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Lfd Nr Jahr Monat Tag Eintrag Namen Referenz
3031 1805 11 20 Trübe. Früh setzte ich meine Briefe fort. Heute sagt man bestimmt, die französische Kaiserin komme nach Wien und werde hier wohnen. Auch sei der Friede nicht mehr fern und werde hier geschlossen. An der Wien ist heute zum 1.Mal Beethovens große Oper „Fidelio oder die eheliche Liebe", in 3 Akten, frei aus dem Französischen von Jos[eph] Sonnleithner. Um 11 h ging ich ins Haus, führte mich bei den Einquartierten auf, plauderte mit ihnen lange, teils auf französisch, teils auf italienisch. Sie waren mit mir äußerst galant, ich mit ihnen und schaffte ihnen Ofner an. Mit Therese ging ich in die Kriegskanzlei und sahen die russischen und österreichischen Gefangenen. Erstere waren in einen Wagenschupfen geperrt und von Franzosen bewacht, denen durfte ich mich nicht nähern. Mittags allein, nach Mittag schrieb ich wieder. Ein 4. Extrablatt ist heute wegen Besetzung Znaims und Schonung Brünns, weil unser Kaiser darin ist. Man liest es auch deutsch und französisch angeschlagen in Folio. Abends ging ich ins Theater an der Wien, Louis Beethovens Oper zu hören. Fand Compagnie, sprach Fritsch, der sicher glaubt, in 14 Tagen sei Friede, und noch sagte, dass auch der bayrische Gesandte Gravenreuth hier und mit Talleyrand ist. Zwei Briefe erhielt ich vom Grafen und er empfängt keine von mir. Die Oper hat hübsche, künstliche, schwere Musik, ein langweiliges, wenig interessantes Buch und machte kein Glück; auch war es leer. Band 05 (V.), Seite 100v
3032 1805 11 21 Heiter. Früh kam Filz von Preßburg. Ich expedierte alle Briefe nach Preßburg durch den Baron Walterskirchen, ging zur Terzaga, unseren Gästen, schrieb noch ein paar Zeilen an den Grafen und schloss den Brief der Terzaga ein. Eine Kundmachung vom Magistrat ist angeschlagen, worin das Publikum aufgefordert wird, für die verwundeten Krieger Scharpie und Fasern zu liefern. Die Spitäler, Klöster und auch andere öffentliche Gebäude sind voll von verwundeten Franzosen, Russen und auch unseren Soldaten. Mit Therese und Goldmann ging ich auf die Glacis, beim Burgtor hinaus und beim Kärntnertor-Theater herein. Dem aufgestellten Artilleriepark und dem Stadtgraben darf man sich gar nicht nähern. Mittags allein. Truppen marschieren immer hin und her, doch nicht in großer Anzahl. Nach Mittag schrieb ich und Therese meiner Mutter und gratulierten. Ich erwartete Filz, ging herum. Therese war den Nachmittag und Abend zu Haus. Ich begab mich ins Kärntnertor-Theater „Heirat durch ein Wochenblatt“ und der „Seehafen“ (?), da fand ich Compagnie und blieb. Eine Zeitlang war ich auch im Kärntnertor-Theater „Armand“; immer leere Theater. Passy erzählte mir, dass heute der Staatsminister Talleyrand mit Marin und 2 Staatssekretären in der Porzellanfabrik waren und das Magazin ansahen. Ersterer soll ein hochmütiger, stolzer, schon decrepider, mittelmäßig großer Mann mit einer abschreckenden Physiognomie sein. Er war in Zivil und in Patschen, weil er an Podagra laboriert. Abends erschien das 5. Extrablatt, von der Besitznehmung Brünns, dem Einrücken des Murat, welches am 15. nach Mittag 3 h geschah, dann dass Napoleon in Pohrlitz mit dem Hauptquartier und die Vorposten einen Tagesmarsch vor Olmütz stehen, wohin sich unser Kaiser begab. Stessel kam mit Pointner an, ich sah sie aber nur einen Augenblick. Abends marschierten Truppen durch die Stadt und zwei Regimenter über Laxenburg nach Neustadt. Mein Bruder, den ich wegen seiner vorlauten, unbesonnenen Reden derb hernahm, schickte unserer Mutter 2 Stück Cotton. Band 05 (V.), Seite 100v
3033 1805 11 22 Trübe, mitunter etwas Schnee. Unserer lieben Mutter Namenstag. Ich erinnerte mich dankbarlich ihrer Güte. Den Vormittag zu Haus, um 12 h ging ich herum und sah das gestrige Bulletin deutsch und französisch an allen Ecken angeschlagen. Therese hatte Probe von „Palma“. Der kleine Neumann schrieb und speiste bei uns. Heute ist im Burgtheater „Zayre“, im Kärntnertor-Theater „Das war ich“ und „Tanzsucht“; die Loge gab ich in die Buchhandlung. Nach Mittag gingen Therese, Goldmann, Wilhelm und ich spazieren, um die Begebenheiten des Tages zu hören. Zu uns gesellten sich noch Scheiger und seine Frau und wir kamen trotz dem heftigen Wind bis über die 2. Taborbrücke. Am Ende der ersten stehen 2 Kanonen gegen die Stadt gerichtet, über der 2. links ein Artilleriepark. Zur Rechten in den Auen kampieren die Franzosen hinter Holz- und Strohwänden. Sie brennen ganze Bäume, bedienen sich des Brückenholzes, der Planken, Schindeldächer, hauen Bäume in der Au um und richten große Verwüstung an. Wir sahen eben eine Bettstatt und Tischlerladen verbrennen. Das Kaffeehaus ist verlassen, darin wohnen französische Offiziere. Zurück gingen wir durch den Prater und sahen nicht ein Stück Wildpret. Therese blieb mit der Goldmann zu Haus, ich ging in beide Theater, hielt mich bei den Kassen auf und war Zeuge französischer Brutalität. Die Parterre waren ziemlich besetzt. Abends erschien das 6. Extrablatt, vom Empfang des Napoleon in Brünn am 21. durch eine Deputation und den Bischof, vom Verfolgen der Russen gegen Olmütz, dann aus Italien vom 5. November vom Beschießen und Eindringen in Vicenza und Verfolgen der österreichischen Armee. Band 05 (V.), Seite 101r
