Trüb, abwechselnd Regen. Im Burgtheater „Les deux frères“, im Kärntnertor-Theater „Ostade“, „Belebtes Gemälde“, im Theater an der Wien „Camilla“. Früh bis 11 h war ich zu Haus, schrieb, las, dachte. Ich erhielt Besuch von Marchese Pietragrassa, welcher als Deputierter der Stadt Triest mit noch 4 anderen zum Napoleon ankam. Sie hatten eine Befreiung von den 50 Millionen Francs Brandschatzung, welche der Stadt auferlegt wurde, da sie nicht im Stande sind, 2 zu erlegen. Sie haben in 3 Jahren 138 Schiffe verloren und noch sind 132 auf dem Meere dem ungewissen Schicksal überlassen. Als Geiseln haben die Franzosen 40 der angesehensten Kaufleute genommen, und da sie die erste Rate von 10 Millionen nicht zuhalten konnten, haben sie alle Magazine gesiegelt, in denen sie aber wenig finden. Heute müssen alle Bürger, mit Ausnahme de Grenadiers, ihre Gewehre im Bürgerlichen Zeughause abgeben, und wenn sie auf die Wache ziehen, können sie selbe erst nehmen. Ich erhob in der Theaterkasse für Therese und Nina die erste halbe Gage. Mittags besuchte uns Quarin, der auch von dem Übergang über die Donau erzählte. Heute wurden alle Lebensmittel teurer, das Rindfleisch kostet 24 x, Kalbfleisch hat gar keine Satzung. Peter kam, dem ich sagte, dass Patsch um Geld schrieb, welches mich sehr frappierte. Mittags allein. Ich sprach mit Pinterics (?) wegen Schönofsky (?), sel[iger ?] Hofsekretär in den Niederlanden, Vater Schlechtinger (?), erster Kammerdiener bei Albert, die beiden Jossey. Ging zum vierten Male zum Justinus. Rodler kam zu Besuch. Es regnete nach Tisch heftig. Therese sah für die Terzaghi um Quartier, und gab ihr dann Rapport. Ich zahlte heute der Sepherl ihren halbjährigen Lohn und legte 5 fl. zu. Gestern musste die Konskription von allen hier wohnenden Fremden eingelegt werden, welche erst seit dem Jahre 1806 hier sind, und heute wurden sehr viele ausgehoben. Von der Regierung erschien die Taxe für die Fiaker, dass inner den Linien 3 fl. für die Stunde bestimmt ist. Um 6 h zum Justin[us], am Montag wurde versprochen, den Keller zu öffnen. Von da auf die Bastei, später mit Zanini ins Erdödysche Gärtchen. Von da sahen wir auf der Glacis einen großen Artilleriepark mit reitender Artillerie aufstellen und Truppen exerzieren. Abends suchte ich Compagnie, um Bier zu trinken.
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Regnerisch. Im Burgtheater „Le Cloison - Die Scheidewand“, Lustspiel in 1 Akt, „Le Caliphe de Bagdad““, opéra en 1 acte, von der französischen Gesellschaft. Im Kärntnertor-Theater „Sargines“, im Theater an der Wien „Agnes Bernauer“. Früh arbeitete [ich], Joseph Pálffy erzählte mir, dass Preßburg am Montag, den 26. Juni beschossen wurde und brannte, dass Fürst Lobkowitz Gouverneur von Dresden und unser Graf Gouverneur von Preßburg sei. Kridls Neffe holte uns auf den Turm zu Maria am Gestade ab. Therese machte Besuche bei der Peck (?), bei ihrer Mutter. Ich ging mit Bschaidner und seinem schönen Muster zur Josephine, später auf den Kohlmarkt und Graben. Misko, diesen Hasen, fürchtete ich mehr etwas zu vertrauen. Ich zahlte ihn und ließ ihn gehen. Walther und Giáy gingen mit. Wir fanden den Turm voll, sahen Armeen marschieren, hinter der Stadt Enzersdorf Rauch aufgehen, Bewegungen verschiedener Corps, ohne bestimmen zu können, ob es österreichische oder französische Soldaten sind, doch glaube ich überzeugt zu sein, dass es nicht beide Armeen sind und dass kein Gefecht war. Pietragrassa las bei uns die Relation von Aspern, erzählte, dass sie keine Hoffnung haben, Audienz bei Napoleon zu erhalten. Mittags allein, nach Mittag zu Reimann, der nicht zu Haus war. Über die Glacis, fanden selbe so besetzt wie gestern, auf die Bastei. Die Rodler ging nach Haus, wir weiter, begegneten Goldmann, Umlauf, Eckhart, schwätzten. Er ist auch der Meinung, dass bei Stadtl Entersdorf nicht 2 Armeen beisammen sind. Nach 8 h nach Haus, aßen noch etwas, dann ins Bett.
