Früh war ich beim Grafen, dann in der Theaterkanzlei. Therese hatte Probe von der Kantate wegen morgiger Feierlichkeit des 1000-jährigen abendländischen Kaisertums. Kundmachung an das Publikum wegen Verteidigung der Linie und dass sich der Kaiser an die Spitze der Armee stellt. Mittags waren wir allein, nach Tische besuchten uns Eckhart, die Aubauer Nanett und Barany. Ich schrieb meiner Mutter, schickte ihr Geld und die Kundmachung. Therese kaufte beim Stöckl Haarpuder. Dem Passy, Barany, Eckhart, Klimbke und Bruder gaben wir Billets in die Kantate; die Tschepp (?) schickte um 2 Billetts, ich hatte nur eines, dies schickte ich ihr. Abends waren wir allein. Heute kam die Kundmachung heraus, dass sich der Kaiser an die Spitze der Armee stellen, um Wien zu verteidigen, die Friedensverhandlungen fortzusetzen und so diese heilsame Werk zu Stande bringen. Fiat !
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Christtag. Schrieb Kárner nach Preßburg zum Namensfest. Auf allen Straßen ist es lebhaft. Heute ist das Hauptquartier der ungarischen Insurrektion in Laxenburg. Vor Mittag war ich beim Grafen, dann eine Weile mit Ziegler, Leth (?) und Baumann bei der Michaelskirche. Alle hier Befindlichen sind von ihren Herrn abgefordert und müssen mit den kaiserlichen Jägern Kriegsdienst tun. Polizei-Decret, Erh[ard] Ley, Oberdirektor: alle in Wien nicht geborenen oder überflüssigen Menschen müssen Wien binnen 3 Tagen verlassen. Die Hauptmaut-Brücke wird abgerissen; vor den Linien werden Schanzen aufgeworfen, auf mehreren Plätzen. z. B. Schottenhof, werden Backöfen erbaut. Salzmangel ist zu erwarten, die Feinde haben Gmunden. Flucht von allen Seiten. Nach Preßburg 4 Pferde 100 fl., nach Pest 12 Pferde 900 fl. Therese war vor Mittag bei der Traun und wurde da frisiert. Heute fangen die Bürger schon wieder an Wache zu tun. Mittags aßen wir allein; nach Mittag arbeitete ich. Abends ging ich in die Kantate „Der Kampf um den Frieden" mit der Feierlichkeit des Jahrtages des 1000-jährigen Kaisertums; es war ziemlich voll. Therese sang mit seltener Kunst und erhielt verdienten Beifall. Die Saal gefiel heute ungleich weniger als die vorigen Male; der Schlusschor war von keiner Wirkung. Ich plauderte mit Scheiger, Eckhart, Großbauer (?), Tschepp (?), Wirth. In der Kantate erzählte man sich von einer neuen Niederlage. Nach der Kantate ging’s gleich nach Hause und ins Bett.
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Sehr kotig. Die Königin von Neapel fährt heute mit der Elisabeth nach Brünn; sie hatte 8 Wägen und 64 Pferde. Regierungsbefehl, Mittrowsky, Stadthauptmann: binnen 12 Stunden sind alle Zug- und Reitpferde anzuzeigen; kein Pferd wird mehr weggelassen; des Fürsten Pferde wurden an der Linie nicht passiert und mussten zurück. 10.000 arbeiten an den Schanzen. Des Ehz. Carl Hauptquartier ist in St. Pölten, der Feind streift bei Krems. Alles Holz soll in die Stadt geführt werden. Am Vormittag war ich beim Grafen, in der Theaterkanzlei, wo gekannegiessert wurde. Wolfskron, Schatzmeister packt mit seinen Mädeln die Schatzkammer. Mittags speisten wir allein, nach Mittag arbeitete ich. Abends ging ich ins Kärntnertor-Theater, „Ciabattino“, „Alceste“. Die Insurrektion wird auf Wägen zur Armee geführt, die Flucht mehrt sich stündlich. Die Justiz geht nach Brünn, die Reserven des Banco, ungarische Kanzlei und deutsche Garde nach Pest, die ungarische Garde muss stündlich marschfertig sein. Alle Posten bleiben aus. Auf der Bastei wurden Kanonen aufgeführt, der Garten des Brown, das Gartenhaus, die Stallungen wurden eingerissen. Im Theater war es schon merklich leer; Bestürzung auf allen Gesichtern. Theresen machte ich auf dem Theater einen Besuch, sie sang vortrefflich; man gewohnt beinahe das Seltene der Kunst.
