Regen. Früh arbeitete ich. Im Burgtheater „Griselda“, im Kärntnertor-Theater „Findelkind“, im Theater an der Wien „Raul Blaubart“, im Leopoldstädter Theater „Totenansager seiner selbst.“ und „Bezaubertes Kaffeehaus“. Den Vormittag wegen unserem Keller beschäftigt, dann in die Theaterkasse. Gab den Schlüssel ins Kärntnertor-Theater dem Hörr, ins Theater an der Wien dem Wassermann. Nach 9 h kam ein Bürger von Fischamend, brachte mir Briefe vom Grafen, wo er mir schreibt, dass sein Schafvieh in Ács blieb und die Franzosen da sind. Welch ein neuer Schlag ! Ich warnte ihn und ließ ihn so oft warnen ! Dieser Mann brachte mir Briefe auch von Starhemberg an Weissenthurn und mehrere andere, dann für mich Tagesberichte und Relation der Schlacht von Aspern, alles höchst interessant. Den Rohrweck, Jahny (?) und Huber ließ ich alles lesen. Ich schrieb in Eile den 9. Brief an den Grafen, schickte Therese zur Terzaghi, dass auch diese schrieb. Vor Mittag wurde der bürgerliche Sattlermeister auf der Wieden Jakob Eschenbach, 60 Jahr alt, der 3 Kanonen verborgen und vergraben hatte, auf der Glacis an der Jesuitenmauer erschossen. Seine Tochter, sein Sohn und 3 Gesellen wurden mit ausgeführt und mussten Zeugen dieser Gräueltat sein. Ein Exekutionskommando von 600 Mann schloss ein Karree. Die alte Töpfer war unser Gast. Nach Mittag zu Haus. Nach 4 h holte mich Engel ab, ich führte ihn auf den Turm von Maria Stiegen. Wir sahen auf der Lobau-Brücke Artillerie und etwas Infanterie passieren. Von da in den Prater, ich zeigte ihm die Schiffsarbeiten der Franzosen, dass sie im Magazin an Munition laborieren. Das Lager am Anfang des Praters gegen den Tabor war ungefähr 1000 Mann. Heute nach Mittag flogen in die Josephstadt und Glacis 3 Kanonenkugeln, niemand wusste, woher. Sie machten auch keinen Schaden. Abends ins Burgtheater mit Huber. Auf dem Burgplatz kam ein Trupp an, bei 400 Mann von verschiedenen] Reg[imentern]. Dann aß ich etwas in Compagnie.
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Heiter. Im Burgtheater französisch „Marton et Frontin – Domestikenstreiche“ , „La fausse Magie - Falsche Zauberei.“, Oper von Grétry; im Kärntnertor-Theater „Claudine“ und „Le Tableau animé“, im Theater an der Wien „Don Juan“. Früh reiste Fürst Paul mit Metternich zum 2. Mal nach Wieselburg. Früh arbeitete ich, schrieb meiner Mutter. Es kam Engel. Später machte ich Gänge wegen unserem Keller, war bei Justinus. Gegen 12 h promenierte ich in Peters Gesellschaft, Therese gab ihre Lektionen. Mittags allein, nach 4 h ging ich zu Justinus, um mit Charles wegen Eröffnung des Kellers zu reden. Des Kammerdieners Joseph Eigensinn machten mir viel Verdruss. Ich schrieb ihm, jede Verantwortung, jeder Schaden treffen ihn allein. Ich warnte ihn, nichts mehr zu tun und nur meine Dispositionen abzuwarten. Ganz zerknirscht kam er und gestand, dass er nichts ausrichtete. Bis 7 h zu Haus. Stessel kam von Eisenstadt, um Napoleon zu sehen und blieb den ganzen Tag in Schönbrunn. Um 7 h auf die Bastei und suchte Compagnie, um etwas zu essen. Therese arbeitete ununterbrochen an Peters Tabaksbeutel. Finks Neveu erzählte mir, dass Raab über sei und durch des Bischofs Geiz brannte.