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Warm. Im Burgtheater „Hamlet“, im Kärntnertor-Theater „Savoyarden“, „Weinlese“, im Theater an der Wien „Wladimir von Nowgorod“. Früh zu Hause, begann den 10. Brief an den Grafen, klagte meine bisherigen Schicksale. Ging in die Theaterkasse, zu Justinus, um mit Charles zu reden und gab die Loge im Theater an der Wien an Wassermann. Justin machte den Vorschlag, nur so sei der Keller zu retten, wenn 400 Bouteillen und 31 Eimer Wein gekauft und in einen anderen Keller gelegt würden. Ich teilte dies dem fatalen Kerl mit, der sich dazu weigerte. Ich drohte ihm mit der ganzen Last der Verantwortung, sagte, dass er mit dem Kaufmann alles gepanscht habe und jeder Schade die Folge seines Eigensinns sei. Ich ärgerte mich zum Verzweifeln, suchte Justinus wieder auf, fand ihn nicht. Schlenderte herum, hörte, dass von heute an das französische Gouvernement die Einquartierung übernommen habe, dass der Platzkommandant Meriage (?) die Anweisung mache, dass Napoleon sein Hauptquartier von der Insel Lobau wieder nach Schönbrunn verlegt habe, dass Chasteler in Steinermanger sei und des Vizekönigs ganze Equipage genommen haben solle. Meine Mutter schickte Brot, Butter und Kirschen, ich schrieb ein paar Zeilen. Therese schickte ich mit der Relation zur Fürstin Leopoldine, weil sie es wünschte. Nach Tische sandte ich den ganzen Pack Briefe und Zeitungen nach Fischamend, ein großer Bürger nahm alles. General Fröhlich liegt noch in Orth, auch Oberst Starhemberg. Später suchte ich Justinus abermals auf, um ihm dieses Mannes Starrsinn zu erzählen und andere Mittel zur Rettung des Weins zu ergreifen. Dreimal war ich bei ihm und noch nach 8 h stieg ich über diese hohen Stiegen, ich sah nur Bouteillen und fand nirgends 500 Stück. Stessel kam eben an, mit diesem plauderte ich bis ½ 10 h und erzählte meine Fatalia. Ich war auch bei Therese, sie sagte, ich soll befehlen und in ihrem Namen alles anordnen, was mir gut dünkt. Ich schrieb diesem Elenden alles und bestellte ihn morgen 8 h zu mir. Ganz entkräftet und vom Verdruss gebeugt, legte ich mich, schlief aber wenig. Heute erschien die Kundmachung, dass abends 10 h alle Stadttore mit Ausnahme der Kärntner- und Rotenturmtores geschlossen werden. Alles zieht aus Wien, man bemerkt, dass bei Orth gerauft wurde. Napoleon war in der Lobau und ist wieder in Schönbrunn. General Razout ist bei uns ausgezogen. Heute erschien auf Befehl des Gouverneurs Andreossi vom Platzkommandanten Meriage eine neue Ordre wegen Einquartierung.
