Ein kalter Tag. Heute Mittag marschiert das älteste Kürassier-Regiment, Hohenzollern, durch Wien nach Böhmen und warb in der Burg. Im Burgtheater „Indianer in England“, im Kärntnertor-Theater „Heftige junge Frau“, zum 1. Mal als Oper, Musik von Boieldieu, dann aus Mangel an Militär anstatt „Abdul“ die „Weinlese“. Den Vormittag. Beim Grafen, vor 12 h mit Peter auf den Burgplatz. Eben zog Hiller-Infanterie von der Wache und die blauen Bürger-Grenadiere besetzten selbe. Heute bezogen zum 1. Male die Bürger alle Wachen. Gleich nach 12 h zog das blonde Regiment über den Graben in die Burg ein. Es hat rote Aufschläge und rettete im Jahr 1619 am 6. Junius Kaiser Ferdinand II. aus den Händen der Rebellen. Am Burglatz machten selbe ein Karree und fingen zu werben an. Außerordentlich war das Gedränge; Peter und ich schützten Therese und Rosalie, die 2 Goldmann und Schmidt. Mittags allein. Nach Tische zu Peter, er war ohne Gesellschaft, später wegen seiner zur Rodler, trank da Kaffee. Abends ins Kärntnertor-Theater; der Hof erschien und wurde mit 3 Mal Klatschen empfangen. Die Oper missfiel ganz und zwar mit Recht. Nach der Oper fand ich zu Haus Nigris (?) mit Frau, die zu lachen machte, Hocheder, Goldmann, Schmidt; später kam noch Werlen. Vorher war mein Bruder da und führte seine Nanette, die Feiglische, auf. Freitags zieht er mit dem ersten Bataillon der Landwehr aus.
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Kalt. Früh Fahnenweihe der Landwehr in der St. Stephans-Kirche. Mittags speist auch mein Bruder zum Abschied bei uns. Wie sehr kränkt mich dieser unüberlegte, ohne mein Wissen gemachte Schritt meines Bruders. Ich bin sehr betrübt; wie wird sich unsere armen Mutter kümmern ! Den Vormittag beim Grafen, Kárner. Im Burgtheater „Heftige junge Frau“, Oper in 1 Akt, dann „Nebenbuhlerinnen“, im Kärntnertor-Theater „Fridolin“, im Theater an der Wien „Rochus Pumpernickel“. Hohenzollern hat hier Rasttag und setzt seine Werbung in der Burg fort; der Erstgeworbene erhält 100 fl in Convention. Es gelang mir, um 10 h in die St. Stephanskirche zu kommen, um die Predigt des Bar[on] Saurau (?), Kooperators auf der Wieden und Feldkaplan der Landwehr zu hören. Ich stand neben Tatzer (?), sah die Kaiserin, er ist von Husten unpässlich, Ehz. Carl, Maximilian in Landwehr-Uniform und den ganzen Generalstab. Von jedem Bataillon zog eine Kompanie mit Musik und klingendem Spiel in die Kirche und stellten sich in Parade auf. Die Rede war ganz passend, hatte manche hübsche Stelle, der Vortrag aber war höchst mittelmäßig. Nach der Predigt wieder zum Grafen. Die Wiener Landwehr-Bataillons standen auf allen Plätzen in Parade aufgestellt, die Bürgercorps machten Spalier. Ich suchte meinen Bruder bei der 4. Kompanie, Hauptmann Rotter (?) und fand selben bei Benkós Kaffeehaus. Nach der Fahnenweihe begleitete ich die Kompanie auf die Glacis, wo selbe schwören musste. Ehz. Carl, Maximilian mit ihrem Generalstab waren gegenwärtig. Das Handlungsbataillon schloss ein Karree, die 2 Fahnen in ihrer Mitte und so las ihnen der Generalauditor den Fahneneid vor. Ich blieb bei allen Schwenkungen und Märschen immer hinter meinem Bruder. Nachher las ihnen der Hauptmann die Marschorder vor und sie gingen auseinander. Ich nahm meinen Bruder gleich zum Essen mit. Er blieb ein paar Stunden, dann nahm er Abschied und wir trennten uns, vielleicht auf immer; o unseliger Krieg.! Ich bin sehr traurig, meine arme Mutter ! Nach Mittag war ich allein und sehr düster. Abends zur Jos[ephine], sprach die Berger. Dann nach Haus, es waren Hocheder, Schmidt und beide Goldmann da. Abends Regen.
