Sprung zur TabelleSprung zum MenüSprung zur SucheHotkey Referenz
Anzeige von 3051 - 3055 aus 11858
Sortiere nach 
Lfd Nr Jahr Monat Tag Eintrag Namen Referenz
3051 1805 12 10 Etwas trüb, nach Mittag und abends Regen. Früh schrieb ich, dann wurde herumgeschlichen. Für Therese bestellte ich bei Kilian 6 Paar weiße seidene Strümpfe. Im Burgtheater „La Muta“, „Apoll als Hirt“, im Kärntnertor-Theater „Liebhaber und Nebenbuhler“. In den Klöstern werden die verwundeten Russen und Unsrigen von den guten Wienern mit Essen und Trank erquickt, und mit Geld und Kleidungsstücken beschenkt. Um 11 h rückten die Regimenter 6, 96 und 100 wie gestern auf den Kohlmarkt, Graben und St. Stephansplatz. Eine starke französische Eskorte brachte wieder bei 4000 russische Gefangene, den Vortrab machten Offiziere. Sie zeigten sich uns wie die Gestrigen. Als ich nach Haus kam, fand ich bei mir den Grafen, der gestern ankam und bei Terzaghis wohnt. Mittags allein, nach Mittag mit dem Grafen zu Cavriani und einige Geschäfte. Nach Mittag und abends bis ½ 5 h zogen starke Truppenmärsche, Bagage- und Provianttransporte beim Spitz und über Nussdorf herein, durch die Stadt und auch außen herum, gegen Purkersdorf und über die Spinnerin am Kreuz hinaus. So häufige und schnelle Truppenmärsche deuten unsere grimmigen Patrioten auf eine Retirade. Abends im Seitlischen Bierhaus und einen Augenblick im Burgtheater.Im Bierhaus sagten einige vom Magistrat, in der Nacht blieben in Wien und in den Vorstädten bei 2000 Mann. Um ½ 9 h war ich schon zu Haus. Band 05 (V.), Seite 105v
3052 1805 12 11 Trüb. Früh zum Quarin, wo der Graf und ich uns bestellten. Wokurka zeigte mir eine eiserne Kartätschenkugel, die einem Gens d' armes am Sonntag aus der Schulter geschnitten wurde. Er erhielt den Schuss bei Austerlitz am 2. schon um 11 h und war 3 Tage auf dem Weg nach hierher. Therese hatte Probe von „Molinara“, ich erwartete zu Haus den Grafen, der lange blieb und mit dem ich alle meine Geschäfte abmachte. Mittags allein, nach Mittag zu Haus. Heute verlangten die Franzosen 32 Millionen Franken, 13 Millionen Gulden, und zwar in einigen Tagen. Auch übernahmen sie heute die magistratische Oberkammeramts-Kasse, welche sich über 300.000 fl. belief, und ließen nur 40.000 fl. zu täglichen Ausgaben zurück. Eine große Anzahl von Schuhen requirierten sie wieder. Unaufhörlich führen die Franzosen unsere Kanonen und Rüstwägen weg. Alles was in unserem Zeughaus an Altertümern und Seltenheiten vorhanden war, wurde schon fortgeschafft. Sie führen täglich die „Entführung“ auf, möchte doch nur bald Friede werden ! Abends war ich im Kärntnertor-Theater „Bettelstudent“. Im 2. Akt blieb eine ganze Szene aus Vergessenheit weg und Nouseul in der Mehltruhe liegen. Es war eine sehr merkbare Lücke. Dann „Tiroler“. Während dem Theater ging ich nach Haus und zu Terzaghi, um dem Grafen Verschiedenes zu übergeben. Therese war mit Goldmann zu Haus. Band 05 (V.), Seite 106r
3053 1805 12 12 Schnee, dann heiter. Früh zum Grafen – bei Terzaga – der heute wegfuhr, dann ins Haus. Machte einen Besuch beim kranken Koch, wo ich mit Roose, Koberwein und seinem Arzt Buxbaum (?) zusammentraf. Auf der Glacis sah ich den ungeheuren Pulver- und Leiterwagen-Park. Die Truppenmärsche dauern immer fort. Heute sah ich 2 Regimenter Garden und Dragoner zu Fuß. Therese hatte Probe von „Molinara“, die abends im Kärntnertor-Theater zum 1. Mal ist und worin die Müller zum 1. Mal italienisch singen wird. Im Burgtheater „Rückerinnerung“. Ich schrieb Stessel und schickte ihm die 18 Bulletins der Großen Armee. Therese schrieb meiner Mutter durch Fasching und beruhigte sie. Mittags allein, nach Mittag zu Haus. Wallaschek kam und erzählte, Braun wäre durch Weinmüllers Speichellekkerei verleitet worden, dass die Deutsche Oper an der Wien spielen und mit dem „Dorfbarbier“ anfangen soll. Die Gesellschaft weigerte sich und sagte dies dem Weigl, dieser nahm sich nicht an und nun schrieb Vogl dem Baron, dass er an der Wien nicht spiele. Wallaschek hörte, doch wusste er es nicht gewiss, Vogl ginge ab. Nach Mittag ½ 5 h holten 50 Mann bürgerliche Kavallerie General Clarke in der Burg ab und ritten mit ihm über den Tabor hinaus Napoleon entgegen. Nicht weit von Stammersdorf trafen sie ihn mit 4 Wägen, begleitet von 30 bis 40 Garden. 