Ein angenehmer Herbsttag. Elisabeth Rooses Sterbetag im 30. Jahr. Früh war im Burgtheater die „Aussteuer“ angeschlagen, im Kärntnertor-Theater „Ostade und Tanzsucht“. Da die Roose in Zügen griff, wurden wegen Kochs plötzlicher Unpässlichkeit die Theater abgeändert, der unglückliche Moreau mit seinem Kommissär Wallmann abgewiesen und „Die Wendungen“ mit der „Gefährlichen Nachbarschaft“ gegeben. Früh arbeitete ich, besorgte einige Geschäfte, fuhr wegen Schirm und Gewehrverschlag zum Reimann, dann auf die Wien zum Weinberg, wo die Roose bei ihrem Vater liegt. Den Schmidt Adam schickte ich hinauf. Er kam mit der Post, dass sie den Brand habe, der TodesSchweiß schon auf ihrer Stirn stünde, dass sie krampfartige Zuckungen habe, die ihr die Finger zusammenziehen, und schwerlich über Mittag ausdauern dürfte. Dies überraschte mich recht sehr, stimmte mich ganz um. Ich schlenderte herum, stand mit Brockmann, Weidmann, Klingmann und Ochsenheimer vor dem Theater auf dem Michaelsplatz, sprachen stets von der Roose. Brockmann erzählte, dass sie schon seit gestern außer sich sei, niemand mehr kenne und öfters in der Phantasie ausgerufen habe: „Tut mir den Schirm weg, dass ich das Kind dort oben sehe, das mir winkt, mich ruft !“ Die Bühne verliert viel und die Kunst einen ihrer Lieblinge. Guldner lieferte bei ihr kein Meisterstück. Frank wurde zum Consilium gerufen, da war aber der Brand schon sehr stark im Anzuge. Mittags allein, nach Tisch schrieb ich an den Grafen. Der Bediente Brauner (?), nachher die Goldmann kamen mit der Nachricht, dass die Roose um 3 h in der Phantasey verschied und dass sich das Blut zur Nase und den Ohren herausdrängt. Sie rief die Namen Walther, Iffland, vorzüglich aber Holbein. Die Bilder ihrer Lieben müssen ihr in der Phantasie vorgeschwebt haben und so schied sie von ihnen. Therese und ich fuhren zum Burgtor hinaus auf die Glacis, sahen in der Roose Sterbezimmer schon die Fenster offen, von da in den Prater bis zum Wasser, dann zu Haus. Ich sah die „Wendungen“, die wohl hübsch geschrieben sind und gut gespielt wurden, mich aber doch langweilten. Ich trennte mich von meiner Compagnie, ging nach Haus und gesellte mich zu Theresens Gesellschaft.
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Ein schöner Tag. Früh schrieb meine Mutter, dass sie sich etwas besser befinde, doch nie wieder aus dem Bett kommen und ihre Sprache erhalten wird. Die gute arme Frau; wie sehr trifft der Schlag mein Herz ! Wir antworteten und schickten ihr Schokolade. Den Vormittag arbeitete ich, ging in die Theaterkasse. Im Burgtheater „Strelitzen“, im Kärntnertor-Theater „Waisenhaus“, Quarin hat die Loge. An der Wien „Eugenie“, Müller Vater tritt als Baron Hartley wieder auf, und seine Schülerin Franzis[ka] Menzel (?) Mit Turnau war ich bei Koch, um die Roose zu sehen. Da sie voll Brandschaum im Gesichte, noch nicht gewaschen ist und am Nachmittag geöffnet wird, wurde sie nicht gezeigt. Hruschka kam auch hinzu. Wir fanden Koch, der im weißen Schlafrock heulend uns empfing und ein wahres Jammerbild ist. Schrecklich ist der Verlust in aller Hinsicht für ihn. Den Peter und die Geissler führte ich mit Therese in den großen Redoutensaal, um Graf Zambeccaris ungeheuren Luftballon zu sehen. Wir fanden Zambeccari, den berüchtigten Schleglhofer (?), welcher den Ballon firnisste und noch ein paar andere Messieurs. Durch Schl[eglhofer], welchen ich auf morgen mit Peter zum Essen lud, ließen wir alles vom Ballon zeigen und erklären, Montgolfier, den Rost, auf dem sie stehen, die Anker, Seil und Kloben zum Herablassen. Wir blieben bei zwei Stunden, dann sie verschwanden. Mittags allein, nach Mittag zu Haus. Schön besuchte uns, später kam Brauner mit dem Partezettel und der Einladung zur Leiche. Im Partezettel ließ Guldner setzen, dass sie an einer Ablagerung der Gicht auf die Brust selig im Herrn entschlafen ist. Sie trat am 28. September 1798 zum ersten Mal als Margareth im Kärntnertor-Theater auf und spielte zum letztenmal im Burgtheater am 19. September im „Testament des Onkels“ mit Iffland die junge Bäuerin Pauline. Sie