Ich schlief wenig und musste immer husten. Ich befinde mich nicht wohl. Vor 7 h zum Grafen, der heute wieder abreiste. In der Nacht kam der Kaiser von der Armee zurück, morgen erwartet man den russischen Kaiser. Mit der größten Eile muss Gallet das russische Ballett studieren. Mittags allein, nach Tische fuhr ich mit Therese und Goldmann auf’s Platzl wegen Stellung des kleinen Seppel (?) Nach Mittag und abends war ich zu Haus, schrieb meiner Mutter, die uns durch Stessel gedörrtes Obst schickte, schloss ihr den Betrag mit 66 fl. 18x bei und machte ihr mit Zucker, Kaffee und Cichorien-Kaffee zum Namenstag ein Angebinde. Stessel besuchte mich und engagierte mich, morgen mit ihm zu speisen. Er, Goldmann, später Ehlers waren bei mir und so verstrich der Abend angenehm. In der Nacht schneite es heftig und fror auch. Der Morast ist stark und die Wege kaum fahrbar. Therese sang im Burgtheater in „Capricciosa“.
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Heiter, aber gefroren. Ich befinde mich ein wenig besser. Am Vormittag arbeitete ich, nach 12 h in der Nähe der Stephanskirche, fand Compagnie. Stessel holte mich zum Speisen ab, wir aßen im Hotel garni, plauderten vom Krieg, von der Wohltätigkeit, dass die Feinde hierherkommen. Therese speiste mit Mayer und Goldmann, nach Mittag fuhr sie mit Goldmann in den Prater. Abends sang sie im Burgtheater in „Wandernde Komödianten“. Ich schrieb an den Grafen. Neues weiß ich nichts. Eine schauerliche Stille verkündet sicher bald die Wirkung einer großen Begebenheit. Außer Purkersdorf am Riederberg wird ein starker Verhau und Schanzen auf 80 Bataillone aufgeworfen. Dahin sollen unsere Reserven, Rekruten und die letzte Kolonne von 42 (?) Russen kommen, also alles und abermals alles. Wie bestürzt, bleich, mit gesenktem Kopf, die Menschen herumschleichen, wie sie partieenweis zu 3 oder vier zusammenstehen, um zu fragen, forschen, sich zu beraten, wie an Seiten gezankt wird, muss man nur sehen, um sich einen Begriff von der Bestürzung und Verwirrung Wiens zu machen. Therese fuhr nach Tisch mit der Goldmann in den Prater und machte dann Toilette. Ich war mit Seppel (?) im Burgtheater, im Parterre noble, plauderte mit der Gräfin Christalnig. Nach der Oper ins Kärntnertor-Theater „Lorbeerkranz“, fand Compagnie, plauderte mit Till, der eine Kompanie bei Auersperg erhielt. Mayer war im Burgtheater und schlief bei uns.
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Heiter, aber kalt. Früh fuhr ich mit Therese nach Meidling, um von Ehrenfeld (?) die Schafe zu übernehmen, dann zu Keglevich, der von Preßburg kam. Therese war bei ihrer Mutter zu Besuch, bei ihr war Koch und passierte mit ihr die Rolle der Palma. Mittags allein, nach Tische arbeitete ich, ging zu Weidmann, der mich zu sich bitten ließ, um wegen seiner Flucht nach Eisenstadt zu reden. Ich war abends im Kärntnertor-Theater „Barbarei und Größe“, dermaliges Allerseelen-Stück, suchte mir Compagnie. Arnfeld (?) ließ mich durch Eppinger (?) bitten, seine Pferde in unseren Stall stellen zu dürfen. Heute sagt man, die Franzosen wären in Böhmen eingebrochen. Die Rekrutierung wird mit grausamer Strenge betrieben, Wien muss 7500 Mann stellen; unseliger Krieg ! Ich habe Therese immer zu trösten, die Ärmste ist ganz verzagt.
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Nebel, nach Mittag etwas heiter. Früh um 2 h starb mein Freund Johann Beck, Buchhändler im 39. Jahr an Fäulungsfieber. Seine Frau brachte mir diese erschütternde Nachricht. Erst starb ihr ein Mädchen, jetzt ihr Mann und hinterließ sie mit 2 Kindern. Sie bat mich um Rat wegen der Handlung, ich riet ihr, sich an Camesina zu halten, von welchem sie selbe um 20.000 fl. übernahm und erst 6000 fl. abzahlte. Früh war ich bei Keglevich, dann in der Institutssitzung. Therese gratulierte bei Woller, Traun, mittags speiste ich mit ihr. Nach Mittag war ich zu Hause, las und arbeitete. Die kaiserliche Sommer- und Winterreitschule sind voll Bagage und Reisewägen, der Hof gibt das Beispiel zur Flucht. Abends war ich im Burgtheater „Haus zu verkaufen“ und „Organe des Gehirns“. Voll, ich blieb der Compagnie wegen. Therese war allein.
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Heiter. Mangel an Kupfergeld. Vom Magistrat, Wohlleben und Leeb (?) unterzeichnet, Errichtung eines bürgerlichen Cavalleriecorps. Bei Eferding soll eine Attacke vorgegangen sein, die Russen sich tapfer gehalten und mit dem Bajonette grausam gewütet haben. Früh zum Keglevich, dann ins Haus. Die Bestürzung mehrt sich mit jedem Tag. Nie war die Flucht so allgemein. Mit jedem Augenblick sieht man Bagage- und andere Reisewägen. Mittags allein, nur die Goldmann war unsere Gesellschaft. Nach Mittag fuhr ich mit Therese zur Donau. Wir sahen das Bagageführen des Hofes samt allem Appendix, das Einschiffen von Kanonen und Kugeln von allem Kaliber, welche alle Herrschaftspferde teils vor den Stadtgraben, teils ans Neugebäu und Klosterneuburg führen müssen. Der Hof nimmt alles, sogar Wärmschachteln und Stiefelhölzer mit. Es scheint, als ob er nie mehr nach Wien kommen wollte. In der Nacht auf den 2. ist der Gräfin Koháry durch gewaltsamen Einbruch ihr Schmuck, geschätzt auf 60.000 fl. gestohlen worden. Der Ausfindigmacher der Täter selbst erhält 4000 fl. Belohnung. Mittags brachte mir Oeppinger von Arnfeld 3 Bouteiilen Rheinwein, um ihr Silber wegzuschicken. Abends war ich im Burgtheater „Findelkind“ und „Vologesus“. Im Parterre plauderte ich mit Spuler, Preiss und Richart. Beim Ballett war ich auf dem Theater.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).