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Sturmwind, sehr kalt, mitunter schneite es und friert am Tage. Ausmarsch der Wiener Landwehr, 1. Bataillon des Handelsstandes nach Korneuburg. Um ½ 6 h früh mussten sich die Armsten schon beim kaiserlichen Zeughaus versammeln, und um 11 h standen sie noch in dem Sturme auf der Glacis und mussten dann erst 5 Stunden langen Marsch machen. Das ist grausam !. Der Kaiser, die Ehzz. zu Pferd, die Kaiserin und Prinzessin im Wagen passierten Schritt vor Schritt die Fronte und besahen jeden Mann, dann begann der Marsch. Gestern und heute erschien ein Aufruf im Namen des Ehz. Carl, beide sind gedruckt. Sehr früh zum Grafen. Ich bin so beklommen, zu nichts aufgelegt. Nach 10 h ging ich zum Grafen und auf die Glacis. Ich konnte mir den Schmerz der Trennung nicht nehmen und ging ins Theater an der Wien zur Generalprobe von „Ariadne und Theseus“ von Stegmayer, mit Musik vom sel[igen] Fischer, dessen Witwe die 4. Einnahme erhält. Ein außerordentliches Spektakel, Dekor vom Gail und Sacchetti, die ungeheuren Maschinen von Putz, die seiner Erfindung ungemein Ehre machen. Schöne Musik. Nach 2 h mit Mayer, Seyfried, Cachée und Pfeiffer zum Zeisel essen, da waren Castelli, Frankstein, Korntheuer, Offenheimer, Roose. Sie unterhielten sich und mich mit sogenannten Schlag-Scharaden, mit Aufgabe der ersten Buchstaben von Stücken, und so passierten schnell ein paar Stunden. Nach Mittag zu Haus, in die Buchhandlung zum Camesina, dann suchte ich mir Compagnie um etwas zu essen und war früh zu Haus. Ich fand die Hocheder, Goldmann, Schmidt und Werlen.
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Strenge Kälte, heftiger Wind. Im Burgtheater „Vormund“, im Kärntnertor-Theater „Agnes Sorel“, im Theater an der Wien zum 1. Mal „Ariadne auf Naxos“, romantische Oper in 2 Akten von Stegmayer, Musik von Fischer. Wir hörten, dass die Feiglischen den Jean bis Korneuburg begleiteten. Wenn er nur gesund zurückkommt ! Der Streich drückt mich sehr. Meine arme kranke Mutter ! Früh zum Grafen, Theaterkasse, Keglevich, später suchte ich Freund Kárner auf. Mittags waren wir allein, nach Mittag zu Hause. Abends zum Peter, wo ich in seiner und Jungmann Compagnie den Abend zubrachte. Therese war mit der Hocheder und Schmidt. Die Oper „Ariadne“ gefiel nicht und kostet bei 12.000 fl.
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Ein kalter Tag, windig, es staubt sehr. Im Burgtheater „Milton“ und „Abdul“, im Kärntnertor-Theater „Intermezzo“, im Theater an der Wien „Ariadne“, im Leopoldstädter Theater „Elisene, Prinzessin von Bulgarien“, Oper in 3 Akten, Musik von Rössler. en ganzen Vormittag beim Grafen, dann zu Kárner, der an Fieber liegt. Mittags in Jungmanns und Peters Gesellschaft, wo ich auch dann auch nach Mittag blieb. Abends ins Leopoldstädter Theater. Ich fand wenig Compagnie, sprach Dermer, Leitgeb und unterhielt mich sehr mittelmäßig. Die Oper hat hübsche Musik. Therese war in der Musik bei ihrer Mutter, speiste da und war dann den Nachmittag und Abend zu Hause. Sie hatte Besuche von der Feiglin und Tochter, welche sehr über den Schritt des Jean jammerten. Man sagt, sie marschierten nach Budweis.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).