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Sehr kotig. Des Bruders Namenstag. Früh ging ich zum Grafen, dann eine Estaffette expedieren auf die Post. Wir gingen auf die Bastei bei Brown; eben wurden 12pfündige Kanonen aufgeführt; auch sahen wir den Ruin in Browns Garten. Um 9 h kam Ehz. Carl in der Burg an; gleich darauf verbreitete sich die Sage von 30 Tag Waffenstillstand. Des Grafen Bestürzung war so groß, dass er nicht wusste, was er sagte; dringend forderte er mich wieder auf, mit Therese in seine Wohnung zu ziehen, welches ich ihm auch zusagte. Dann ging ich zu Dietrichstein ins Bureau, trug die Institutssachen (?) hinein und brachte dem Wallishauser 7 fl. für 100 zu binden. Den ganzen Morgen und Vormittag ziehen Bauersleute mit Krampen und Schaufeln zum Schanzgraben mitten durch die Stadt und zum Burgtor hinaus. Die Liniengräben werden höher angeworfen und die Schanzgräber um 6000 Köpfe vermehrt. Auf allen Straßen sind außerordentliche Volksmengen zu sehen und alles ist voll mit Wägen. Ich war in der Theaterkanzlei, man hielt eben Leseprobe von Lipperts Stück „Flattersinn und Liebe“; beim Bankl fand mich Therese. Wir gingen zu mehreren in die Burg, hörten nichts als vom Abpacken und vom Waffenstillstand, sahen einige Insurrectionsoffiziers und gingen dann von Mayer und Frankstein begleitet nach Hause. Um 1 h mittags zog ein Regiment der Insurrektions-Infanterie durch die Stadt zum Burgtor hinaus, mitleidenswert sah die Truppe aus. Mittags aßen wir alleine; nach Tische ging ich zum Grafen. Eckhart begleitete mich und wartete meiner beim Garten des Brown, in welchem man 5 Kanonen aufführte. Ich durchschlich den ganzen Garten und sah wegen dieser Pliktrin (?) viel Verwüstung. Ich ging in die Burg und sah da die ganze Bagage des Hofs und die Kästen des Natualienkabinetts aufladen. Den Ehz. Carl sah ich um ½ 5 h ausfahren, das Vivat-Rufen des Volks begleitete ihn bis zum Deutschen Hause, wo er den Maximilian besuchte. Unser Hauptquartier soll heute nach Schönbrunn kommen. Bis 7 h plauderte ich in der Theaterkanzlei, dann ging ich zur Ascher, wo mich Therese erwartete. Die Babett war auch zu Hause; wir plauderten bis ½ 9 h, dann gingen wir nach Hause. Ich las noch die Zeitung, welche von allen Begebenheiten nichts enthielt.
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Früh ging ich zum Quarin, plauderte mit ihm eine Weile, dann zum Grafen, welchen ich jammernd im Bett fand. Bald nach meiner kam Quarin und verschrieb ihm Arznei. Dann Therese mit der Nachricht, dass Klimbke zu ihr kam, gestern um ½ 10 h sei der Friede abgeschlossen worden, publiziert würde er aber vor den Mauern Wiens im Angesichte beider Armeen. Vor Mittag wurde mit der Unterschrift des Grafen Lehrbach der Waffenstillstand von 30 Tagen, samt 15tägiger Aufkündigung von 45 Tagen bekannt gemacht; aus Staatsvorsicht wurde aber verordnet, alle in der Stadt Streitbaren haben sich im Schottenhofe, die von den Vorstädten aber bei ihren Grundrichtern einschreiben zu lassen. Den Schluss macht eine patriotische Aufforderung, alle Gewehre und sonstige Waffen in das bürgerliche Zeughaus gegen Wiedererhaltung nach dem Frieden abzugeben; gewürzt war alles mit schönen Worten und Schmeichelreden. In den Mittagsstunden zog unter Anführung des Palatins die Insurrektion, teils Infanterie, teils Kavallerie, durch die Stadt zum Burgtor hinaus. Nach Mittag war ich beim Grafen. Nach Mittag besuchte uns der Uhrmacher, welchem 4 Soldaten eingelegt sind, und die Tischlerin. Abends ging ich ins Kärntnertor-Theater „Schreiner“ und Terzett. Therese sang auszeichnend schön. Es waren viele Insurrektionsoffiziere im Theater. Heute kamen so viele Ordre und Contreordre bezüglich Packen und Reisen, dass alles in Bestürzung geriet.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).