Letzter Tag in Baden. Kalte Winde, höchst unangenehmes Wetter für Badende, es macht auf jeden Menschen den empfindlichsten Eindruck. Therese liegt, hat Hitze, keinen Appetit. Stollhofer kam und fand sie besser, doch muss sie im Bette bleiben. Ich arbeitete, rangierte Verschiedenes, zahlte, bestellte für morgen einen Wagen, suchte Zach und Flad auf, um Abschied zu nehmen. Mittags waren Therese und Nany zu Hause, ich engagierte mich, mit ihnen zu Hause zu speisen, um mehr mit Therese zu sein. Meines Schulkameraden Schuster Einnahme, Schauspiel in 4 Akten von Kreuzer (?) „Rückkehr aus Palästina", die will ich noch besuchen. Bei Filath (?) fand ich den Bruder Bernhard und Woll[er ?] mit seiner Frau, welche eben von Wien kamen. Nany suchte die Fürstin und Effinger (?) auf. Therese schrieb an Weigl, dass sie morgen nicht singen könne, weil sie Fieber habe. Nach Mittag in Scheiners Kaffeehaus, wegen Wagen zu uns, zu Filath. Therese hatte Besuch von Pepi Widemann, die Obers brachte, wofür ihr Therese den Zwirn schenkte, den Nany schickte. Nachher kamen beide Salierischen. Ich ging mit Pepi bis außer dem Doblhoff-Garten, besuchte den Filath, eben waren die Gäste abgereist. Ins Theater, dort traf ich Zach, die Schmirerischen und Barany, die eine Spröde spielte, der ich’s entgelten ließ. Ich langweilte mich, weil ich auch unruhig und um Therese bange war. Nach dem Theater nahm ich von Bekannten Abschied, eilte nach Haus und fand Therese sehr von Kopfschmerzen gequält. Mir ist außerordentlich fatal, zudem machte mir der türkische Marsch viel Verdruss.
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Die ganze Nacht Regen und Sturm, kalt und windig. Rückkehr nach Wien. Therese ist sehr matt und hat noch immer Kopfweh. Wie fatal mir das ist, kann ich nicht sagen. Es wurde gepackt, mit dem Hausherrn gerechnet, bezahlt und um 8 h nach Wien gefahren. Ich fürchte mich und freue mich auf Wien. Therese war auf der Reise ziemlich gut, besonders zuletzt. Sie fühlte sich leichter, der Kopfschmerz ließ nach, nur Halsschmerzen machten sie noch bange. Auf der Straße begegneten uns Artillerietransporte, die nebst dem langsamen Fahren unsere Reise erschwerten. Um 12 h kamen wir an. Es war „Capricciosa“ etc. im Burgtheater angeschlagen, indessen singt Rosel anstatt Therese, welches sie sehr freute. Es wurde ausgepackt, Therese rangierte etwas, dann legte sie sich ins Bett. Jean, Polly und Nina kamen, der gaben wir Kipfel für Oeppinger mit, den wir nach Tische zu Therese bitten ließen. Nany und ich aßen zu Haus. Nach Tisch kaufte ich mir einen Hut, ging in die Theaterkasse, zum Grafen. Abends ins Theater an der Wien „Komödie ohne Titel“, dann zum 2. Mal die Pantomimisten und Gladiateurs aus Paris, eine Pantomime in 3 Akten und Verschiedenes vom Ballett-Corps „Das Mädchen als Husar“, von Gaugibus (?) dem Älteren. Ich sah den Zettel, dass wegen Krankheit der Mad. Gaugibus die „Beiden Füchse“ würden, begab mich also ins Kärntnertor-Theater „Coriolan“. Jean und Nany waren im 5. Stock. Ich plauderte mit Neumann, Kögler (?), einem bekannten Geistichen von der beispiellosen Schlechtigkeit der gestrigen Pantomime, von Auslachen, Auszischen trotz Anwesenheit des Hofes, vom Debüt der Corallischen, der Bertinotti etc. So blieb ich in Compagnie bis zum 4. Akt, dann gleich ins Bett. Therese hat wieder Fieber und heftiges Kopfweh mit Halsschmerzen, Oeppinger schrieb ein Attestat, dass sie nicht singen könnte.
