Vor Mittag trübe, den ganzen Nachmittag und Abend Regen. Reise nach Pohrlitz und Wien. Um 5 h kam Moreau sich zu beurlauben. Er fing gleich von seinem und Bernardis gestrigem Debut an, sagte, es sei ziemlich voll gewesen. Bernardi sei mit dem vollkommensten Beifall vorgerufen worden, hätte eine lange Rede gehalten, welche ich nachtragen werde, samt jener des Moreau. Dann, als Moreau allein vorgerufen wurde, wäre gezischt worden, doch die Klatscher waren stärker und er wurde doch vorgerufen. Krieghammer, Frau, Kathi und Rudolph begleiteten mich nach Pohrlitz. So viel Güte und Freundschaft macht mich bange; es ist außer meinem Wirkungskreise, sie zu erwidern. Wir fuhren über Reigern, einem Markt mit einer Prälatur. Die Kirche ist prächtig. Das Sanktuarium ist später aufgebaut und von Winterhalder, einem Schüler Malberges mit vieler Kunst ausgemalt. Die Kuppeln der Gewölbe sind fresco in älterem Geschmack gemalt. An den Wänden sind Säulen von Gipsmarmor, deren Kapitelle reich vergoldet sind. Am Hochaltar ist die Statue der Muttergottes, so aber auch in einer Seitenkapelle rechts. Der Ort liegt seht tief, meistens im Sumpf und ist vielen Überschwemmungen ausgesetzt. Die Prälatur steht ganz auf Bürsten und ist kaum zur Hälfte ausgebaut. Die schon zum Teil wieder baufälligen Mauern ohne Dachung machen einen widrigen Eindruck. Wir fuhren wieder auf die Straße über Laty, 1. Post und kamen um 10 h vor dem Hause des Straßenkommisärs Posbischel an. Er, ein artiger, einschmeichelnder Mann, empfing uns vor dem Tor. Seine 2. Frau, die unpässlich, lag im Bette; sie raffte sich zusammen und empfing uns ebenfalls. Krieghammer, Rudolf und ich gingen über den Hof durch den Ort, links in eine Au, die meistens, weil der Ort tief und feucht liegt, Felbern, sehr wenig Espen hat. Die Gänge sind angenehm. Wir kamen an 2 alte, starke sehr ehrwürdige Espen, wovon die größere im Durchschnitte wohl 9 Schuh haben mag. Sie sollen ein Alter von 300 Jahren haben. Bei unserer Rückkunft führte uns die gefällige Hausfrau in den großen Obst- und Küchengarten. Wir lagerten uns auf einem Rasenkanapé, sprachen von der Wirtschaft, von dem schweren Stand eines verheirateten Mannes, worüber ich mich durch Spielen mit dem Rudolph beruhigte. Um ½ 1 h speisten wir recht gut. Bei Tische erschien erst die Tochter des Hausherrn 1. Ehe, Nanett, ein häusliches und wie mir scheint, stilles Mädchen von 18 Jahren. Wir sprachen von Wien, von der Jagd, von Rhabarber und ihrer trefflichen Wirkung und drangen so lange in die Hausfrau, bis sie mir eine Dosis einnahm. Mittags trank ich 3 Gläser Wein, die mir sehr wohl bekamen. Den Nachmittag und einen Teil des Abends brachten wir im Garten unter einem Zelte zu, plauderten. Ich las die Inschriften in der Kathi ihrem Stammbuche vor, machte auf die Endverse immer einen Reim, sahen dem Regnen zu, waren auf ihn unwillig, weil er uns die Jagd verdarb, und so wurde es ½ 8 h. Jetzt wurde trotz des Regens auf Posbischels Ziegelofen und die umliegenden Felder Hetzen gefahren. Einen jungen Hasen fing ein Windhund beim Halse, später Endymion beim hinteren Laufe und zerbissen ihn gleich ganz. Mehr bekamen wir nicht. Um 9 h kamen wir ganz durchnässt zurück. Ich schickte gleich wegen dem Landkutscher ins Wirtshaus und war wie vom Donner gerührt, als man mir sagte, er sei noch nicht angekommen. Das Fatale meiner Lage lässt sich nicht unangenehmer denken. Ich war in meiner Meinung so sicher, Freitag früh in Wien zu sein und nun ? Ich könnte den Kerl prügeln sehen. Meine Laune, mein Appetit, mein Schlaf, alles war auf einmal verschwunden. Beim Souper spottete und scherzte man über meine Ängstlichkeit, meine Sehnsucht nach Hause. Wenn sie fühlten, was ich besorge, wenn sie wüssten, dass mich alle Freuden fliehen, sie würden den Gegenstand nicht für so unbedeutend ansehen. Gegen 11 h führte man uns in den 1. Stock in ein großes, amerikanisch ausgemalenes Zimmer, wies es Krieghammer und mir zum Schlafzimmer an. In einem kleinen, weißen Nebenzimmer schliefen die Frau und Kathi, Rudl bei uns auf dem Sopha. Mit dem Licht brennen lassen und Auslöschen gab’s noch lange Komödie; endlich sagte die Frau, das Licht bleibt brennen. Da dachte ich wohl auch an meine Therese und die Nachtlichtgeschichten. Ich schlief wenig. Krieghammer und [ich ?] lagen nebeneinander im Bette auf der Erde.
