Kühl, trüb. Im Burgtheater französisch „Banquerotte du Savetier – Schuhflicker“, Lustspiel in 1 Akt mit Gesang; „Le secret“ opéra en 1 acte. Die Bagage hat sich zertragen, Alexander und sie spielen nicht mehr. Im Kärntnertor-Theater „Die Ehescheuen –La Crainte de Mariage“ und „Les deux rivales“, Ballett im Theater an der Wien „Les Brigands“, die Hruschka spielt die Amalie. Früh besuchten uns die Muhme Tischler, Baron Peck (?), welcher uns erzählte, dass Sonnleithner am Freitag Mittag frei wurde. Ich sprach Filath, schlenderte herum, traf auf dem Kohlmarkt und Graben viele Bekannte. Mittags wurde zu Haus gespeist. Therese arbeitete fleißig und rangierte ihre Schätze. Bei Keglevich wohnt der am Kopf durch eine Kugel verwundete General Vignolle (?), bei uns General Frochard (?) mit Suite. Mit dem Jean und jungen Huber ging ich in die Singerstraße zum Traiteur Geiger, bei welchem im 2. Pharao und Rouge et Noir, letzteres stark, gespielt wird. Der geringste Einsatz auf eine Karte ist ein Dukaten in Gold, oder 28 fl. in Banco-Zettel. Bäuerle (?) und Huber verloren jeder bei 40 #. Jean war unser Gast, heute verlor er das Fieber. Gegen 6 h mit Therese und Goldmann in den Prater, der Staub war uns gar zu lästig. Wagners Kaffeehaus ist offen, aber die Passage noch immer über die aufgeworfenen Schanzen, Hitze und Staub, weil alle Bäume umgehauen sind, sind gleich unangenehm. Jungmann kam mit uns, ging bis zur Brücke mit. Weil es zu regnen anfing, machten wir uns nach Hause. Ein junger Italiener, gewisser Spirito Benvenuto, Flötist und Tellerschlager (?) bei der Marine, ein Bursche von 18 Jahren hatte Händel. Er ist gewaltig feurig, ich machte Frieden. Der Bursche hing sich an und ging mit uns nach Haus. Er blieb eine Weile, bat wieder kommen und seine Kameraden bringen zu dürfen. Heute früh vor 6 h fuhr Fürst Liechtenstein zum Kaiser nach Ofen, man hofft ihn in 3 Tagen zurück. Napoleon war sehr freundschaftlich und Liechtenstein reiste vergnügt ab. Heute geht die Post nach Preßburg.
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Ein schöner Tag. Früh schrieb ich meiner Mutter. Im Kärntnertor-Theater „Molinara“, im Theater an der Wien „Fanchon“. Am Vormittag schlich ich meistens herum, in unserem Haus, Theaterkasse, Rohrweck und Geissler. Napoleon ist in Schönbrunn. Gestern vor Mittag fuhr er eine Stunde außer der Lobau und hatte mit Ehz. Carl eine Zusammenkunft, welche über 2 Stunden dauerte. Sie waren zusammen sehr vertraut und verließen sich froh. Mittags allein, nach Mittag zu Haus. Nach 5 h kam Högler. Mit ihm zu Peter, er reparierte die Melpomene und zeichnete vor dem Punkt am Springbrunnen den Garten von der Seite des Tempels ab. Um 8 h in die Stadt. Es regnete etwas, dann nach Haus, wo ich Therese fand.
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Trüb. Früh schrieb ich meiner Mutter und sagte ihr, sie solle sich beruhigen, meine 30 fl. sind verloren. Der Portier weiß nicht, wem er selbe samt dem Brief gab. Im Kärntnertor-Theater „Milton“, „Weinlese“, im Theater an der Wien „Camilla“. Später ein Billett von Kurz (?) samt Imago. Ich ging in unser Haus, Theaterkasse, Therese gab ihre Lektionen. Mein Bruder war Gast. Mittags fing es zu regnen an und regnete abends still fort; es wurde kalt. Nach Mittag zu Haus, zu uns kamen Peck und die Goldmann. Abends zum Rohrweck, dann suchte ich Compagnie, um etwas zu soupieren. Heute wurde die Eröffnung des Praters angeschlagen. Am Spitz wird ein großer Brückenkopf angelegt, heute brachen die Franzosen schon das 13. Haus aus. Jenseits der Donau verheerten und verbrannten die Franzosen schon 60 Ortschaften. Hausleithen, wo Rohrwecks Vater ist, der sechsmal geplündert wurde, ist ganz zerstört.