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Trüb, manchmal etwas Regen. Im Burgtheater „Sitah Mani“, im Kärntnertor-Theater „La Molinara“, im Theater an der Wien „Agnes Bernauerin“. Um 8 h zu Justinus. Ich habe alle Hoffnung, den Keller zu retten; Charles nimmt sich tätig an. Später zu Haus, Theaterkasse, machte einige Gänge, dann nach Hause. Mittags allein, um 4 h wieder zu Charles und wieder umsonst. Von da auf die Glacis zwischen Burg- und Schottentor, wo Andreossi mit seinen 3 Adjutanten wieder Bürger-Revue hielt. Sie waren in Gala und Wohlleben als Oberst an der Spitze, die Obrist-Leut[nants] Leeb und Pöltinger (?) kommandierten. Ich unterhielt mich viel mit einem Nassau-Usingischen Offizier, dem das Ganze sehr gefiel. Sie rückten um 3 h aus, vor 7 h etwa erschien Andreossi und um 8 marschierten sie erst ab. Ich sah noch auf die Bastei, um Bier zu trinken, und hörte von Kernhofer (?), dass Preßburg beschossen wurde und an mehreren Orten brannte. Schlag auf Schlag, niemand weiß zu sagen, ob die Franzosen unsere Brückenköpfe erstürmt haben, oder von welchem Punkt sie schossen. Therese arbeitet sehr fleißig und vollendete Peters Tabaksbeutel. Als ich nach Haus kam, hörte ich, dass der dumme Misko, ein Kerl ohne Kopf und Herz, nach 10 Tagen – am 23. reiste er ab – von seiner Reise nach Ács, von welchem Orte er nur mehr eine halbe Stunde entfernt war, unverrichteter Sache mit Briefen und Zeitungen wieder zurückkam.
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Peter und Paul. Abwechselnd Regen. Im Kärntnertor-Theater „Die Ehescheuen “, „Abdul“, im Theater an der Wien „La Clémence de Titus“, im Burgtheater „Défiance et Malice – Scherz und Ernst“, im Leopoldstädter Theater „Le Tableau parlant – Das redende Bild“, Oper in 1 Akt, Musik von Grétry. Früh kam Misko, ich verwies ihm seine Dummheit und hieß ihn gehen. Von da zum Justinus; wegen unserem Keller noch nichts; wie sehr man sich plagt, ohne Erfolg. Dann sagte er mir, dass mein Name in einem Buche aufscheint und dass ich angegeben sei, als korrespondiere ich mit dem Grafen. Aus allem wäre zu sehen, dass Napoleon über das Betragen der Ungarn sehr unzufrieden, sie darum [?; Satzende fehlt]. Ich hörte alles sehr gelassen, und antwortete sehr gefasst, ich sehe in dem Briefwechsel mit meinem Herrn kein Vergehen gegen die Franzosen, ich schrieb und schreibe nichts, als was hier öffentlich geschieht, man allgemein weiß und sieht, und bestehe darauf, wegen dieser ungerechten Beschuldigung selbst mit Charles zu reden, um mich zu rechtfertigen. Alles stürzt über mir zusammen, um mein Leben vollends zu verbittern ! Den Vormittag arbeitete ich zu Haus, ging auf den Kohlmarkt und Graben, um mich etwas zu zerstreuen, und hörte, dass unsere Truppen in Dresden und Bayreuth sind und den Semmering besetzten. Heute wurden alle Flösse mit den Mühlsteinen, bei 100, die Donau abwärts geführt, die neu gebauten und zugerichteten Schiffe, mit blau-weiß-roten Flaggen bespannt, mit vielen Ruderern versehen und Versuche gemacht, stromaufwärts zu fahren. Auf die Lobau wurden vom Magistrat 400 Laternen requiriert, um damit die 2 Brükken, nämlich die auf Piloten geschlagene und die Schiffbrücke neben, zu beleuchten. Der Beleuchtungsinspektor mit den Laternanzündern wurde hinab beordert. Napoleon lässt für sich ein bequemes schönes