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Schwül, nach Mittag ein Wolkenbruch, dann anhaltender Regen. Nie sah ich das Wasser so durch die Straßen strömen. Vom Heiss erhielten wir ein Klafter geschwemmtes Holz. Im Burgtheater „Taubstumme“, im Kärntnertor-Theater „Matrimonio segreto“, im Theater an der Wien „Keinen Schwiegersohn ohne Amt“, „Amazoneninsel“. Um ½ 8 h zum Justinus, wo ich 3 Stunden wartete und zu Haus einen offenen Wisch vom Halunken Redlich fand, der schon beleidigend ist. Ich ging mehrmals zu Justinus, ließ ihn, dann auch die Terzaghi diesen so beleidigenden Zettel lesen. Alles war im höchsten Grade aufgebracht über die Keckheit dieses Kerls. Nichts kann ich mehr wagen, ohne mich durch diesen Schuft der größten Gefahr ausgesetzt zu sehen. Von dem Ganzen unterrichtete ich auch Czernin, welcher es ebenso niedrig fand. War bei Josephine, wo heute Bschaidner anfing. Erzählte es auch ihr und gab die Dessins der Zimmer an. Dann in Peters Compagnie, wo ich durch eine Klatscherei des Kurz (?) schrecklichen Verdruss hatte, an der nur die Lenerl schuld sein kann. Ich bat Peter, sie in Rücksicht ihres Zustandes schonend zu behandeln. Mittags allein. Ich bin sehr abgemattet, legte mich auf das Canapé. Es kam gerade vor dem Guss Origoni, dem ich wieder alles erzählte. Seine Antwort war, der Kerl verliert den Dienst. Um 6 h zu Czernin, der mir sagte, dass er mit dem General Weissenwolff sprach, welcher in Begleitung einiger Husaren als Parlamentär ankam, aber von den Franzosen so bewacht wird, dass er nichts reden kann. Therese gab sich alle Mühe, um mir mit 6 Paar Strümpfen zum Geburtstage eine Überraschung zu machen. Sie ließ selbe bei Pepermann stricken, 4 Paar wurden fertig, sie fielen schlecht aus, grob und ungleich. Sie gab mir sie nach dem Abend und war sehr verlegen, die Gute. Heute rückten alle Franzosen zusammen und alles nach Ebersdorf. Auch Napoleon ist in der Lobau. Alle Dörfer um Wien haben die Franzosen geleert und mit Eilmärschen nach Ebersdorf gezogen. Die ganze Nacht wurde kanoniert, man sah die Blitze und Feuer in der Stadt. Man glaubt, dass Stadtl Enzersdorf abgebrannt sei. Nur einmal ein Ende !
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Heiter, kühl. In der [Nacht ?] wechselten Regen und Kanonendonner. Im Burgtheater „Der Geizige - L‘ avare“, im Kärntnertor-Theater „Le Propos -Der Vorsatz“, „Hèlène et Paris“, im Theater an der Wien „Raoul de Felsek“ Therese wiederholte mir ihre guten, herzlichen Wünsche und ließ mir noch ein Ärmelleibel von Percal machen. Nina kam auch. Ich arbeitete, erhob bei Stessel des Grafen halbjährliche Interessen mit 3000 fl., ging zu Rohrweck, in die Theaterkasse. Therese gab ihre Lektionen. Mittags sprach [ich] bei Geissler Peter. Ich schickte den Bschaidner hinaus um die Partie des Gartens auf dem Monument der Roose zu kopieren. Heute erschien vom französischen. Gouvernement, erstens, dass die hiesigen Wirte 15.000 Eimer Wein liefern und dass alle Hauseigentümer ihre Zinsfassionen eingeben müssen. In der Nacht 12 h begann die große, so entscheidende Schlacht. Möchte sie doch für uns günstig werden ! Eckhart und Rodler waren unsere Gäste. Nach Mittag mit Therese, Goldmann und Nina zu Reimann, ich nachher zur Terzaghi, fuhr mit ihr in die Stadt, um ein Quartier in der Spiegelgasse anzusehen. Es gefiel nicht. Dann änderte ich bei Reimann die Idee des Kastens zu Haydns Kopf, sah wegen Peters Canapé und den Möbeln der Josephine nach. Die mit Nina ging nach Haus, ich mit Therese und Goldmann durch die Alleegasse hinter das Belvedere zum Linienwall. Wir sahen das Schreckliche der blutigen Schlacht, sahen 2 Orte brennen, man glaubt Stadtl Enzersdorf, Breitenlee. Die Flammen schlugen hoch auf. Das Feuer der Kanonen, alles schien in der Linie von Stadt Enzersdorf, Breitenlee, abwärts über Essling, Aspern, Stadlau sich zu ziehen..Das Feuern dauerte bis ½ 10 h. Eine marternde, quälende Angst ergriff mich und ließ mir keine Aussicht einer frohen Hoffnung. Napoleon zog alles zusammen, ein Teil des Corps von Marmont, dann Bayern und Sachsen von Oberösterreich kamen an, alles eilte in die Lobau. Unser linker Flügel wich weit, gegen Abend schien er wieder hergestellt. Gut und genau sahen wir alles von unserem Punkt. Viele tausend Menschen sahen auf dem Linienwall, und jedem pochte das Herz, denn unser Schicksal hängt wesentlich vom Ausgang dieser Schlacht ab.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).