Sehr morastig, veränderlich. Im Burgtheater „Korb“ und Bidos oerintal[isches] Divertissement. Im Kärntnertor-Theater „Straßenräuber aus kindlicher Liebe“, Flett (?) von Brünn als Van der Mulde. Im Theater an der Wien „Räuber“ Therese ging zu Stöger, Rivolla, ich arbeitete. Preissler (?), die miserable Seele kam an und hatte die Kühnheit, mich rufen zu lassen. Ich ließ ihm sagen, er soll zu mir kommen. Mittags allein. Der Eisstoß ist in Bewegung, die Donau tritt aus ihren Ufern. Vor Mittag rangierte und las ich die Korrespondenz des Fürsten mit dem Grafen in den Jahren 1794 bis 1799. 1795 machte selber die Reise nach Italien und der Graf die ungeheuren Restriktionen; fand manche Kabalen gegen Freund Kárner enthüllt. Nach Tische fuhr ich mit Therese und Mafficioli zur Schlag- und Rasumofsky-Brücke, über die neue – Franzens – Brücke in die Leopoldstadt zu Peter, in die Roßau, zum Brandmayer, dann nach Haus. Die Rasumofsky-Brücke ist nicht mehr, das Joch gegen die Landstraße hat das Eis weggerissen und mit selbem die ganze Brücke. Auf dem Eis liegen noch viele Hauptbäume, die man eben bemüht ist, mit aller Anstrengung zu retten. Der Eisstoß steht weit über die Rasumofsky-Brücke bis gegen Nussdorf, der Anblick ist schauerlich. Noch ist die Donau nicht ausgetreten. Von der Tabor-Brücke sind 3 Joch beschädigt, von der mittleren 3 Joch und von der äußeren 5 Joch weggerissen und alle Passage gesperrt. Abends schrieb ich dem Grafen, dann ins Kärntnertor-Theater. Flett gefiel, wurde vorgerufen, das Stück aber langweilte mich sehr. Bei Therese war die Bulla, Goldmann, Schmidt und Werlen.
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Tauwetter, früh rauer Nebel, dann heiter; außerordentlich morastig. Früh holte ich Peter ab und wir fuhren zusammen zur Rasumofsky-Brücke, gingen auf dem Eis bis zur Gänseweide, sahen da mitten auf dem Eis die Bäume der abgerissenen Brücke. Der Stoß hat die nämliche Gestalt wie gestern, bewegt sich nicht.Auf der großen Donau hat er wieder einige Joche der Brücke abgerissen.Ich erhielt Briefe vom Grafen, worin er mir schreibt, dass er in Preßburg krank sei und morgen oder übermorgen komme. Den übrigen Vormittag war ich beim Grafen, las die Fortsetzung der Korrespondenz zwischen Graf und Fürst von 1794 und 95. Im Burgtheater Mad. Hendel von Berlin als Octavia, Mad. Bürger vom sächs[ischen] Hoftheater als Cleopatra. Im Kärntnertor-Theater „Agnes Sorel“, Grell, Tenor vom Fürsten, als Karl VII. Im Theater an der Wien „Rochus Pumpernikkel“, musikal[isches] Quodlibet in 3 Akten von Stegmayer, Weidmann als Bartel, Hasenhut als Pumpernickel. Mittags allein, nach Mittag zu Hause und beim Grafen. Therese ging mit der Schmidt, Nina und Rodler ins Burgtheater, Peter und ich folgten, weil ich doch auf den Grafen wartete. Zwei Akte von der „Octavia“ sah ich im Orchester, dann begab ich mich ins Kärntnertor-Theater, Hr. Grell zu sehen, war dort den ganzen 3. Akt. Grell hat eine angenehme Stimme, gefiel, wurde verdient vorgerufen und sprach: „Ihre Güte und Nachsicht ist so groß als mein innigster Dank“. Beim Schluss des 3. Akts war ich schon wieder im Burgtheater. Der arme Dauer (?) als Augur, der ohne Vorbereitung spielen musste, nichts wusste, wurde ausgelacht und gezischt, auch Hornung als Centurio wurde belacht. Ungerecht war man gegen die Bürger. Die Hendel, der man an vielen Stellen, ihren Kopf- und Armbewegungen deutlich ansah, dass sie die Meisterin der Roose war, gefiel nicht allgemein; riss an manchen Stellen zur unwillkürlichen Bewunderung hin, und wurde am Schlusse vorgerufen. Sie sprach: „Es rührt und erhebt mich, wenn Sie finden, dass ich meiner Jugendfreundin und würdigen Vorgängerin, der verewigten Madame Roose, nicht nachstehe“. Koch annoncierte, das Publikum empfing ihn mit anhaltendem Klatschen und Tränen rollten aus seinen Augen.
