Den ganzen Tag Regen, wenig setzte er aus. Im Kärntnertor-Theater „Savoyarden“, „Tanzsucht“. Im Theater an der Wien „Kaspar der Thorringer“. Am Vormittag beim Grafen im Haus, arbeitete, verteilte die Briefe, ging zum Pálffy, Terzaghi, suchte den Hofrat Kernhofer (?) auf, brachte der Fürstin Moritz Liechtenstein 2 Briefe von ihrem Gemahl und so verstrich der Vormittag. Mittags allein, nach Mittag begann ich meinen Brief an den Grafen zu schreiben, den ich morgen fortsetzen werde. Rosal[ie] war da und erzählte, dass die Tomeoni morgen in „Molinara“, dann in „Matrimonio segreto“, „Corsaro“ und „Angiolina“, dann in „Matrimonio per susurro“ von Salieri auftreten, auch „Griselda“ gegeben werden wird. Therese ging nach Mittag mit Goldmann wieder zu Paur auf die Landstraße und erhielt endlich die 250 fl. für Csekonics. Gegen 7 h zum Holzmeister (?), traf endlich den Delaborde (?) und Kumpfhofer. Ersterer ist französischer Intendant der Familiengüter und war mit Kern[hofer?] heute in Mannersdorf. Er sagte mir, von 1900 seiner Schafe sei schon ein Drittel weg, und alle Aussichten auf einen grösseren Verlust. Es mangle an allem. Die Güter Weinzierl und Emmersdorf seien geplündert. Abends zu Brandl, um 9 h nach Haus und ins Bett.
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Trüb. Früh schickte ich den Michael Berger mit einem Billett an Fink, dass er ihn mitnehmen möchte bis Wieselburg. Dann arbeitete ich zu Haus, wurde aber alle Augenblicke gestört. Um 11 h in unser Haus. Heute wurde aus dem Cavrianischen Haus der italienische oder englische Graf Conancon (?) von französischen Commissaires und Bürgerwache arretiert. Zur Fürstin Moritz Liechtenstein und zum Fürsten Paul, die mir Briefe nach Preßburg gaben. Bei der Geissler kaufte ich 52 Ellen Leinwand für 104 fl., bei Cappi einen Plan von Wien, bei Geistinger die Schlacht bei Essling. Heute sind auf morgen in der Burg französische Theater angekündigt. Im Kärntnertor-Theater wieder nach vielen Jahren die Tomeoni als „Molinara“, im Theater an der Wien „Wladimir von Nowgorod“; die Loge gaben wir dem Pepermann. Mittags allein. Ich suchte Fink in der Schwann auf, er versprach mir alles, was ich wünschte; dafür befahl ich ihm Champagner und dem Geschäftsträger Reiff (?) Tokajer und anderen Wein zu bringen. Misko (?) übergab alles. Nach Mittag schrieb ich, Therese ging zur Terzaghi, Hocheder, sang mit der Gitter. Ich besuchte um 7 h Peter, brachte die Schlacht bei Essling, blieb den Abend in seiner Compagnie und heiterte mich aus. Heute wurden zu Mittag wegen dem erlogenen Zurückschlagen bei Raab auf der Glacis vom Stuben- bis zum Kärntnertor, und nach Mittag von da bis zum Schottentor 12 Kanonen abgefeuert, welches Napoleon in seinem Tagesbefehl No. 58 als Artilleriesalven ankündigt. Heute eröffnet DeBach seinen Circus. Da der Prater, und besonders jener Teil so wenig besucht wird, so hat er nur eine magere Ernte zu erwarten. Der arme Stuwer ist sehr zu bedauern. Er hat mit seiner Familie und vielen Arbeitern keinen Verdienst. Der Augarten ist von allen Seiten geschlossen. Wegen täglich neu ankommender Fremder muss das von unserer Kanonade so sehr beschädigte kaiserliche Stallgebäude schnell zu einem Spital umgestaltet werden.
