Strenge Kälte, sehr gefroren, viel Schnee. Früh zum Grafen. Therese lehrte ihre Schülerin Gitter, hatte im Kärntnertor-Theater Probe von „Caliph“. Im Burgtheater „Bürgerglück“, im Kärntnertor-Theater „Waisenhaus“, im Theater an der Wien „Scherz und Ernst“ mit Mad. Hendel, dann Pantomime „Harlekin auf den Alpen“ mit Lafargue. Mit dem Grafen fuhr ich zum Brandmayer, dann zu Kárner, den ich für den Donnerstag zum Speisen lud. Therese kam spät von der Rivolla. Mittags allein, nach Mittag zum Sattler Joseph ins Rote Haus, dann in die Porzellanfabrik. Der Graf ist in außerordentlicher Beklemmung und Furcht vor dem Krieg. Niemand ahnt etwas Gutes, unsere ganze politische Existenz ist in Gefahr. Man kann wirklich nicht ruhig ein. Der Gedanke, wie wird es werden ?, erschüttert das Innerste. Josephine Rodler war bei uns, ich verschaffte ihr den 3. Stock im Haus von Brandl, worüber sie bei dem außerordentlichen Mangel an Quartier sehr erfreut ist und dankte. Sie sah es und gab gleich daran. Therese ging nach Mittag ztur Brandl und lud die Schmirer Jeanette auf Donnerstag. Gleich nach ihr kam die Jeanette selbst. Die Brandlin trug sich an, uns morgrn Krapfen zu backen. Auf dem Glacis sah ich die 2 Mörder hangen, welche den Korneuburger Müller erschlugen. Abends waren wir zu Haus, die Hocheder, Goldmann, Mafficioli und Werlen waren da.
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Der kälteste Tag, der Schnee kracht. m Burgtheater „Caliph“, seit 18. März 1808 wurde selber nicht gegeben. Russ (?) von Brünn tritt als Caliph auf. Im Kärntnertor-Theater „Brautkranz“, im Theater an der Wien „Blaubart“. Taufe des gestern nachts 1 h geborenen Sohnes der Reimannin. Therese hatte Probe von „Caliph“ und abends zu tun; bei Rivolla war sie Lektion geben. Nach Tische fuhren Therese und ich zum Reimann zur Taufe und gaben dem Neugeborenen den Namen Karl Joseph. Josephine Rodler, welcher wir eine schön gestickte Haube mit Spitzen zum Präsent für Reimann abkauften, fuhr mit und zum Reimann. Bei der Taufe war alles sehr feierlich und froh. Nachher tranken wir Kaffee, fuhren nach Haus und Therese machte Toilette. Peter machte ich ein Geschenk mit einem fleißig gearbeiteten, schwarz eingelegten Rahmen zu Roses Denkmal. Abends führte ich den Aloys ins Burgtheater. Der arme Russ missfiel ganz, am Ende zischte man ihn; dies hatte er nicht verdient.
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Sehr kalt. Im Burgtheater „Faniska“, Bohdanowicz von Linz tritt auf. Im Kärntnertor-Theater „Selbstbeherrschung“; mit Mad. Hendel von Berlin. Früh zum Grafen, übernahm von Offenheimer 1000 #, später zum Jos[eph] Neuberg (?) ins Kabinett und Theaterkasse. Mittags großes Diner. Kárner, Peter, Kridl, Lang, Jeanette, 2 Goldmann; Wagner hatte Geschäfte und Zanini (?) Nasenbluten. Unterm Essen ließ mich der Graf rufen; dies unterbrochene Opferfest ärgerte mich sehr. Wir waren froh, sehr lustig zuletzt. Abends kamen Mafficioli, Werlen, allen wurden große Schnurrbärte und Augenbrauen gemacht. Am komischsten sahen die Damen aus. Es kamen auch Gewey und die Schmidt. Um 7 h verfügten wir uns in beide Theater, zuerst ins Burgtheater. Die Bohdanowicz ist sehr mittelmäßig, hat eine schneidende Stimme, keine Höhe, und wurde mit Anstrengung vorgerufen. Im Kärntnertor-Theater sahen wir den letzten Akt. Die Hendel gefiel als Baronin nicht außerordentlich; wurde vorgerufen und sprach: „Diese auszeichnende Güte verdanke ich nicht meinem Talente, sondern dem schönen und reinen Ideale, welches mein Lehrer und Freund Iffland erschuf.“ Therese blieb mit der Schmidt zu Hause und ordnete alles.
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Strenge Kälte .Im Burgtheater „Deutsche Familie“ „Lorenz Stark“, im Kärntnertor-Theater „Caliph“ mit Neumann etc., dann zur Einnahme der 2 Schwestern DeCaro zum ersten Mal „Die 2 Nebenbuhlerinnen, oder die allzu strenge Probe“, Ballett in 3 Akten von Angiolini, Musik von Baiglin (?) in Mailand, Dekorationen von Sacchetti. Den Vormittag beim Grafen, vollauf zu tun. Therese martert ein Rheumatis[mus ?], und doch ging sie zur Rivolla, Lektion zu geben, und muss heute spielen. Den Koch Zimmermann empfahl ich zur Casimir Esterházy, er wurde aufgenommen und gab mir 100 fl. Douceur. Mittags allein, nach Mittag zum Quarin wegen # verkaufen. Bei Quarin fand ich die Phillebois und trank da Kaffee. Später zu Brandl, Agenten Schuhmann (?) und Cartier (?). Mazzucato besuchte ich wegen seinem Aleatico, den ich noch nicht erhalten konnte. Einen Augenblick sprach ich bei Hoffmann ein und hörte, dass Prinz seit 1 Tagen weggezogen sei. Mittags fing es zu schneien an und schneite in einem fort; starker Winter. Abends ins Kärntnertor-Theater, sprach Zeuner, Richart mit Zimmermann, jede fand ich auf der anderen Seite.Therese spielte recht brav. Das Divertissement ist unterhaltend, die Tänze recht hübsch. Das Ganze gefiel sehr.
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Sehr kalt. Krafts (?) Quartetten bei Rittersburg (?). Früh zum Grafen, dann abermals auf die Maut, eine Note wegen dem Aleatico machen. Im Burgtheater „Amors Bild“, „Vorsatz“, „Nebenbuhlerinen“, im Kärntnertor-Theater „Wald bei Hermannstadt“, im Theater an der Wien zum ersten Mal „Schenkbrief“, Parodie auf „Lear“ Lustspiel in 4 Akten von Schildbach. Bei Casimir Esterházy hatte ich zu tun und sprach für Zimmermann. Therese gab heute der Gitter zu Haus, dann der Stöger und Rivolla Lektion. Mittags allein, nach Mittag hatte Therese Besuch von der Hofrat Stöger mit Marie und Henriette. Sie unterhielt selbe mit Costumes, unserem Porzellan, Silber. Ich ging zum Hofrat Mayern (?), Regierungsrat Anders und wurde beschieden, Montags den Aleatico abzuholen. Abends waren Hocheder, Schmidt, Goldmann, Gewey, Werlen und Mafficioli bei uns. Als letzterer sich von uns entfernte, las uns Gewey den 1. Akt seines travestierten „Pygmalion, oder Tentamen der Musen“ vor. Wir lachten außerordentlich; besonders gefielen uns die Reden des Lust- und Trauerspieles, die Klage der Terpsichore und der Lerchenfelder Streit der Musen
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).