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Früh neblig, dann heiter und warm. Fünfte Redoute. Im Burgtheater „Singspiel an den Fenstern“ und „Paris“, im Kärntnertor-Theater „Schachmaschine“, Flett als Graf Balken. Früh zum Grafen, später zum Peter, Augenschein wegen Eisstoß einzunehmen. Kurz (?) und Fiala kamen dahin, auch Jungmann war zu Haus. Zum Speisen suchte ich mir Compagnie. Nach Mittag und abends war ich zu Haus, schlief und begab mich um 9 h in die Redoute. Es waren 2800 Menschen, ich unterhielt mich mittelmäßig. Die Bernau (?) gab mir artige Geschenke, ich sprach mit Filath, Zwerger (?) und saß in Zeuners und Rosal[iens] Gesellschaft. Hatte mit allen, besonders mit 2 schwarzen Masken, viel Jux.
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Wie gestern. Im Kärntnertor-Theater „Merope“, Hendel spielt sie, im Burgtheater „Waisenhaus“. Der Eisstoß überschwemmte in der Nacht einen großen Teil der Roßau und Leopoldstadt. Früh zum Grafen und 2 Mal in die Porzellanfabrik. In der Schmied- und Drei-Mohrengasse fuhr ich durchs Wasser. Schon fährt man mit Schiffchen und geht auf Treppen. Niedermayer führte mich auf die Altane des Hauptgebäudes, von da überblickte ich die Verwüstungen des Eisstosses bis zur Donau. Alles ist ein See und teilweise mir Eis bedeckt. Der Garten und Fabrik des Puthon sind mit den meisten Häusern und allem Holz im Wasser. Mittags allein, nach Tische zum 3. Male in die Porzellanfabrik, von da über die unter Wasser stehende Holzgestätte zur neuen Brücke, und durch die Neugasse zum Augarten. In dieser Gasse strömte das Wasser und Eis schauerlich, es warf hohe Wellen und reichte den Pferden an den Bauch. Philipp mit den Postzug-Schimmeln führte uns. Von da zum Peter, dann in den Prater, der ganz voll Wasser ist und in welchen niemand fahren darf. Wir fuhren bei der Franzensbrücke herauf und nach Haus. Abends machte ich der kranken Jeanette einen Besuch, ging ins Kärntnertor-Theater, setzte mich ins Orchester und fand, dass die Hendel recht brav spielte. Sie wurde vorgerufen und sprach in hoher Begeisterung von erhabener Herrschertugend, mächtiger Mutterliebe, dem großen Bilde eines großen Weibes, dem sie diese Aufnahme dankt.
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Heftiger Wind. Die Donau verbreitet ihre Verheerung schrecklich. Im Burgtheater „Eduard in Schottland“, im Kärntnertor-Theater „Buchstab“ und Divertissement „Allzustrenge Probe“. Den ganzen Vormittag beim Grafen. Therese gab ihre Lektionen. Mittags ging der Eisstoß von Nussdorf bis zur Franzensbrücke, da stockte er wieder. Dadurch wurde die Überschwemmung so groß, dass die Leopoldstadt, Jägerzeil und Roßau ganz im Wasser stand. Beim Roten Turm ging das Wasser den Pferden bis zum Bauch und dies dauerte in der Stadt bis zur Müller’schen Galerie. In der Adlergasse war das Wasser 3 Schuh hoch. Beim Theresientor kann man nur mit Anstrengung aus- und einfahren. Nach Mittag führte ich Therese mit der Schmidt auf die Hauptmaut und zur Rotenturm-Bastei. Viele tausend Menschen waren auf den Wällen, sie drängten sich ganz. Beim Roten Turm hingen sich die Menschen auf Equipagen, Fiaker und Leiterwägen, um durchs Wasser zu kommen. Der arme Peter wird auch im Wasser sein. Zugleich entstand Feuerlärm beinm Tabor, es brannte das Kaffeehaus ab. Schrecklich und schauerlich ist der Anblick. Alle Augenblicke sah man bald Kästen, Stück-Dachungen, Schubkarren, große Floss- und Brückenbäume, und unaufhörlich Brennholz schwimmen. Gegen Abend stieg das Wasser noch. Bei Therese war abends die Goldmann und Werlen. Ich ging mit Mafficioli ins Komödi-Bierhaus, dann ins Kärntnertor-Theater, wo ich Wisenfeld, Gilge mit Frau fand und mich mit diesen unterhielt.
Band 06 (VI.), Seite 198r
Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).