12 ungefähr hatten Fackeln, an den Wägen waren Laternen, an seinem 8 Postpferde. Er fuhr in gestrecktem Trab um ½ 8 h durch die Stadt nach Schönbrunn. Niemand konnte ihn sehen. Am Roten Turm empfing ihn der Magistrat, dann machte unsere Bürgerwache Spalier. Auf dem Graben stunden ungefähr 14 Garden zu Pferd. Die Franzosen der Burgwache rückten bei Napoleons Durchfahrt nicht aus. Vom Tabor an durch die Leopoldstadt bis zur Brücke, dann vor der Mariahilfer Linie standen seine Garderegimenter und ruften „Vive l' Empereur“ und warfen ihre Mützen. Ich war abends im Bierhaus bei Seitl, dahin kam Kupka mit der Kunde, Murat gebe heute große Tafel in der Burg, an welcher die 4 Maires von Paris speisten, welche kamen um Napoleon Glück zu wünschen. Außerordentlicher Aufwand ist an der Tafel. Ich war im Kärntnertor-Theater. Die Franzosen betrugen sich sehr unartig bei manchen Stücken. Therese sang sehr brav, doch Angrisani machte durch unangebrachte Lazzi die Freunde des Scherzes lachen. Die Müller machte kein Glück, und wurde nicht einmal gerufen, trotz des Avis am Zettel, dass sie zum 1. Mal italienisch singe. Band 05 (V.), Seite 106r
3054 1805 12 13 Gefroren. Den größten Teil des Vormittags schlich ich herum, weil immer Truppenmärsche geschehen. Es passierten Garden zu Pferd, Chasseurs, die 10. und 11. Kürassierregimenter und 20 Mamelucken. Ich hörte, Daru soll im schnellen Eintreiben der Kontribution sehr hart sein; bis morgen müssen 5 Millionen erlegt sein. Eine Million übernahm der Handelsstand, wovon 2/3 die Bankiers und 1/3 die kleinen Kaufleute bezahlen. Bei der Kommission ging es sehr grob, ja beleidigend zu, man warf mit Spitzbuben etc. Besonders fiel man über den reichen Geizhals Baron Müller her, der auch noch ledig ist und nur 6000 fl. anbot. Baron Braun weigerte sich etwas zu geben, weil er keine Wechselgeschäfte macht, und Joslowitz beinahe geplündert, und in Schönau und Enzesfeld sehr beschädigt ist, und noch bei den Theatern verliert „die er zum Vergnügen des Publikums hält"; man nahm‘s aber nicht an. Braun rettet nichts, außer eine Krida. Die Kontribution gibt uns schon einen Vorgeschmack unseres künftigen Elends. Mittags allein, nach Tische mit Therese und Goldmann in die Porzellanfabrik. Therese erhielt ein Geschenk von einer Tasse, worauf Tag und Nacht. Wir sprachen von Daru, seinen großen technologischen Kenntnissen, seiner Lebensart, seiner Übersetzung des Horaz; die Fabrik machte ihm ein Präsent mit einer schönen Schale, worauf ein Bild Horazens mit einem Vers gemalt ist. Dann von Hulin, einem Mann von einigen 40 Jahren, stark, einer rauen Gesichtsbildung, einem kahlen Kopf, mehr groß als klein. Er war es, der einst die Bastille stürmte, er war es, der kommandierte, als der Prinz von Enghien erschossen wurde; diese Züge mögen einen Beitrag zu seiner Charakterisierung liefern. Abends blieb Therese zu Hause, ich begab mich in beide Theater. Im Kärntnertor-Theater „Romeo“, sehr voll, aber nur Franzosen. Murat war in Alberts Loge, in der Hofloge Adjutanten und 2 Kammerherren in scharlachroter Uniform mit Gold gestickt; im Burgtheater „Beide Grenadiers“ und „Atalante und Hippomenes“. Band 05 (V.), Seite 106v
3055 1805 12 14 Sehr kalt. Früh schrieb ich an Grafen und Stessel. Ging herum, war in der Theaterkanzlei. Um 11 h mit Therese zum genesenen Koch, wo wir ziemlich lang blieben. Er ist ganz desperat und will Wien verlassen. Wir sahen einen ganzen Transport von Kanonen von grösserem Kaliber, 2 auf einem Leiterwagen fortführen, und einige Regimenter Kavallerie zur Matzleinsdorfer Linie hinausreiten. Mittags allein, nach Tische schrieb ich. Therese ging wegen Antwort zur Terzaga. Ich begab mich aber zur Theaterkasse, als Pulte gepackt wurden und sich die Musici sammelten, um nach Schönbrunn zu fahren. Napoleon hat heute Musik. Crescentini, Bianchi, Cherubini und ein doppeltes Quartett waren draußen. Darum wurde anstatt „Zayra“ „Deux Journées“. Ich begab mich ins Burgtheater „Ring“ 2. Teil, „Heirat aus Delicatesse“; leer, Brockmann als Klingsberg erntete neue Lorbeeren. Ich war ohne Gesellschaft und schlief viel. Die Loge vergab ich. Band 05 (V.), Seite 106v
Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.

Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:

  • Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
  • Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
  • Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
  • Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
  • Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.

Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).


(†) Peter Prokop, Wien, im Februar 2016

Copyright © 2025 Heraldisch-Genealogische Gesellschaft "ADLER", Wien. All Rights Reserved. Austria-1095 Wien, Postfach 7, Universitätsstraße 6/9b