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In Wien. Abwechselnd Regen, böses Wetter. Heute erschoss sich Jakob Osterrieder, Requisitendiener im Burgtheater, 50 Jahre alt, im Gang des 1. Stocks, wo man zur Garderobe kommt. Therese ist besser. Früh zum Grafen, zur Theaterkasse zahlen, da hörte ich von dem Selbstmorde. Bauer und Mohr (?) führten mich in den Gang, ich nahm ein Licht und sah das empörende Spektakel. Es waren eben Polizeikommissär Müller, Chirurg Heckel (?) und mehrere andere da. Das Hirn lag ganz zerstreut in Haufen, der Kopf vollends gespalten, so zugerichtet lag er in offener Weste, ohne Rock. Sein Rock, Hut, lag auf seinem Schreibpult. Es erschütterte so ein Anblick, seine Augen lagen heraus, sein Gesicht war aufgedunsen. Bix (?) trug eben eine lange Pistole weg, durch die er sich mit der rechten Hand mordete. Er war ganz unkenntlich. Mayer arbeitete auf dem Theater, hörte um 9 h den Schuss, ohne etwas zu ahnen. Der Bed[iente ?] Cofler (?) traf den Unglücklichen, als er in sein Kämmerchen um seinen Geldbeutel ging. Braun, Pfersmann, Brockmann, Ziegler alle waren da von da ging ich zu Nitschner und nach Haus. Mit Nany aß ich, Therese lag im Bett. Nina und der Bediente der italienischen Oper kamen, um sich nach Theresens Befinden zu erkundigen, Brizzi kam und besuchte uns. Abends ins Kärntnertor-Theater „Jäger“, Mad. Franziska Koberwein als Oberförsterin. Die Koberwein ist eine alte Frau, die sich selbst überlebte. Sie ist wenig verständlich und konnte nicht gefallen, obwohl sie, wie ich hörte, vorgerufen wurde. Nach dem 2. Akt ins Burgtheater „Apollo als Hirt“, heute sehe ich die Corallischen zum 1. Mal tanzen. Abends war Therese besser. Wallaschek machte uns einen Besuch und erzählte, Jakob wäre gestern bei Braun gewesen, habe ihm sein Elend vorgestellt und um Zulage gebeten, aber keine erhalten; dies erzählte auch Brizzi. Welche Flüche mögen er und Pfersmann auf dem Nacken haben ! Im Kärntnertor-Theater traf ich Compagnie, plauderte mit Rivolla, Traff[ieri ?], Rohrweck etc. Ich befinde mich nicht wohl, habe immer Kopfschmerzen und abwechselnd Hitze und Kälte.
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Abwechselnd Regen und kalter Wind. Therese ist besser und darf heute aufstehen. Früh zum Grafen, der heute die Hofresolution zum bewilligten Gütertausch und den Exzellenz-Titel erhielt, dies sagte er mir gleich beim Eintritt selbst. Ich arbeitete, expedierte Estafetten an Balassa und Mikos, war in der Theaterkasse, ging mit Nadastini, Mohr und Dolleschel in den Gang, wo sich Jakob erschoss, sahen noch an der Wand und Decke das gespritzte Gehirn, auf dem Schreibpult einen feuchten Fleck, wo er geweint haben mag. In der Tür stak eine Kugel und Pflaster. Das Hemd am rechten Arm war ganz verbrannt. Nachher ging ich wieder zum Grafen und eine Weile herum. Bei Brandl speiste ich, Nany beim Uhrmacher. Nach Tische gleich nach Haus. Therese räumte im Sekretär herum, ich schrieb. Abends ins Kärntnertor-Theater „Die Wilden“, nachher ein Divertissement „Die Erkenntlichkeit“ von Gallet, worin DeCaro mit Gioja einen Pas de deux tanzte. Im Parterre fand ich Compagnie, plauschte mit Jaquet, Müller und Weidmann.
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Ein schöner Tag. Vor 7 h zum Grafen, kopierte ihm die Hofresolution wegen Geheimen Rats-Titel und Exzellenz, fuhr wegen Übernahme der Lämmerwolle zur Linie, mit Cnobloch zum Magazin und hatte den ganzen Vormittag zu tun. Mittags allein. Therese befindet sich besser und war ein bisschen spazieren. Nach Tische arbeitete ich, um 5 h überraschte uns Kárner, der eben von Eisenstadt kam. Er blieb eine Weile, ich ging mit ihm spazieren, zum Weinberg an die Wien. Er aß und trank, wir fanden Schikh, Krüger und Mayer. Kárner ging ins Theater an der Wien „Fischermädchen von Neustadt“, ich in die Stadt „Eduard in Schottland“ und „Komödie aus dem Stegreif“. Ich schickte Nany und Jean hinein, weil sie morgen abreist; so sah sie noch ein Spektakel im Burgtheater. Ich suchte mir Compagnie und schlief eine Weile.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).