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Früh in Pohrlitz, Markt, dem Fürsten Dietrichstein gehörig. Ein heiterer, aber kalter Morgen. Um ½ 4 h weckte uns Posbischel zur Jagd auf. Ich entschuldigte mich, dass ich den Landkutscher erwarten müsste und an derlei Unterhaltungen keinen Geschmack finde. Um 6 h fuhren sie weg. Zum Teil beurlaubte ich mich. Ich ging ins Wirtshaus und noch fand ich den Schurken Landkutscher nicht. Ich war sehr aufgebracht. Zu Hause setzte ich mich im amerikanischen Zimmer ans Fenster, welches an der Straße ist, dachte, las, rückte mir einen Tisch zu und schrieb an meinem Tagebuch. Um 8 h bat mich die Nanett zum Frühstück. Sie und ich waren allein, die Mama lag im Nebenzimmer noch im Bett. Wir unterhielten uns von Brünn, ihren Gegenden, dem gesellschaftlichen Leben und dergleichen. Bald war ich wieder auf meinem Zimmer, schrieb, las, dachte bis gegen 11 h, dann ging ich wieder ins Wirtshaus. Der Landkutscher kam eben vors Haus und wollte weiter bis Mariahilf fahren. Dies nahm ich nicht an, und er musste hier mittagmahlen. Ein Kaufmann aus Trübau, ein junger Mann, ein Franzose, schon ältlich und ein Israelite waren meine Reisegesellschaft. Über eine Stunde plauderte ich im Wirtshause mit dem Kaufmann, der mir gefällt. Im Rückwege sah ich die Saliterei an, erkundigte mich nach allem, erfuhr auch, dass das Brünner Magazin den Zentner einfach geläuterten Saliter für 30 ½ fl., den doppelt geläuterten für 33 ½ fl. abnahm, dass der Klafter kurzes, weiches, wirklich sehr mittelmäßiges Holz 7 fl. koste, und dergleichen. Später ging ich auf der Straße unseren Jagdhunden entgegen und wartete sehnlich ihrer Rückkunft, weil unsere Abreise nach Nikolsburg und dann weiter für 2 h bestimmt ist. Weit ging ich ihnen entgegen, sie kamen nicht. Vor dem Hause lagen Gerüstbäume, auf diese setzte ich mich, konnte sie nicht erwarten. Um 1 h rufte mich die Nanett, und bat mich allein zu essen, weil die anderen nicht kämen. Ich nahm es an, um ½ 2 h war ich fertig, da kamen die Krieghammer und die Kathi. Mein Abschied war kurz, nur mein Dank für so viel Güte, Aufopferung und Freundschaft blieb zurück. Ungefähr 100 Schritte außer dem Orte kamen Posbischel und Krieghammer auf dem Feldwege rechts gefahren. Ich winkte ihnen mein Lebewohl und so schied ich von den guten, gefälligen Menschen, die meinem Herzen teuer sind. Wir hatten eine angenehme Fahrt. In Nikolsburg wurde beim Rössel Heu gegeben. Ich plauderte da mit einem Wachtmeister von Kaiser Chevauxlegers, der uns von der starken Desertion bei der Infanterie und Kavallerie erzählte. Abends waren wir in Poysdorf beim Hansel. Der Kaufmann, Franzose und ich soupierten zusammen und schliefen in einem Zimmer. Ich machte mich bald ins Bett, schlief wenig, denn ich war sehr unruhig.
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Reise nach Wien. Um 4 h brachen wir auf, es war kühl. In Gaunersdorf wurde gefrühstückt. Außer Gaunersdorf auf der Hochleiten, auf welcher der Straßensicherheit wegen eine Kavalleriekaserne ist, brach die Sonne hervor und machte einen heissen Tag. Bei dem Feldwirtshaus außer Stammerdorf wurde Heu gegeben. Am Tabor bekamen wir eine Polizei, die uns zur Hauptmaut begleitete, wo wir um 6 h ankamen. Meinen Koffer ließ ich zuerst visitieren, nahm einen Fiaker, träumte mich Therese Armen schon entgegen und fuhr nach Hause. Therese sah mich schon vom Fenster aussteigen; sie erwartete mich schon die ganze Woche. Groß und herzlich war die Freude des Wiedersehens. Ich ließ auspacken, sah den neuen Tisch an, dessen Blatt ganz fleckig ist, worüber ich mich nicht sehr erbaute. Um 8 h gingen Therese und ich zur Woller (?), um ihr von Krieghammer nebst allem Schönen zu sagen, dass sie sie Sonntags beim Neuen Wirtshaus erwarten, und dass sie länger als 3 Tage in Brünn bleiben möchte. Es war niemand zu Hause. Kiepach soupierte mit uns, später kam Schmid. Um 10 h ins Bett und schlief gut.
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In Wien. Ein schwüler Tag. Um 7 h schon zum Grafen, mit welchem ich den ganzen Vormittag beschäftigt war. Wegen Mautsachen war ich beim Giáy, welcher mir sagte, dass das Rote Haus gebaut wird, und dass der Überschlag auf 500.000 fl. ist, und dass ich an Kàrner wegen Quartier schreiben möchte. Mittags allein. Nach Mittags arbeitete ich zu Hause bis 7 h, dann gingen Therese und ich über die Bastei zum Schottentor hinaus zum Lackierer wegen unserem Tisch. Wir sahen die Gerüstbäume zum Bau des Roten Hauses. Beim Burgtor gingen wir herein und nach Hause. Vor 9 h kamen Kiepach, Muchsel, welcher den Oberleutnant Tschischek (?) mitbrachte, und Schmid. Sie machten mir die Surprise und sangen Canons, welche bis ½ 12 h währten.
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Vor Mittag beim Grafen, dann zur Michaelerkirche und Graben, Promenade. Wokurka lud ich abends ins Kärntnertor-Theater „Zauberflöte“. Mittags allein. Nach Mittag schrieb ich Kàrner wegen seinem Quartier und den Bau des Roten Hauses, arbeitete bis 7 h, dann ins Kärntnertor-Theater. Kiepach und Schouppe kamen auch in die Loge. Therese sang vortrefflich. Nach dem Theater ins Bett.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).