sollte im Augarten-Konzert am 22. September mit Iffland deklamieren, ging zum Entbinden und Iffland deklamierte allein. Sie wurde am Sonnabend den 24. – vor einem Monat – entbunden, nachdem man ihr mit einer Zange das Kind wegnehmen musste und gleich starb. Ich kam auf dem Bankl mit Weidmann und Collin zusammen und engagierte letzteren, ihn zum Leichenzug zu führen. Therese und ich besuchten Nitschner. Die Alten gingen aus, die junge Frau hatte Gesellschaft, die sahen wir gar nicht, sondern haben uns gleich empfohlen. Wir gingen an die Wien in die Loge. Therese holte die Babett, engagierte die Geissler und Lavotta mit ihrem Mann. Müller wurde mit Klatschen empfangen, hatte schwach memoriert, spielte schwach und verdiente seinen Beifall nur seinen 71 Jahren und der Nachsicht, welche er beim Herausrufen dem erhabenen, verehrungswürdigen Publikum auch vorsagte. Die Menzel ist höchst mittelmäßig, affenartig einstudiert, lässt kein Talent verspüren. Wurde vorgerufen, von Müller vorgeführt und weinte einige gewöhnliche Worte. Das Ganze langweilte sehr. Um aber zuletzt den Jux vollkommen zu machen, wurde auch Grüner als Mylord Clarendon vorgerufen. Therese hatte rasende Kopfschmerzen, konnte das Stück kaum aushalten und in der Nacht heftiges Fieber.
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Ein düsterer, melancholischer Tag, feucht, neblig. Der Elisabeth Roose Begräbnistag im Hause ihres Vaters an der Wien No. 18, nach Mittag 3 ½ h. Früh befand sich Therese besser, ich bin so ruhig. Ich arbeitete, ging in die Theaterkasse, Kanzlei, im Burgtheater „Dorfbarbier“, „Tanzsucht“, im Kärntnertor-Theater „Entführung aus dem Serail“, im Theater an der Wien „Eugenie“. Mit Turnau zum Koch, die Roose zu sehen. Der üble Geruch und das schteckliche Aussehen, welches der Tod dem schönen Weibe gab, veranlassten den Sarg zu schließen und selbe niemand zu zeigen. Erwartete Peter, holten zusammen im Redoutensaal den Schleglhofer zum Speisen ab. Im Redoutensaal verweilten wir bei 2 Stunden, sprachen mit Zambeccari und Schleglhofer und ließen uns den Apparat umständlich erklären. Nach Tische fuhr Therese mit Hocheder und Goldmann, ich holte Collin ab und kamen in dem Augenblick im Sterbehause an, als der Superintendent Wächter am Sarge die Leichenrede hielt. Er sagte nichts Besonderes. Das Bild vom Fallen des Vorhanges, von der Größe ihrer mimischen Darstellung, der Lieblichkeit ihres Tones, und dem unbegreiflichen Schicksal, das so seltene Talente hinwegrafft und der Menschheit ganz unnütze, ja sogar schädliche Geschöpfe erhalten werden; von der Beruhigung, dass mit diesem Leben unser Sein nicht aufhört; von der Gewissheit, dass der Wunsch der ganzen Stadt, ja ganz Deutschlands ihre Erhaltung sei; endlich die Bitte, von der Entschlafenen nur Gutes zu reden, sind die merkwürdigsten Stellen seiner Rede. Vielleicht 150 Wägen nebst einer großen Zahl von Fußgängern begleiteten sie in den Kirchenhof vor der Hudsthurmer Linie, wo ihr Grab dem Löschenkohl zur Linken ist. Ich nahm Hocheder in Schutz und kam gerade neben dem bekümmerten Vater und der Jette zu stehen. Roose war nicht gegenwärtig. Wächter stand auf unserer Seite zur Linken der schon in die Grube versenkten Leiche und malte in seiner Rede das Bild des Herbstes, der allMöglich sterbenden Natur. Er fing an: „Nun so haben wir sie denn bis zur Ruhestätte begleitet, wo die Teure in den Schoss der Erde versenkt wird“ usw. Die Gesellschaft war in tiefer Ttauer und aus allen Augen flossen Tränen um die große Künstlerin. Einige Gedichte wurden verteilt, unter denen eines von Schildbach (?), aber keines ihrer würdig vollendet war. Collin und ich waren fast die letzten an ihrem Grabe und blieben, bis der Hügel vollendet war. Collin wird in die „Vaterländischen Blätter“ einen Aufsatz in Prosa über ihren Tod einrücken lassen. Die Direktion gab 25 fl. Ich suchte Therese zu Haus, fand die Gute noch in Tränen und führte sie mit der Goldmann zu Hocheder, wo Martin war. Ich ging ins Burgtheater. Nach der Oper suchte ich mir Compagnie, um ein Glas Bier zu trinken; dann nach Haus.