Zelt in der Lobau verfertigen. Die Insel gleicht einer Festung. Auf der Bastei, beim Roten Turm, bevor man zur Hauptmaut kommt, wird ein Magazin und Schmiede erbaut und der ganze Platz eingefangen. Napoleon entsetzte mit einem Dekret von Schönbrunn den 17 Mai den Papst seiner weltlichen Würden und Besitzungen und gab ihm eine Apanage von 2 Millionen Livres. Brockmann war heute früh in Schönbrunn und sah um 9 h Napoleon bei der Wachparade. Abends wurden bei 2000 Gefangene nach Schönbrunn vorbei geführt, welche Napoleon ansah. Mittags allein, nach Tische zu Haus, um 5 h mit Therese, 2 Goldmann, Rodler und Kämpfler (?) zu Peter. Es wurde ihm zum Peters-Tag gratuliert, der sehr mühsam gearbeitete Tabaksbeutel, ein kleinerer und eine niedliche, mit Silber beschlagene Tabakpfeife verehrt; er freute sich sehr darüber. Wir nahmen Käse, Salami und Brot mit, tranken Bier, blieben bis 8 h, dann über die Bastei nach Hause. Heute wurde der Prozess über den erschossenen Sattler Jakob Eschenbach angeschlagen.
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Früh zum Justinus wegen unserem Keller, dann fragte ich, wie es wegen Charles, geheimen Polizeidirektor und Adjutanten des Rovigo. Seine Antwort war, ich sei denunziert, gestern Vormittag mit 3 anderen auf dem Graben sehr eifrig und geheimnisvoll gesprochen zu haben. Schändlich, Lüge ! Ich war so beleidigt, mein Inneres empörte sich. Wer ist sicher, wenn eifriges Reden ohne gesetzwidrigen Zweck schon als Verbrechen gedeutet wird ! Ich ging ganz gebeugt herum, kam von einem Haus ins andere, kann nichts tun. War beim Fürsten, Theaterkasse, in Geisslers Gesellschaft, wohin auch Peter kam. Mittags war Brandl unser Gast. Gestern Nacht machte Weber wieder einen tollen Streich aus Eifersucht mit dem französischen Offizier und stürmte um 11 h noch ins Brandlische Haus. Ich musste wieder alles ausgleichen; lauter Odiosa ! Nach Mittag zum Justinus, sprach mit Fink, der mir Miskos Furcht schilderte, die ich ihm auch verwies, ohne ihn mehr zu etwas zu bereden. Heute erzählte mir Piller (?). dass auf Befehl Napoleons anstatt des von uns 2 Stunden über Bayreuth genommenen, und vom Ulanen-Oberleutnant Mühlenfeld (?) eingeholten französischen Generalintendanten Tournon, welcher für unsern Triester und nach Fenestrelles geschickten Gouverneur Grafen Goes (?) nach der Festung Munkacs als Geisel abgeführt haben, den sehr bekannten, bei mehreren Friedensschlüssen gewesenen Staatssekretär Friedrich Hoppe (?) – er war bei Cobenzl beim Pressburger Frieden – als Geisel genommen und nach München gebracht zu werden bestimmt haben. Seine Frau – sie ist eine geborene Baron von Kreffe (?) – erbat, dass er hier bleiben kann. Er hat zwei Mann Wache im Zimmer. Therese zählte ihre Conventionsmünze, ich rangierte meine Kasse. Abends auf die Bastei. Zwischen 7 und 8 h wurde stark kanoniert. Im Burgtheater „Das Blatt hat sich gewendet“; die Goldmann spielte seit 3 Monaten wieder zum ersten Mal. Im Kärntnertor-Theater „Waisenhaus“, im Theater an der Wien „Urlaub“, „Harlekin auf den Alpen“. In der Lobau bewirkte Masséna, Herzog von Rivoli, mit 3 Divisionen, mehreren 30.000 Mann, zwischen 6 und 8 h abends einen Übergang. Das Ganze geschah ohne Widerstand von unserer Seite und man hörte wenig kanonieren.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).