zu sein, welches ich ihm auch zusagte. Er schrieb an Therese, welche es ihrer albernen Mutter nicht einmal sagen konnte; wir baten Agnes. Sie sagte zu und wir fuhren gleich hinaus auf die Landstraße zur Mutter, gingen in die Augustinerkirche. Es war infamer Wind und Staub; und warteten auf des Kindes Ankunft. Ich gab Agnesen Geld, um alles zu bestreiten und war bei der ganzen Zeremonie nur ein stiller Zeuge. Der Priester Posidonius war mir bekannt von Lokkenhaus und so traf ich auch hier Bekannte an. Das Mädel wurde getauft auf den Namen Theresia Agnes. Die Verlegenheit bei der Taufe, dann bei der Frage nach des Vaters und der Mutter Name war nicht klein. Nach der Taufe ging ich gleich in die Stadt, über die Bastei zum Burgtor hinein auf die Glacis, um das Manöver zu sehen, welches man dem Großfürsten gab; ich fand da die Bartenstein und unterhielt mich mit ihr. Von da ging ich ins Kärntnertor-Theater, „Ein Mann, ein Wort“. Als Julie spielte Unzelmann zum letzten Mal, mir gefiel sie wirklich zum ersten Mal. Später kam auch Therese mit Anhang, ich überließ ihr meinen Platz, begleitete sie nach Hause und tat ein Gleiches. Sehr müd und abgemattet kam ich in mein Bett.
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Ein kühler Tag, heftiger Wind und Staub. Um 6 h kam die Sepherl, ich gab ihr meine Kerzen (?). Dann kam Tonerl, wir fingen zu arbeiten an und arbeiteten bis 12 h. Dann besuchte ich Kárner in der Ungarischen Krone; wir schwätzten zusammen bis ½ 2 h. Er versprach, mit Ende Mai wieder zu kommen und 3 Wochen zu bleiben. Ich fand ihn so ganz als meinen edlen, guten Freund, der er war und freute mich, ihn umarmen zu können. Walther brachte mir von Brünn Casimir auf 2 Beinkleider, der sehr schön und den ich gleich zum Schneider trug. Elsler beurlaubte sich bei mir, er nahm für den Sommer ein Engagement zum Badner Theater an. Klingmann besuchte ich, fand die Mayer, wir plauderten von der erneuerten Liebschaft der Traun. Später ging ich zu Collet, fand aber nur Casanova zu Hause. Um 5 h machten Lang, welcher mich bei der Mama abholte, und ich eine Promenade zum Marinellischen Theater, um Kreutzers Erstgeburt zu sehen; Tonerl kam auch mit. Nach dem Theater machten wir uns gleich nach Hause: Am Kohlmarkt fanden wir Stessel, dieser begleitete uns bis zum Schottentor. Im Bette las ich noch in Klingmanns Stammbuch.
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Ein trüber Tag; Feier des Aufgebots. Um 8 h ging ich zum Gönner; Tonerl begleitete und wartete beim Tor. Ich war beinahe eine Stunde bei ihm und erklärte ihm die Anekdoten mit Graf Traun, welche er sehr aufnahm. Nachher schlichen wir herum, um die Brigaden zu sehen; begegnete Stessel, Mayer; mit selbem machten wir uns ins Theatrallaboratorium, um die Zurüstung zum Einzug in der sonntägigen Redoute zu sehen. Später wollten Stessel und ich beichten gehen, es war aber schon zu spät. Ich begegnete Ruschitzka, Seiler und Gewey und suchte erstere mit letzterem los zu werden. Bei Tische war alles munter. Therese hatte das Kleid von Gingham und das rot quadrillierte Tüchel zum ersten Mal an, die überraschte mich sehr angenehm. Um 4 h ging ich ins Haus, um zu fragen, ob dem Pfersmann die Torte richtig geschickt worden ist; welches schon um 1 h geschah, dann ging ich zu Klimbke und mit selbem auf die Glacis, um dem Musketier-Manöver zuzusehen. Um 6 h machte ich mich ins Wiedner Theater „Astorah (?)“ von Perinet; am Ende wurde ein Schlusschor gesungen, alles sehr schlecht. Es war auch nach Verdiensten leer. Ich ging noch ins Burgtheater zu „Alcina“, um den Spaß mit Marsigli zu sehen. Fand da Klimbke; begegnete nach dem Theater den Gönner; trollte mich nach dem Theater nach Hause und rangierte noch meinen Tee (?).
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Ein heiterer Morgen. Um 6 h stand ich auf, vollendete das Tagebuch und schrieb mich auf Freund Klingmanns Ersuchen in sein Stammbuch Um 10 h kam der Gönner ins Rote Haus, mit diesem fuhr ich in die Stadt. Beim Theater fand ich Klingmann und Müller. Ersterer sagte mir, seine Frau speise beim Engel; ich beschloss also hinaus zu gehen. Mittags war es ziemlich düster. Therese phantasierte; dies stimmte mich ziemlich düster. Die Mama war wie gewöhnlich fatal. Nach Mittag ging ich zum Engel, fand weder Klingmann noch sonst jemanden zu Hause. Im Rückweg fand ich Giáy, Geyersperg und Stocklass beim Hugelmann, trank Barbaras. Dann kam Lang; ich erstaunte, ihn noch hier zu wissen. Er sagte mir, dass er bestimmt um 6 h wegginge und bat mich, bei der Mama nichts davon zu sagen. Später gingen wir in den Prater, soupierten beim Einsiedler recht gut, blieben bis 7 h. Ich machte mich ins Burgtheater, wo man „Camilla“ gab. Anfangs ging ich auf’s Theater, dann ins Parterre, wo ich Theresen fand, die mir – so wie die Mama – im Nachhause gehen sehr viel Verdruss machten. Mein Katarrh quält mich sehr. Durch die Kimlin ließ ich auf morgen bei der Frau Nannerl im Saale in Fastenspeisen bestellen.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).