Strenge Kälte. Früh schrieb ich, ging aus. Im Burgtheater „Klara von Hoheneichen“, im Kärntnertor-Theater „Muta“ und „Vologesus“. Mittags zu Haus. Therese und ich machten eine Promenade auf den Graben. Um ½ 12 h trugen ein Regiment Garden 20 bis 30 eroberte russische und kaiserlich österreichische Fahnen wehend durch die Stadt. Später brachte man ungefähr 150 österreichische und russische Gefangene vom Burgtor in die Kriegskanzlei. Ich schlich in Compagnie herum, Czermak begleitete mich. öcker erzählte mir von dem gestrigen Konzert bei Napoleon in Schönbrunn. Beiläufig um ½ 8 h erschien Napoleon in einer schmal gestickten Uniform, mit dem Stern der Ehrenlegion, in Stiefeln. Seine Figur klein, etwas leibig, sein Gesicht schwarz, braungelb schattiert, ein paar Brillant-Augen drangen jedem in die tiefsten Falten des Inneren; seinen Kopf deckten schwarze, struppige Haare. Ihm folgte Murat, und umgeben war er von ungefähr 30 Generalen, Ministern, Adjutanten, Kammerherrn in scharlachrot mit Gold gestickter Uniform und gepuderten Haaren, alle in Gala. Er kam schnell durch eine Reihe von Zimmern in jenes, wo Musik gehalten wurde, fragte Crescentini, ob er in Rom gesungen ?, und den Cherubini, ob die Madame Campi eine Italienerin sei ? Sonst sprach er mit niemandem etwas. Er setzte sich auf den für ihn bestimmten Armsessel, unter welchem ein Teppich aufbereitet war, ließ alle Lichter im Salettl bis auf jene an den Musikpulten auslöschen, und saß mit dem Avis in der Hand von den aufzuführenden Stücken – es wurden 6 Stücke aus den Opern „Romeo und Julia“, und „Giulio Sabino“ aufgeführt – durch nicht eine volle Stunde, als die Musik währte, in wie unbeweglich mit einer sehr ernsten, düsteren, fast möchte man sagen trotzigen Miene. Ein einziges Mal sprach er mit Murat, der zwei Schritte hinter ihm zur Rechten stand, ein paar Worte, und äußerte auch nicht die geringste Spur von Gefallen und Missfallen während der Musik. Die Begleitung stand hinter ihm im halben Rund in orientalisch despotischer Stille, keiner sprach zum anderen auch nur eine Silbe. Als die Musik geendigt, lief er mit Dupplier-Schritten davon, ohne auch einen Wink über etwas zu geben, und entließ das Orchester ohne Beifall, ohne Belohnung. Letztere dürfte noch folgen. In Schönbrunn ist er sehr schwer zu sehen, nach Wien kommt er gar nicht. Schwerlich werden wir ihn im Theater erblicken. Als ich mit Therese nach Mittag ausging, fand ich das Patent wegen Kontribution vom 14. Dezember mit der Unterschrift des Wrbna angeschlagen. Schrecklich und negierend waren die Äußerungen des Publikums über diese unverhältnismäßige und schnell zu erlegende Brandschatzung, und doch wahr, sehr gegründet. Ich sehe die Möglichkeit nicht ein, wie der Beamte, die arme Witwe, die wegen altem Bestand große Quartiere haben, augenblicklich den halben Jahreszins erlegen kann, und fühle mich mit den meisten tief gekränkt, dass unser Landeskomissär sagen kann: „Wenn dieses Darlehen nicht alsogleich erlegt wird, es mit französischer Militärexekution eingetrieben und die für jeden festgesetzte Summe noch zur Strafe erhöht werden soll“. Die Hauseigentümer zahlen die einjährige Steuer, aber so auch die Besitzer von Dominikal-Renten oder Gülten. Die Ausnahme des Reichshofrats und Kanzlei ist höchst unbillig. Ich schrieb gleich dem Grafen und schickte ihm und Keglevich das unmenschliche Patent. Abends war ich im Burgtheater, ziemlich voll. Therese war zu Hause.
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Strenge Kälte, die Sonne drang durch den Nebel und es wurde ein schöner Wintertag. Früh schrieb ich an Stessel und schickte ihm das Brandsteuer-Patent. Im Burgtheater „Pamela“ und „Seehafen“ (?), im Kärntnertor-Theater „Vetter in Lissabon“, dann „Milton“. Der „Vetter“ besuchte uns schon seit Jahren nicht, ich sah ihn seit Schröders Abgang nicht. Um 11 h ging ich aus, suchte Compagnie. Später mit Therese zu Koch. Auf der Glacis begegneten wir wieder Transporte von Bagage und unseren Kanonen, manche mit 6 Pferden bespannt. Die Truppenmärsche aus Mähren dauern dort. Mit vielen sprach ich wegen Brandgeld, und dafür Erhaltung einer ständischen, 6 %igen Obligation. Alle sind der Meinung, dass die Kasse das Geld nicht zusammenbringt. Wenige sind bei Gelde und jetzt braucht jeder mehr als je seinen kleinen Vorrat. Mittags allein, nach Mittag las und schrieb ich. Nach Mittag besuchte uns wieder Wilhelm, der aus Brünn kam, seine Bagage durch die Franzosen verlor und wo er 3 Wochen war. Er sieht gut aus und erzählte uns von dem Jammer, dem Mangel, den die Armee und das ganze Land leidet. Bei Brandl und Rottensteiner war ich und sagte, dass sie den Hauptmann zu uns laden möchten. Später ging ich herum, in die Theaterkasse, suchte Compagnie, dann ins Kärntnertor-Theater, sehr wenig besetzt. Therese und Goldmann – als Charlotte – machten große Toilette. Im Kärntnertor-Theater unterhielt ich mich, bei Milton aber war ich auf dem Theater, sprach mit Weigl, dass Therese morgen in der „Molinara“ ihre Arie auslässt und mit Weinmüller wegen dem Unglück Mayers in Brünn, dass er noch immer seine Gagen zahlt, von dem üblen Betragen seiner Frau und Tochter gegen die Gesellschaft etc. Kautzinger (?) von Neumann sagte mir, dass das Marmontische Corps mit verflossenem Sonntag, dem 8., unsere Truppen ablöste und selbe in den Gegenden von Neudörfl, Pöttsching, Aspern (?) sehr gedrängt liegen. Unsere waren am 8. von früh bis Nachmittag 3 h Besitzer von Neustadt. Der preussische Minister Haugwitz ist gestern abgereist.