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Trüb. Früh kam Martin Grasl von Preßburg und erzählte, dass dem Grafen seine 2 Häuser abbrannten, dass in Ács 3000 Schafe, Ochsen und Kälber geschlachtet und alle Früchte und Wein genommen wurden. Sein Schaden beläuft sich auf 300.000 fl. Schöne Aussichten ! Im Kärntnertor-Theater „Matrimonio segreto“, im Theater an der Wien „Räuber“. Durch Läufer vom Erdödy erhielt ich spät Briefe vom Grafen. Er ist in Preßburg bei der permanenten Einquartierung. Es sind 14.000 Mann da; mit den Franzosen und Sachsen ist er zufrieden, aber unersättlich und grob sind die Italiener. Gittig rettete alles sein Vieh über Komorn, dafür nahmen sie in Ács die Heufechsung von 160 Klaftern. Ich ging mir Therese und Goldmann zur Terzaghi, interpretierte ihr den Brief, dann zu Reimann. Theodor brachte uns eine schöne Schrift, ich gab ihm den Logenschlüssel und nahm ihn mit in die Stadt, führte ihn auf’s Theater im Kärntnertor-Theater, zeigte ihm den Mechanismus und Einrichtung. Aumer hielt eben Generalprobe von „Paul und Virginie“. Wir blieben zwei Akte, die sehr lange dauerten, sahen dann in den Redoutensaal das heute errichtete Arbeits-Institut und Scharpien-Zupfen für Verwundete. Alles Bettelvolk und Gesindel wurde zusammengenommen und muss da zupfen. Es mögen da samt dem Tee- und Souper-Zimmer bei 2000 sitzen. Die Person erhält 1 fl., Kinder 30 x. Sie zupfen alte, auch schmutzige Fetzen. Der Qualm von Gestank und Staub ist unerträglich. Jedes hat einen Zettel, worauf auf Oblat ein unkenntlich gedrucktes Siegel ist; dieses gilt als Geldanweisung. Um 1 h kam Fürst Liechtenstein von Komorn vom Kaiser an, ruhte einige Stunden und ließ den Minister Champagny seine Ankunft wissen. Mit ihm kam General Bubna. Auf dem Riederberg wird auch geschanzt. Nina und Theodor waren unsere Gäste. Nach Mittag schrieb ich an den Grafen, später in die Porzellanfabrik, sprach mit Passy wegen 6 Ausschuss-Schalen, die er mir bereitete. Dann mit Dietschy in die Stadt. Auf dem Graben fand ich Neuling. Mit ihm unterhielt ich mich lange, sprachen vom Kommerz, von seinem neuen Haus und Garten in Gumpendorf, und versprach, mit ihm einmal hinaus zu fahren. Um 9 h nach Haus.
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Kalter Wind, öfter Regen. Heute schrieb ich etwas an en Grafen, Keglevich, sandte ihnen Zeitungen, ging in unser Haus, Theaterkasse und -kanzlei. Nach Italien und Spanien marschieren 5 Corps Franzosen – Masséna und Davoust –, Bayern, Sachsen und Nassauer, zusammen 75.000 Mann. Das Corps von Oudinot bleibt hier. Die Engländer sollen mit 100 Segeln vor Neapel stehen und die bedeutenden Inseln Ischia und Procida, dem Golf gegenüber, genommen haben. Man erwartet den Grafen Wrbna und Barbier, und sagt, Ehz. Carl und Stadion seien vom Kaiser entfernt, an ihren Plätzen Ehz. Johann und Metternich. Napoleon verlange 130 Millionen in Conventions-Münze an Kriegskosten-Entschädigung. Dann soll erst entschieden werden, ob der Friedenskongress hier oder in Preßburg abgehalten wird. Dem Kridl gab ich die Loge ins Theater an der Wien, „Ehemänner auf Abenteuer“, Lustspiel in 4 Akten von Soden (?). Mittags allein, nach Tische kam Josephine, brachte Therese eine schöne Haube, und jammerte, dass nach Czernins Äußerung die Hoffnung auf den Frieden [sich] so sehr entferne. Ich schrieb an den Grafen und Keglevich, die beide abends ankamen, ging ins Kärntnertor-Theater „Buchstab“ von Hutt, dann zum ersten Mal „Paul und Virginie“ von Aumer, membre de l‘ Academie Im[périale] de Musique de Paris, Musik von Darondeau (?) Es dauerte 2 Stunden, ist schön gesetzt, aber viel zu lang. Aumer, Taglioni und Coustou wurden vorgerufen. Im Ganzen war das Publikum nicht zufrieden und sehr unruhig.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).