Kalt, gefroren, abends schneite es. Im Burgtheater „Silb[erne] Hochzeit“, im Kärntnertor-Theater „Tancred“, im Theater an der Wien „Italienerin in Algier“. Den Vormittag beim Grafen, Sestits kam zu ihm. Ich erzählte Sieber den Schreckensfall. Großes Diner, Wohlfarth, sie, Axt, Streitfort, Seitz, Minotti, die Löwe, Molitor und Nichte des Koch, mit der Klingmann. Therese war mit der Assen, ich kam nach. Später kam Carl und sagte, er sei von Preßburg gekommen und bei ihm bei den Zwei Löwen. Er sehne sich, mich zu sehen. Ich führte ihn gleich zu Vesque, bot Carl auf, ihn später zu Stifft, Portenschlag zu führen. Ich eilte in die Apotheke, wieder zu Sieber. Alle freuten sich über seine Rückkunft, nahmen ihn gut auf; Vesque begleitete ihn sogar bis zur Türe. Dies erzählte er nach Mittag der Therese, weil ich bei Koch war. Ich gab ihm einen derben Verweis. Zum Unglück weiß er sein Defizit gar nicht, bis die Rechnungen 1819 und 1820 geschlossen sind. Ich bange sehr für seine Existenz, schwer behauptet er seinen Platz. Abends zu Vladár, dann ins Theater an der Wien, fand Therese mit Assen und die Römer.
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Trüb, kotig. Des Kridl Namens- und Augusts Geburtstag. Fuhr zu Major Carst in den Garten, hörte bei Schenk von Joseph, seinem letzten Brief, von Christophs Selbstmord, der Auslieferung der Gewehre, von 30.000 fl. Münze, welche ihm alles in Gold bezahlt und ersetzt wurde. War bei dem Bildhauer Kiesling, sah des Kaisers kolossale Büste; das Gesicht mit dem Kranze allein ist 7 Schuh, die ganze Büste 19 Schuh, selbe wird in Ernstbrunn auf ein Piedestal von 5 Klaftern auf Kosten des Fürsten Sinzendorf gestellt. Mittags speisten Kárner, Kridl, Koch, Wohlfarth, Axt, Streitfort, Dirzka, Gall, Dräxler, Wille, Gottdank, Forti bei mir. Wir tranken auf Kridls Wohl. Wagner ist provisorischer Direktor, Hauschka arbeitet an der Inventur. Vesque schickte Kridls unseligen Brief an Wrbna nach Laibach; ich bange sehr für ihn. Später zu Lehner, dann zu Wohlfarth, Schattenspiel des Koffler, Gesellschaft von 50 Personen, Koch mit Jette, die Familie Ennöckl, Seitz, Parisot, Minotti, der junge Sieber, Massauer, Müller, Dräxler, vom englischen Gesandten, Glaser. Sah das elende Schattenspiel und war um 10 h schon zu Hause.
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Trüb, kotig. Im Burgtheater Mlle. Pfeiffer aus München in „Mädchen von Marienburg“, im Kärntnertor-Theater „Rotkäppchen“, Im Theater an der Wien „Einsiedler im Lerchenwalde“, aus dem Französischen von Castelli, dann zum 1. Mal „Die Silberschlange“, Pantomime von Horschelt in 2 Akten mit Rossinischer Musik. Den Vormittag beim Grafen, Kridl und Hauschka kamen. Er hat einen Kassendefekt von 60.000 fl.; wie erschrak ich ! Dann brachte ich der Felber Tokajer und Sitze. Kridl, Theodor und Evarist speisten da, bei ihnen ist Konskription. Nach Mittag Zusammentretung mit LaTour, Portenschlag und Hauschka. Des Kridl Aktivstand ist zwar 26.000 fl., aber nicht ein Viertel einbringlich. Wie wird das enden ! Nachher ins Theater an der Wien, Dekorationen von Neefe sehr brav, wenig Maschinerie von Roller, gefiel nicht. Therese, Reimann, Assen, Wohlfarth, sie und Tony waren mit mir im 2. Parterre.
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Gefroren, trüb. Im Burgtheater Mlle. Pfeiffer als „Mohrin“, gab dem Dietschy die Loge, dem Tschepp ein Billett. Im Kärntnertor-Theater „Caliph“, „Opfer der Ceres“, im Theater an der Wien „Silberschlange“, Pantomime von Horschelt; ich gab die sitze dem Schießl und der Richart. Den Vormittag beim Grafen, mit Kridl beschäftigt. Mittags mit Gall allein, den Kaffee trank ich in Schmirers neuem Zimmer, wo nicht geraucht wird. Ließ mich zur Sonntags-Redoute vormerken, sprach Lehner, dann in Gesellschaft. Erhielt eine kleine Brieftasche, weiß, mit einem Schwan genäht, auf der anderen Seite Blumen. Ins Kärntnertor-Theater sehr leer.
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Dichter Nebel. Im Burgtheater „Oheim als Neffe, dann zum 1. Male „Gefallsucht“, Lustspiel in 3 Akten aus dem Französischen, bearbeitet von Costenoble. Im Kärntnertor-Theater „Zauberflöte“, Mlle. Wilh[elmine] Schröder als Pamina, im Theater an der Wien „Der Einsiedler im Lerchenwalde“ und „Silberschlange“; gefiel nicht. Den Vormittag beim Grafen, zum Kridl, sprach wegen seinem Aktivstand; Wagner ist provisorischer Verweser. Mit uns speiste Dräxler. Bei Latour Zusammentretung. Da das Defizit 60.000 fl., seine Aktiven zwar 35.000 fl., aber kaum 6000 fl. einbringlich sind, so glauben wir, für die Kasse nichts, für ihn selbst aber alles zu tun und beschlossen, ihm jährlich 1000 fl. zu versichern. Nach Mittag zu Wertheimer, plauderte bis 6 h Dann zu Wohlfarth, fand Gesellschaft, ins Kärntnertor-Theater, hörte das Duett. Die Schröder gefiel sehr, musste 2 Mal repetieren. Dann ins Burgtheater, die Löwe gefiel sehr, das Stück nicht, am allerwenigsten Koberwein. Zum Schlusse wieder ins Kärntnertor-Theater: die Schröder wurde stürmisch gerufen und dankte mit Verbeugungen. Sie hat eine schöne Stimme und ist eine hübsche Blondine.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).