In Àcs. Ein warmer Tag, der Sandstaub ist unerträglich. Früh 7 h erhielt ich Briefe von Therese und Ehrimfeld, nebst Aufsatz für Therese, welchen ich mit wenigen Abänderungen gut fand. Darin war die Rede vom Feuer im Burgundischen Kreuz während der Fronleichnamsprozession, von der Verwirrung, Unordnung, von der Ankündigung der neuen Josephstädter Theaterenterprise unter Jos[eph] Huber, von einem Wolkenbruch in Baden und mehr anderem. Ich schrieb dem guten Weibe alles, freute mich besonders über die Zeugnisse Brauns und Salieris. Der Graf fuhr nach Vas, so hatte ich eine Stunde Zeit. Ehrimfelds Aufsatz mit kleinen Zusätzen schloss ich Therese wieder ein. Ich sehne mich sehr nach Wien zurück. Den Vormittag brachte ich in Ruhe und sehr behaglich zu, durchstrich die Schaf- und Pferdeställe, sah die Wolle im Keller, war bei Gittig. Heute schmeckte mir das Essen wieder. Es trübte sich etwas, ich machte Anstalten zur dienstägigen Gesamt-Abreise von Graf, Gräfin, Louis etc. Am Nachmittag Schwemmen der Schafe, Kappen (?) von Koczház in den Lunzen (Lacken) gegen Komorn, oder der sogenannte Donauzunge bei den Weingärten. Erst fuhren wir nach Vas sortieren, dann zur Donau. Spät abends voll Hitze und Staub kamen wir zurück. Ich fuhr noch mit dem Grafen in den Koczhász und Dobsa-Hof.
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In Àcs. Hitze und Staub plagen sehr. Nach 6 h fuhr ich mit dem Bereiter Lefsky in das kaiserliche Militärgestüt auf der Puszta Bábolna, welches von den Franzosen abgebrannt wurde und nun sehr langsam wieder aufgebaut wird. Der Tierarzt Resch führte mich dem Kommandanten und Rittmeister Herklotz auf, welcher mich selbst herumführte, die neuen Ställe, Hengsten u. dgl. zeigte und dann den Befehl gab, dass der Gestütswachtmeister Keller vorreiten und uns zu den Stuten, Hengst- und Stutfohlen und dann zu den Remonten zu führen. Schöne, gesunde, starke Pferde, sie haben vortreffliche Würde. Gegen 10 h kam ich zurück. Nach Mittag wurde die Abreise nach Pest bestimmt, worüber ich Therese schrieb. Der Graf fuhr nach Vas zum Schwemmen, ich arbeitete zu Haus. Nach Mittag vor 4 h fuhren der Graf und ich zur großen Donau. Gittig mit seinem ganzen Kommando warteten unser und es wurden schon in etwa nach meiner Angabe in 2 Haufen 1000 Vaser Jährlinge und zweijährige Mütter zwei Mal geschwemmt. Mit aller Anstrengung dauerte dies 4 Stunden und erst um 9 h kamen wir zurück. Ganz abgebrannt und ermattet gingen wir um 9 h zum Souper. Um 11 h fuhren wir mit Bauernpferden unter Begleitung des Haiducken Kovács über Szöny nach Ofen und Pest. Vor der Brücke von Almássy, nahe der Donau bei der neu anzulegenden Straße stürzte der Wagen in einen Graben von wenigstens 2 Klaftern. Ich flog weit über Gittig hinweg, die Sitztruhen über mich und so lagen wir zwischen Stauden im Sand. Die Pferde liefen mit dem vorderen Gestell davon. Wir kamen außer zerschlagenen Armen und Fuß glücklich davon. Von 12 bis 1 h hatten wir zu tun, bis wir uns in der finsteren Nacht zusammenrafften. Um 7 h frühstückten wir in Csaba, dem Palatin gehörig, um 11 h passierten wir Ofen, kehrten in Pest beim Hatzl-Wirt zum „Paradies“ oder „Zum Weißen Schiff“ ein. Bekamen für 3 f l. 30 x WW ein elendes Zimmer. Ich reinigte mich von dem unglaublichen Staub.