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Trüb, kühl. Im Burgtheater erste Sectacles francaises, „Adolphe et Clara“, opéra en 1 acte, musique de Dalayrac, dann „Frosine, ou La dernière venue - Die letzte Ankunft“, opèra Vaudeville en 1 acte, de Radet. Früh arbeitete ich, es kam Liverati (?), ich schenkte ihm einen Plan der Schlacht von Essling von Treilich (?), schickte dem Fink und Reiff ()? Weine durch Misko (?), ging zum Fürsten Paul, Zeuner, schlenderte auf dem Graben und Kohlmarkt herum. Mittags allein, Neumann begleitete mich auf die Wieden. Napoleon ist noch in Schönbrunn, 2 russische Obristen, Csernisoff (?) und Gergolo (?) sind noch bei ihm. Im Haus fand ich Quarin, der uns erzählte, dass man ihm seinen Keller beraubte. Er war während dem ganzen Essen da. Um 4 h mit Goldmann und den Reimannischen zu Peter. Ein Sturm trieb uns den Staub so heftig in Augen und Mund, dass wir nichts öffnen konnten. Um 7 h zu Haus, restaurierte mich etwas, um 8 h ins Burgtheater zur Kassa, dann ins Orchester. Es war alles gesteckt voll. Die so gebildete Nation betrug sich äußerst tumultuarisch. Sie schrien, pfiffen durch den Mund und durch die Finger, klatschten einen Marsch und machten auf mich neuerdings den widrigsten Eindruck. Die Künstler sind sehr mittelmäßig. Mons. und Mad. Alexander (?) – sie ist ein hübsch gewachsenes, großes, aber schon passiertes Weib – und Mons. Bek (?) sind zwar Schauspieler ihrer Art, aber ihr Gesang ist unleidentlich. Als Frosine spielte sie so frech (?) so gewiss gemein (?), und unterschied die Charaktere als Schauspielerin, als Gascogner und als Javotte, Poissarde, so wenig, dass keine Täuschung war, und man mit ihr wenig zufrieden sein konnte. Ich höre, sie zahlen täglich 154 fl. für die Unkosten und 20 Prozent von der Einnahme. DeBachs Circus ist heute wieder geschlossen. Fürst Paul reiste mit Metternich Mittag nach Raab. In der Nacht Regen.
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Ein trüber, kalter. Den Vormittag setzte ich meine Briefe für den Misko fort, ging zu Reiff in die Schwann, dann zur Karilla, wo ich Peter traf. Ich muss noch anmerken, dass ich gestern vor Mittag 12 h bei Fürst Paul war, dass er mit Metternich gleich darauf nach Raab abreiste, um da mit dem Legationssekretär Dodin ausgetauscht zu werden. Von da reisen sie zu unserem Kaiser ins Hauptquartier. Im Burgtheater „Strelitzen“, im Kärntnertor-Theater „Molinara“, im Theater an der Wien „Richard Löwenherz“. Es kam Reimann, dem ich die Loge gab. Später ins fürstliche Haus. Mittags allein, nach Mittag besuchte uns Piller (?), die Major Stein, welche uns erzählte, dass sie gestern in Schönbrunn war, um Napoleon zu sehen, dass er nach Tische nach Ebersdorf ritt, um ½ 5 h den Befehl gab, ihm seine Reisewägen dahin nachzusenden und bis 9 h noch nicht zurück kam. Es scheint, dass es jetzt angehen dürfte. Später kamen Mehl, Brot und Eier von Eisenstadt, und meine Briefe kamen auch zurück. Ich war so froh und machte alles für Misko zusammen; möchte er glücklich fortkommen. Therese schrieb meiner Mutter, die wieder krank ist, schickte ihr Schokolade. Besuchte Rohrweck, die Bastei, traf Pinterics (?) mit seiner Frau, die bei der Prozession am 24. April mit Silko (?) waren und 3 Söhne beim Militär hat.
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Heiter, aber windig Im Kärntnertor-Theater „Gefährliche Nachbarschaft - Le tailleur amoureux“, „Nebenbuhlerinnen - Les Rivales“. Im Theater an der Wien „Idas et Marphise“, im Burgtheater „Du Prisonnieremens Prothee (?) – Die Verwandlungen aus Liebe“ Um 7 h mit Berger zur Schwann zum Reiff, um selben zu expedieren. Er kam als Kondukteur mit Kroaten bis Bohrendorf (?) und morgen weiter. Auf dem Mehlmarkt standen über 3000 Menschen in Reihen um Mehl. Der Anblick so vieler Armer, die schon eine halbe Nacht standen, ist erbarmungswürdig; viele stehen seit 12 h nachts. Da kam ich mit Neumann zusammen, schlenderte herum, hörte, die Franzosen sollen von Papa her in die Vorstädte von Raab eingedrungen sein. Ging in die Theaterkasse, später in Peters und Mosers Gesellschaft. Mittags allein, nach Mittag zu Hause. Später zur Terzaghi, Rohrweck, Peter, wo Gesellschaft war. Auf die Bastei und nach 8 h ins Burgtheater ins Orchester. Nur halb voll. Elendes Zeug, gesungen und gespielt wie am Sonntag. Therese war allein und arbeitete an Peters Tabaksbeutel.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).