3034 1805 11 23 Trübe und kalt. um ½ 9 h verfinsterte es sich sehr, ein mächtiger Sturm erhob sich, sehr stark fing es zu schneien an und während des heftigen Schneegestöbers blitzte es fürchterlich, ein äußerst erschütternder Schlag erfolgte und traf den Stefansturm. Ich arbeitete, schickte durch Filz Extrablätter, Bulletins nach Preßburg, ging ins Haus, unseren Gästen nachzusehen, zu Woller, brachte das Bild, gratulierte und wurden sehr gut aufgenommen. Später suchte ich Compagnie, dann nach Haus. Eckhart war unser Gast. Nach Mittag zu Haus, es gab wieder einen Schneesturm. Abends freute ich mich im Kärntnertor-Theater der „Maria von Montalban“ mit französischen Soldaten. Ich war im Parterre, im 3. Stock; im ersteren waren lauter reine Franzosen, im letzteren blieb ich der Compagnie wegen. Die Loge gaben wir den Großbauerischen, es machte ihnen eine königliche Freude. Therese sang sehr hübsch und gefiel, doch schrie die Campi mehr und gefiel auch mehr. Die französischen Soldaten betrugen sich sehr geschickt. Vor dem Theater las ich Therese die sehr interessante Wiener Zeitung No. 94 vor, eine Schilderung von der Lage und Qualen des Krieges sehr richtig, nur aufgeputzt vorgetragen. Napoleon kommt in ein paar Tagen nach Wien, nachdem die Russen immer im Retirieren sind und verfolgt werden. Die Zeitung befriedigte und beruhigte mich sehr. Band 05 (V.), Seite 101r
3035 1805 11 24 Ein kalter Tag. Früh brachte mir Schmidt vom Grafen einen Brief samt Einschluss an Terzaga, den Therese hintrug. Heute sind um 8 h alle Bürgercorps beordert, en parade auf der Glacis zu erscheinen. Ich ging hinaus und las im Vorbeigehen im Burgtheater „Coriolan“, im Kärntnertor-Theater die „Temperamente“, italienisch und „Vologesus“. Die Bossi (?) tanzt heute mit ihren Schwestern das beliebte Terzett. Es war heiter, die Sonne erschien in ihrer alten Pracht. Mehrere 1000 Menschen sammelten sich auf der Glacis und sahen die im Karree aufgestellten Bürgercorps mit ihren schön uniformierten Musikbanden. Um 10 h erschien – weil Hulin unpässlich ist – der General Clarke, Generalgouverneur von Österreich, in voller Uniform, begleitet von 3 Adjutanten und 12 Bürgern des berittenen Corps, dessen Rittmeister der Kirchenvater Weiß, und dessen Adjustierung kriegerisch, galant und manches nach französischem Schnitt ist. Jetzt mögen es samt Rittmeister, Adjutanten und Trompetern 37 Köpfe sein. Clarkes Uniform war franzblau, der Kragen rot, reich mit Gold bestickt, der Hut war mit ausgezackten goldenen Borten besetzt und mit 3 roten und 1 weiß und blauen Reiherfedern geziert. Um den Leib hatte er eine breite goldene mit Rot eingetragene Schärpe, weiße Beinkleider, Stiefel und schwarze große Stulphandschuhe. Er ritt einen schönen Braunen. Er ritt die ganze Front auf und ab, zur Rechten ritt ihm der bürgerliche Obristwachtmeister Leeb und Oberkämmerer Schwinner, da hielt er still und ließ vor sich alle Corps defilieren. Das Ganze war eine schöne militärische Feierlichkeit. Ich kam mit Rösgen zusammen, plauderte und unterhielt den Weg in die Stadt. Später ging ich mit Therese und Goldmann zum Burgtor hinaus, sahen einen eben angekommenen Transport von Pferden und Wägen, mit einem Convoi von Soldaten. Beim Kärntnertor lenkten wir in die Stadt. Mittags allein, nach Mittag zu Haus und zum Cavriani, der von Preßburg kam. Um 5 h in den Redoutensaal zur 9. Produktion des Bauchredners Thiemet (?), der mich nicht sehr unterhielt, dann in beide Theater. Im Kärntnertor-Theater blieb ich. In der Loge waren Franzosen, worunter ein sehr artiger Dragoner. Therese war zu Hause und bei ihr Beck. Band 05 (V.), Seite 101v
Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.

Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:

  • Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
  • Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
  • Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
  • Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
  • Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.

Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).


(†) Peter Prokop, Wien, im Februar 2016

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