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In Pest. Staub und Hitze martern den Menschen sehr. Großer Markt. Im neuen Theater, von Amann elend gebaut, „Sargino“, die Fischer tritt auf, Exner als Sargino. In Ofen „Verwandtschaften“. Im Pester ehemaligen deutschen Theater ein ungarisches National-Stück. Mein erster Gang war in die Serviten- und in die evangelische Kirche. Letztere gefiel mir recht sehr, sie ist groß und mit edlem Geschmack gebaut und verziert. Vom Marktplatz sah ich die Kaserne, nun Invalidenhaus. Da begegnete ich Tuczek mit seinen Kindern, eine mir sehr willkommene Erscheinung. Er war so gefällig, gleich mein Führer zu sein. Er führte mich in der Stadt herum, fanden am Fenster bei Bodor die Fischer mit Czibulka geb. Menner, Nagy, Offenheimer, besuchten die galante Messe in der schönen Pfarrkirche, sahen an der Donau links das neue Theater, rechts das Kremnitzerische (?), dann auf dem Platz das Urményische Haus. Sprach Baron Lang (?), sah das Salzamt, dann allein zum Speisen ins „Paradies“, teuer, trank eine Schale Kaffee um 4 fl BZ, aber schlecht. Um 3 h holte mich Tuczek wieder ab, wir schlichen in das alte Theater, welches ganz rund und eine türkische Bastion war. Schlechteres lässt sich nicht denken, alles wetteifert, mir etwas besonders Elendes zu zeigen. Ich stieg alles aus; es hat ein Parterre, ganz herum Parterre und im 1. Stock Logen, kleine Fallen, von Brettern ohne Bekleidung zusammengeschlagen, und eine 2. Galerie. Die Bühne ist kleiner und schlechter als die des ehemaligen Josephstädter Theaters. Dies war Ungarns Hauptstadt einziges Theater ! Dann sahen wir in der Nähe an der Donau die imposante schöne griechische Kirche, besuchten einen Advokaten, der Literat (?) und sehr ein artiger Mann ist. Nach 4 h fuhren wir in den Orczy-Garten, Stadtwalderl, zum ungeheuren josephinischen Gebäu, welches ein Achteck mit 4 Eckflügeln und dessen Bestimmung noch heute niemand weiß. Das Hauptgebäude hat 3, die Flügeln 3 Stöcke. Passierten die Marktplätze, fanden, dass alles im Preise fällt, dass wegen Mangel an Geld keine Käufer sind und Handel und Wandel stockt. Wir stiegen auf dem Kohlmarkt beim Hüttentheater ab, sahen Kasperls Lazzi, die verwelkte erste Liebhaberin und eine andere Künstlerin, welche als Türk ihr Unwesen trieb. Den Orczy-Garten fanden wir ganz leer, schöne Anlage, tranken aus dem griechischen Elias-Brunnen, die Teiche, Eremitage, sind angenehme Partien. Das Stadtwaldel ist im Werden, wird seit Jahren erst besucht, ein bequemes Gasthaus mit Salon, noch nicht ganz fertig, ein doppeltes Karussell, eine klein e Insel, um welche eine Wasserfahrt, ein anderes Wirtshaus, Kegelbahn, Schaukeln dienen den Pestern zu Unterkunft, Erholung und Vergnügen. An der Straße sind rechts und links Landhäuschen und Weingärten der Pester Bürger. Dann eilten wir dem neuen Theater zu. Tuczek führte uns zuerst auf die Bühne, fand Holletschek (?), seine Frau – gewesene Dellalena (?), sie wechselte die Abonnementbilletts aus – die Umlauf Lisi, welche den Sänger Hölzl zum Mann hat, in üblen Umständen ist, hörte, dass Pankowsky (?) säuft, spielt und die arme Babette in übelster Lage, einer Bettlerin gleich lebt, dass Platzer mit seiner Frau Sternstein voll Schulden ist und bei den meisten Unzufriedenheit herrscht. Ich ging ins Parterre, alle Galerien, wohin 4 Stiegen führen, jene in die 3. und 4. Galerie glaubt man gar nicht zu erreichen. Der Saal ist unmäßig hoch, die Logen schmal, hoch, weiß gespritzt und rund verschalt. Man sieht und hört auch von der Galerie schlecht. Rückwärts ist die Palatinsloge, von außen mit rotem Samt tapeziert, mit einem großen Nebenzimmer. Mit halben Kosten, Raum könnte es zweckmäßiger gebaut [sein]. Das Ganze hat weder Licht noch Luft. Die Vorhalle reicht durch zwei Stöcke, ist groß und das Beste, die Fassade kleinlich und geschmacklos. Die Bühne ist so breit, dass selbe