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Sehr kalt und trüb. Früh schrieb ich an Keglevich, und da mir Weigl sagte, mein Graf sie hier, so erwartete ich ihn zu Haus. Erst als er das 2. Mal kam, traf er mich. Ich war mit Therese und Goldmann in der Stadt spazieren, ging ins Kärntnertor-Theater in die Probe von „Ciffra (?)“ mit ganzem Orchester, brachten öcker 2 Briefe von seinem Sohn und begaben uns dann auf die Glacis und zum Burgtor herein. Heute wird das Belagerungsgeschütz samt Lafetten auf Leiterwagen abgeführt. Die ganze Artillerie wird aus Wien transportiert, ein nicht zu berechnender Verlust. Mittags allein, nach Mittag zum Cavriani, wo mein Graf speist. Im Burgtheater „Molinara“, im Kärntnertor-Theater „Maitag“ und „Tanzsucht“. In Preßburg sind seit 6 Tagen schon wieder die Franzosen, und zwar 16.000 Mann. Auf der Grenze bei der Brücke steht von uns ein Hauptmann mit 200 Mann und erschwert sehr die Passage. Ich sprach mit Stessel und erfuhr, dass selbst in Eisenstadt und der Gegend unsere Truppen liegen, dass für Ehz. Carl in Ödenburg das Hauptquartier bestellt sei, dass man aber nicht wisse, wo Carl und Johann sind, man vermutet sie beim Kaiser in Holics. Die Armee zusammen dürfte 50.000 Mann stark sein. Carl ließ, um dem Masséna das Nachrücken und Verfolgen zu erschweren, von Laibach bis Graz alle Dörfer anzünden, alle Magazine verderben und alles Vieh mitnehmen. Der Waffenstillstand nützte dem Masséna, um Lebensmittel von Triest kommen zu lassen. Dann kam am Sonnabend der Palatinalbefehl an alle Komitate und Vorpostenkommandanten an den Grenzen, dass bei Todesstrafe niemand Lebensmittel nach Österreich bringen darf. Schon ist aber wegen Aufhebung dieses unmenschlichen Befehls eine Deputation an den Kaiser abgegangen. Der Graf, als er am 15. von Holics abreiste, fand noch beim Kaiser Cobenzl, Stadion, Lamberti, Prinz Württemberg, Starhemberg etc.. Noch ist er von diesen umgeben. Ich zittere wegen neuem Beginn des Krieges; dann ist alles verloren. Die Kaiserin ist in Friedberg, liegt an Flekken. Abends war ich in beiden Theatern. Die Franzosen betrugen sich heute ungestümer als je, sie machten der Leifer alle Bewegungen, alle Mienen nach. Vorher war ich beim Seitl, wo die blitzdummen Patrioten wie die Narren räsonnierten. Heute Mittag hatten die Stände Audienz beim Kaiser Napoleon in Schönbrunn.
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Sehr kalt. Früh zu den Terzaghischen, dann mit dem Grafen zu Justinus (?). Später besuchte ich die Oberlin, welche ich übel aussehen fand. Gegen Mittag ging ich mit Therese zum Brandmayer. Die Agnes war unser Gast. Nach Mittag schrieb ich, ließ mir durch Carlo die Haare schneiden, ging in Geschäften herum und abends in beide Theater. Im Burgtheater „Puls“ und „Tiroler“, im Kärntnertor-Theater „Wandernde Komödianten“, Therese Neumann tanzt, dann „Kleine Putzmacherin“. Es war sehr leer, die Therese tanzte heute sehr schwach. Im Burgtheater fand ich den Grafen samt Schwester, die ich seit Baden nur in „Vestas Feuer“ sprach. Talleyrand ist aus Nikolsburg angekommen.
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Kalt. Den ganzen Vormittag beim Grafen. Nebst allen übrigen Sachen (?) war ich 4mal bei den Terzaga. Mittags allein, nach Mittag arbeitete ich, dann ging ich herum. Abends im Kärntnertor-Theater. Zum 1. Mal deutsch „Die Entzifferung“, Oper in 2 Akten, Musik von Salieri. Die Marconi tritt darin auf, auch Ehlers spielt. Im Burgtheater „Missverständnis“ und „Apoll“. Die Oper gefiel gar nicht und die Marconi wenig. Salieri erschien am Klavier nicht, sondern Umlauf. Es war kalt, ich fühlte Langeweile. Schon fühlen wir in Wien das Verbot, keine vivres einzuführen, schon haben wir Fleischmangel und um Mehl und Schmalz rauft man sich. Heute erschien in Schönbrunn ein Armee-Befehl, Ordre du jour, von Marschall Berthier unterschrieben, wonach Napoleon 3 Könige, von Bayern, Württemberg und Baden erschafft, und seinen Kommandierenden den Befehl gibt, die ausgeschriebenen Kontributionen bestimmt binnen 8 Tagen einzutreiben. Ich konnte es nicht bekommen.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).