Kalt, stürmisch, neuer Schnee. Im Burgtheater „Selbstbeherrschung“, im Kärntnertor-Theater „Kurze Ehe“, „Weinlese“, im Theater an der Wien „Theseus und Ariadne“, im Leopoldstädter Theater „Elisene, Prinzessin von Bulgarien“. Am Vormittag beim Grafen und Keglevich, dann zu Kárner. Heute regnet es Broschüren, heute erschien schon wieder eine „Correspondenz zwischen dem römischen und französischen kaiserlichen Hofe“. Mittags war Mayer unser Gast. Den beschwor ich um seltene Blumen und perennierende Exemplare, dann um eine Zypresse in Peters Garten zum Monument der Roose. Nach Mittag zu Haus, die Töpfer Babett kam und sagte, dass sie Ende des Monats zu ihrem Benkovsky (?) nach Pest müsse, da spielen und bleiben wird. Ich ging mit ihr an die Wien, ich ins Theater, um Stegmayers neue Oper zu sehen. Sehr leer, trotz der erhöhten Preise war die Einnahme nur 600 fl. Ich war im kleinen Parterre, neben mir ein Hauptmann mit seiner italienischen Frau und eine Gräfin mit einem sehr ungezogenen Mädchen. Großes Spektakel, und doch langweilig. Therese leidet schon mehrere Tage an einem Fluss in den Zähnen, geht wenig aus und hatte den Abend die Hocheder, beide Goldmann, den Martin und Werlen bei sich. Heute wurde der Greisslerin, Mörderin ihres Mannes, 23 Jahre alt, ein volles, hübsches Weib, ihr Todesurteil, mit dem Strange hingerichtet zu werden, auf öffentlichem Platze vorgelesen. Zu ihr darf niemand.
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Ein kalter, rauer Tag. Im Burgtheater „Der Geizige“, im Kärntnertor-Theater zum 1. Mal zum Vorteil des Jos[eph] Weigl „Die Schweizer Familie“, Oper in 3 Akten aus dem Französischen von Castelli. Im Theater an der Wien „Rudolph von Felseck“. Um 12 h im kleinen Redoutensaal Deklamations-Konzert der Mad. Hendel, vorm[als] Eunike, und Professor Peale (?). Am Vormittag beim Grafen, um 12 h mit Jungmann ins Konzert; mich unterhielt es nicht sehr. Er speiste bei uns. Weigl sandte uns gesperrte Sitze, die wir in die Apotheke gaben. Nach Mittag war ich zu Hause, dann zu Kimbke und Kárner, wo ich erfuhr, dass Seitz hier sei, dem ich einen Brief wegen Loslassung meines Bruders schrieb. Er liegt jetzt 2 Stunden außer Stokkerau in dem armen Dorf Strinzendorf (?). Abends ins Kärntnertor-Theater Ich fand gleich Compagnie, Michel, Seyfried, Hauser, Castelli, Janitz. Die Oper gefiel, die Musik ist rührend und sehr angenehm. Weigl wurde vorgerufen, erschien; dann von einer Partei die Milder, da erschien die Saal und sagte, dass auf allerhöchsten Befehl niemand erscheinen darf.
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Ein kalter, staubiger Tag. Lizitation der Elisbeth Roose. Im Burgtheater „Schweizer Familie“, im Kärntnertor-Theater „Deutsche Familie“, „Lorenz Stark“. Um 7 h zu Kárner, um mit Seitz zu reden. Der Graf ließ mich wegrufen und ich konnte ihn nicht erwarten. Kárner bessert sich etwas. Den ganzen Vormittag beim Grafen. Mittags allein, nach Tisch zu Peter, mit ihm zur Lizitation der Roose, wo nur Kleider verkauft wurden, nichts für uns. Alle 3 Goldmann, Stegmayer, Walser, Staudinger (?) waren da. Nach 6 h zu Haus, machte mirs bequem, las und conversierte mit Goldmann, Schmidt und Werlen. Therese lag den ganzen Tag wegen Zahn- und Kopfschmerzen.
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Ein rauer, stürmischer Tag, abwechselnd Schnee, unerträglicher Staub. Hinrichtung der Manns-Mörderin Therese Kandl mit dem Strang. Im Burgtheater „Mathilde von Gießbach“, im Kärntnertor-Theater „Singspiel an den Fenstern“ und „Weinlese“, im Theater an der Wien heute Vorstellung auf Einnahme der jungen Witwe Jos[ephine] Fischer „Theseus und Ariadne“. Der Graf überließ mir die Loge, welche Hörr erhielt. Um 7 h beim Grafen, da überraschte mich mein Bruder, welcher von Strinzendorf außer Stockerau mit Urlaub auf einen Tag kam. Ich freute mich herzlich, ihn zu sehen. Um 8 h ging ich auf den Stock am Eisen-Platz, und sah die Mörderin mit dem hohen grauen Wagen zum Galgen führen, und zwar mit 3 Pferden. Sie ist blond, ein volles Weib, gemeines Gesicht. Sass allein, vor ihr 2 Pfaffen, wovon einer wie ein Zahnbrecher schrie, hinter ihr und zur Seite 3 Henkersknechte, die sie an Stricken hielten. Auf ihrem Schoss an einem blauen Band ein großes Kreuz. Den übrigen ganzen Vormittag beim Grafen. Mittags waren Peter und Jungmann unsere Gäste. Mein Bruder kam nach Tisch, auch die Goldmann. Wir fuhren nach 3 h hinaus zum Galgen, da sah man sie vom Winde herumtreiben. Sie war ganz weiß gekleidet. Ihr Rock war dreimal mit Stricken gebunden, ihre Hände und Füße sehr stark zusammengeschnürt. Es waren trotz des teuflischen Wetters viel Menschen und Wägen draußen. Um 5 h zum Grafen, um 6 h nach Hause, machte es mir bequem, las die Apologie der Gräfin Lichtenau. Es war die Schmidt bei uns. Therese ist besser, geht aber nicht aus.
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Ein düsterer, kalter, windiger Tag. Den Vormittag beim Grafen und Keglevich. Im Burgtheater „Beide Klingsberg“, im Kärntnertor-Theater „Agnes Sorel“, im Theater an der Wien „Wirrwarr“. Mittags waren wir allein. Therese ging gratulieren zu Hitzinger, Brandl, die sehr krank ist, und gab auch Lektion bei Stöger. Nach Mittag zu Haus, zur Jos[ephine], wohin auch Therese kam, die vorher bei Rohrweck war. Der Rodler brachten wir eine Oglio (?)-Tasse mit Bronzehenkel, ein artig geschnittenes Trinkglas mit Untersatzl, eine schöne große Kaffee-Tatzen aus seltenem grünen Holz und die Namens-Platte mit 100 Glanz-Abdrucken. Vorher zu Peter und mit ihm zum Steinmetz Langwieder, um das Monument der Roose zu sehen. Bei der Rodler hatten wir eine verliebte Kammerjungfer, die fatale Plank (?) und die unglücksatmende Bulla. Beide erstere gingen, letztere blieb. Ich rangierte alles auf die schöne Tasse, stellte sie auf den Tisch und überraschte sie, als selbe eintrat. Es schien ihr zu gefallen. Wir tranken Kaffee, blieben bis 9 h und gingen im Regen nach Hause. Die Unterhaltung war von der Lichtenau und wie gewöhnlich von verdorbenen Männern und Weibern. Heute wurde der Nessmüllner abgezogen.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).