stets finster bleibt. Die Aufführung der Oper gelang und die Fischer wurde nach dem ersten Akte und am Schlusse vorgerufen und sprach: „Ihr Beifall ist mein größter Stolz“. Während der Oper besuchte ich auch das ungarische Schauspiel, fand selbes gut spielen, nur musste die Rohheit des Publikums auffallen. Im Parterre behielten die meisten ohne Rücksicht ihre Hüte auf, sie saßen auf den Parapets der Logen, zogen sich aus, lehnten sich ganz hervor und betrugen sich äußerst gemein und ungebildet. Bei der Schiffbrücke sah ich die Mauthäuser auf Säulen, wovon jenes links eine Rosoglio-Boutique ist, schlich auf der Promenade herum und sah die vis-á-vis liegende Raizenstadt von Ofen, königliches Schloss, Theater, Sándor’sches Haus usw. Beim 2. Akt war ich bis zum Schluss im Parterre, dann zum „Weißen Schiff“ mit Gittig, Persanter, einem hübschen Mädchen aus Arad und dem Wirt Trost von Nessmühl soupieren. Um 11 h auf den Ball zu den „Sieben Kurfürsten“, ein langer Saal mit Galerie, alt und geschmacklos gemalen, mit ein paar Nebenzimmern, der schönste Saal, in welchem auch die Redouten gegeben werden. Da fand ich den Kaufmann und Seidenfabrikanten Fries, der mir nicht von der Seite ging. Hübsche Mädchen fanden sich ein, meistens aber nur Gesellen (Freudenmädchen). In der Ruhestunde um 12 h spielte der Zigeuner Biháry mit seinen 3 Gesellen Ungarisch und Deutsch, sehr brav. Nach 1 h zu Haus, sehr finstere Nacht, räumten zusammen. Gegen 3 h fing es zu grauen an und wir machten uns auf den Weg. Abwechselnd etwas Regen milderte den Staub und so endigte sich „ein Tag in Ofen und Pest“.
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Rückreise von Pest nach Àcs über Vörösvár, Csaba, Neudorf, Nessmühl, Almás, Szöny, dem Grafen Lamperl Zichy gehörig. Da kamen wir um 12 h an, speisten beim Hofrichter Böly recht gut, ein Rektor von der Nähe war noch da, waren sehr fidel und warteten ein kleines Gewitter ab. Um 4 h waren wir in Ács, nahmen bei Gittig Kaffee und erzählten dem Grafen alles Geschehene. Baron Brudern kam an, mit dem fuhr er nach Vas; so bekam ich Luft, das große Waschen, Umkleiden, die Ruhe behagte mir sehr. Ging im Garten herum, zu Persanter und nach 8 h ins Bett.
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Der Graf reiste mit Gräfin, Louis, Arnold, Lebel nach Preßburg. ich mit Mericzay und Csiba nach Mittag nach Raab, wo wir übernachteten. In der Nacht etwas Regen, am Tage windig und sehr kühl. Früh kam Persanter zum Grafen, wo es feurig herging. Nach 7 h fuhr die Gräfin mit Louis, der Graf fuhr mit Arnold und Lebel. Baron Brudern fuhr mit Gittig bis Vás, wo sie nochmals von den Schafen Valete nahmen. Mericzay und ich arbeiteten am Vormittag an den Konventionen und Ausgleichungen der Leute, ging noch einmal in den Garten, sprach Persanter, Szombathy, Öller, Szélits, die sich alle bei mir empfohlen hatten, speiste bei Gittig und fuhr mit Mericzay um 3 h nach Raab. Baron Brudern, der mit uns speiste, kaufte Widder und Mütter und fuhr nach Pest zurück. Wir fuhren über Köny, waren um 6 h in Raab und stiegen in der Stadt beim Lamm ab, wo wir gut bewohnt waren. Wir gingen in der Stadt herum, sahen den Platz, die abgebrannte bischöfliche Residenz, gingen zum Wassertor an die Donau, endlich zum Theater vor dem Wiener Tor, wo Susky von Wien eben die Maschinerie der Bühne einrichtet, sprachen Kunz, der den „Wald von Hermannstadt“ gibt, sahen das Theater von außen und innen und lachten über die kleine, dickbeleibte Thalia oben über dem Gesimse. Wir blieben nur 2 Akte, es war ziemlich voll, aber nichts Interessantes. Die Besten waren Gade (?) als Elisene, Dobroslavs Schwester, Schack, und Neuwerth als Kovár; Reisinger als Almerich ging mit. Im Theater erstes Parterre zu 24 x, zweites 12 x, 2. Galerie 9 x, von den 6 Logen eine zu 1fl. 30 x. Um 11 h ins Bett.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).