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Feucht, neblig. Im Burgtheater „Kurze Ehe“, Lustspiel in 1 Akt, „Wendungen“, Lustspiel in 2 Akten, im Kärntnertor-Theater „Waisenhaus“, Oper von Weigl. Früh arbeitete ich, schrieb an den Grafen, sah bei ihm den Malern und Tapezierern nach, ging in die Theaterkasse. Zum Koch, um zu sehen, wie er sich empfindet. Koch wurde vom Fürst nach Eisenstadt eingeladen. Sprach Huber (?), traf bei der Geissler Peter. Mittags allein, nach Mittag ging Therese zu Reimann, lud ihn für morgen zum Speisen und bestellte einen großen Verschlag in das finstere Gewölbe. Um 4 h holten wir Peter ab und fuhren in den Leichenhof nach Währing, um die Gräber seiner Schwester und Frau zu sehen. Während wir da waren und die übrigen Denkmäler lasen, brachten sie 2 Leichen, eines Hauers und eines pens[ionierten] Leutnants. Abends waren wir zu Haus mit der Umlauf, Hocheder, Bulla, Goldmann und Peter. Stets wurde von der Roose, ihrem hässlichen Aussehen, ihrem Charakter gesprochen; die ohnehin weiche Therese wurde ganz melancholisch. Zum Unglück warf die Goldmann beim Aufstehen den Globus um, welcher einen starken Schlag machte. Darüber erschrak Therese so heftig, dass sie in ein fürchterliches Heulen ausbrach, welche sie gar nicht unterdrücken konnte und sie krampfartig presste. Fast die ganze Nacht brachten wir schlaflos zu. Ihre Phantasie malte ihr lauter Schreckensbilder, die sie quälten und ihr den Schlaf raubten. Heute entwarf ich Petern den Plan zur Abnahme des Kopfes der Roose.
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Wie gestern, nach Mittag heiter. Wir sind beide vom Schrocken und der schlaflosen Nacht sehr matt. Früh arbeitete ich, Therese sang mit der Rothe. Eckhart kam und verschrieb Therese eine stärkende Arznei. Später ging sie zur Terzaga, dann zur Hilger (?) um Schokolade für meine Mutter. Ich in die Theaterkasse; im Burgtheater „Unser Fritz“ und „Zerstörung von Pompejanum“, im Kärntnertor-Theater „Findelkind“, im Theater an der Wien „Cäsar in Pharmacusa“, im Leopoldstädter Theater „Ruthardts Abenteuer“, Oper in 3 Akten, Musik von Franz Teyber, Dekorationsoper ohne allen Sinn. Ich brachte Kridl die Loge im Kärntnertor-Theater. Reimann war unser Gast, dem machte ich auch ein Douceur mit einer Loge im Kärntnertor-Theater. Nach Tische las ich, Therese fuhr mit der Hocheder zum Lusthaus, kam mit der Nagy zusammen, die die Wächter bei sich hatte. Ich bestellte bei Brandl die Schlosserarbeit zu unserem Verschlag, und bei Peter Kaffee. Da erwartete ich Therese und Hocheder. Von da ins Leopoldstädter Theater, nahmen gesperrze Sitze und lachten über den Unsinn, der da vorkam. Die Eigenwahl (?) als Minnesänger sah gut aus und sang auch passabel. Die Bulla wr bei uns und gab dem Peter Haare von der Roose und erzählte Mafficioli von ihrem Tode, dass sie gerade 10 Jahre hier sei und als Margarethe, Elfriede und Sophie in der „Aussteuer“ auftrat.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).