Strenge Kälte. Gestern fuhr der Graf nach Preßburg und so habe ich heute einen freien Tag. Therese und ich beschlossen heute in die Porzellanfabrik zu gehen und bei der Frau Nannerl zu speisen; wir wollten dazu die Ascher, Neumann und Schüller haben. Um sie einzuladen, ging Therese zu allen diesen. Ich arbeitete indessen zu Hause, machte auch die Strümpfe in Paketchen mit Bändern umwunden ein; vor Mittag schrieb ich einige Knittelverse für Therese, welche ich in die Schuhe zu den Strümpfen und Zuckerwerk legen werde. Ging um 10 h zu Paumgarten, dann zu Brandmayer, wo ich Therese erwartete. Bei Kampf war ich auch und brachte ihm das vollendete Vöslauer Inventarium. Nach 10 h kam Therese mit Schüller, Neumann, Frauen und noch einem Fräule und wir gingen hinaus. Mein erstes Geschäft war für Therese einen Nachttopf zu kaufen. Passy zeigte uns den Dessin von unserem neuen Kaffeeservice, das allen sehr gefiel. Nachher führte uns Passy in der ganzen Fabrik herum. Nach 1 h gingen wir speisen zum Traiteur in der Währingergasse, waren da ziemlich munter. Nach Tische zeigte ich der Gesellschaft das Militär- und Civilkrankenhaus und den Tollhausturm. Im Nachhause gehen war es grimmig kalt. Wir besuchten Schüller, blieben den Abend bis 8 h da, dann gingen wir nach Hause und ins Bett. Die Mutter schickte uns heute einen sehr fetten Indian.
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Strenge Kälte, aber trocken. Therese zog vor dem Erwachen ihren Trauring ab, und legte ihn aus Nachtkastel. Das gute Geschöpf erschrak mächtig, suchte ihn ängstlich, fand ihn aber bald liegen. Früh kam der Schneider und brachte Therese die Beinkleider; da suchte sie vergebens den Manchester vom Beinkleid, diese Unordnung ärgerte mich sehr. Therese ging zur Traun, ich indessen schrieb die Knittelverse ab. Später ging ich ins Bureau, zu Wallishauser, in die Theaterkanzlei, da plauderte ich mit Pfersmann, Klimbke, Mayer und Thaddä Weigl über das Raufen des Katter mit Destefani. Mittags aßen wir allein; mir war nicht ganz wohl. Nach Mittag schrieb ich meiner Mutter und Stessel, von der verlorenen Schlacht bei Salzburg und den 16.000 Mann, die dabei zu Grunde gingen. Therese bekam Besuche von Schüller und Neumann Ich arbeitete bis ½ 7 h und ging dann ins Burgtheater „Tugend in Gefahr“, Schauspiel aus dem Französischen in 5 Akten von Vogel (?). Mich unterhielt es nicht sehr; es hat viel Wahrscheinliches, mehr noch aber Unwahres und erregt oft Langeweile. Als Therese schlief, nahm die Sepherl meine Stiefel, welche ich selbst hinausstellte, vom Fenster herein und legte vier verschiedene Schuhe mit den Strümpfen und Zuckerwerk hinein. Ich las Zeitung bis ½ 12 h und schlief dann erst ein.
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Sehr kalt. Unser Spaß verfehlte seine Wirkung nicht: Als Therese aufwachte, meine Stiefeln vom Fenster weg und etwas anderes sah, was sie nicht ausnehmen konnte, begann der Jux; kurz, als Therese alles sah, hatte sie eine herzliche Freude. Dies lohnte mich königlich. Nach 9 h ging ich zum Grafen, blieb bis 11 h. Dann ging ich in die Redoutensäle, zweite Aufführung der Kantate „Der Kampf um den Frieden“. Plauderte vorher mit dem Kassierer, Schöpfer, Tschepp (?), Scheiger, Passy, Madlen und unterhielt mich so ziemlich. Agnes begleitete Therese. Es war leerer als das erste Mal und gefiel auch weniger. Als ich nach Hause kam, fand ich als Surprise von der Ascher ein niedliches Unterziehwestchen aus englischer Wolle gestrickt, welches mich sehr angenehm überraschte. Mittags speiste Agnes mit uns. Zwischen und nach dem Essen besuchten uns die Herzog Nani und Cipriani. Abends kamen Rahl und Bruckmann, brachten unsere Platte mit 200 Abdrücken. Ich nahm sie samt dem Heinrich der Petrowitz ins Kärntnertor-Theater „Tugend in Gefahr“; meistens plauderte ich. Therese ging zur Ascher und bekam eine Menge Goldigkeiten geliehen.
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Schnee und weniger kalt. Vor Mittag war ich beim Grafen, ging mit ihm Spiegel kaufen, er ließ mich nachher 1 Stunde auf der Straße warten. In der Singerstraße begegnete ich Croll und sah nach 2 Jahren wieder die Reine. Ich freute mich sie zu sprechen, begleitete sie nach Hause, lud sie zu uns ein. Ich trug ihr an, sie morgen abzuholen, zu uns zu führen und sie mit meiner vortrefflichen Therese bekannt zu machen, welches sie auch annahm. Kurz vor meiner kam Therese von der ersten Probe zum „Opferfest“ mit der Schüller und Neumann nach Hause. Ich erzählte ihr alles, auch dass ich die Reine sah. Die Frage, ob ich sie allein besuchen würde, und die erwachte unglückliche Leidenschaft der Eifersucht kränkten uns beide und schufen eine bittere Stunde; doch heiterte ein Strahl von Sonne dies trübe Wölkchen am Ehestandshimmel wieder auf. Mittags waren wir alleine, ebenso abends. Therese arbeitete, ich schrieb, las und legte mich sehr früh ins Bett. Heute kam die Nachricht, dass die Franzosen schon in Linz eingerückt sind.
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Früh schickte der Graf nach Hofe, um zu sehen ob alles schon packe ? Ich ging in die Theaterkanzlei und erfuhr mehr als ich verlangte. Bei Hofe, Albert, Maximilian, Fürsten, überall ist man mit Packen beschäftigt. Wir hielten in der Theaterkanzlei ordentliche Session über die Politik. Der Graf bat mich in seiner Abwesenheit in dessen Wohnung zu bleiben; Moreau nimmt keinen Waffenstillstand an und dringt immer weiter vor. Mittags speisten wir allein; nach Mittag gingen wir auf Einladung des Gewey an die Wien in den Saal zum Gansel um die Optik des Girardoni (?) zu sehen, welche mit vielem KunstFleiß verfertigt ist. Wir unterhielten uns recht angenehm, meistens mit dem Schikaneder. Nach 6 h kamen wir zurück; ich begleitete Therese bis an die Stiege und ging dann zur Reine, um sie abzuholen. Treitscher (?) sah ich nur einen Augenblick und wartete bei Ziegler. Reine blieb bei uns bis nach 8 h. Klimbke kam auch und wir plauderten immer von der Nähe der Franzosen. Ich schrieb heute meiner Mutter um Mehl und Schweinefleisch, und indessen fanden wir bei unserer Nachhausekunft Mehl, einen Schinken und Milchbrot, welches so willkommen ist. Therese hatte heute wieder Probe vom „Opferfest“.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).