Die Kälte wächst, so war es im Jänner; es schneit periodenweis. Im Kärntnertor-Theater „Blöder Ritter“, Duports Einnahme; nachher „Ostade“, im Burgtheater „Braut von Messina“, im Theater an der Wien zum ersten Mal „Brandschatzung“, Mlle. Reicherts Versuch als Marie, dann „Taubstumme“, Rüger als L‘ Epée. Früh zum Grafen, in die Theaterkasse, dann suchte ich Sartory wegen Garderobe für Kettel. Uffenheimer zahlte die Lämmerwolle noch nicht, wegen seiner Pfändung zum Schwaiger. Am Vormittag lauter Odiosa. Mein Bruder und der Pepi speisen bei uns. Nach Mittag zur Mirus, sprach wegen Schießl, die wenig Hoffnung hat, da die Saalkammerdiener nicht ersetzt werden. Zum Jahny und der Moser zahlen. Abends ins Kärntnertor-Theater, mein Bruder und sein Schwager begleiteten mich, ich blieb in Compagnie. Das Ballett gefiel, Duport tanzte viel und schön. Therese besorgte für morgen Garderobe für Kettel bei Ehrimfeld.
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Kalt. Im Burgtheater „Bestürmung von Smolensk“, im Kärntnertor-Theater „ Mich[el] Angelo“, dann „Bäcker“, im Theater an der Wien „Kaspar der Thorringer“. Am Vormittag beim Grafen, auf den Kohlmarkt mit Kárner und Anhang, mittags mit Therese bei Rohrweck; bei ihm war der Dechant von St. Peter, dann Enzmann, ein Gutsbesitzer von Mähren, mit Tochter. Dann wegen Zinserhöhung der Terzaghi von 1600 auf 3000 fl. zu ihr. Nach Mittag wurde Billard gespielt, dann zum letzten Mal in Scheurers und Spenglers Optik. Fand gleich Compagnie, Gewey und Fünker (?); dann zum Mohren soupieren. Therese war den Abend zu Haus. Heute abends 6 h starb Franz Brockmann im 67. Jahr an Darmbrand, geboren zu Graz am 30. September 1745.
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Die Kälte nimmt ab, mittags wurde es sehr angenehm. Im Burgtheater „Alte Liebschaften“, „Zerstreute“ und „Besuch“, im ersten und letzten spielt Mad. Brede. Im Kärntnertor-Theater „Samtrock“, dann „Blöder Ritter“ mit Duport. Früh zu Zinnicq, Terzaghi, Hausherrn, Grafen. Mittags mit Lonneux, Ehrimfeld in die Roßau zum Engel. Dort waren heute noch Pechwill, Leeb (?) Expeditor, Kollesch (?), Scheidl (?), Oberdorfer (?), Kridl. Das Essen war schlecht, die Unterhaltung gut. Die Tochter vom Hause – Clair, ein Gänschen ohne Gleichen – hat Witz zum Theater, sang und spielte eine Komödie aus dem Stegreif. Nach Mittag Lizitation bei Janitz, abends ins Burgtheater. Alles trauert über Brockmanns Verlust, der sehr schwer zu ersetzen ist. Er spielte zum letzten Mal im Burgtheater am Mittwoch den 18. Dezember 1811, in den „Beiden Klingsberg“ mit Polawsky von Prag als jungem Klingsberg, obgleich er schon kränklich war, doch so unübertrefflich als je. Polawsky äußerte beim Vorrufen den Wunsch nach Brockmanns langer Erhaltung. Die Regisseurs Koch, Koberwein, Roose und Krüger gaben einen Partezettel, wecher begann: „Brockmann ist nicht mehr“. Dann sagten sie „Die deutsche dramatische Kunst empfing in ihm ihren unerreichten Liebling, er wurde und blieb ihr größter Stolz. Sein Ruhm hat ihn überlebt und wird unvergänglich währen, wie das Andenken seiner Freunde und Kunstgenossen, die ihn als ihren Vater verehrten, als Vorbild schätzten, ihn stets vermissen, stets betrauern werden, und sich der herben Pflicht entledigen, das Hinscheiden des Seligen seinen hinterlassenen Freunden und Gönnern gehorsamst anzuzeigen“. Ich fühle alles so wahr ! Abends war ich zu Hause, arbeitete, um 7 h ins Burgtheater und erhielt von Breuer (?) die Zettel, welche ich im Bureau beim Maurer verteilte.
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Heiter, angenehm.Im Burgtheater „Ehescheue“ und „Entführung“, in beiden spielt Stich von Berlin. Im Kärntnertor-Theater „Uniform“, im Theater an der Wien zum Vorteil der Mad. Campi – als Clorinde – „Aschenbrödel“. Früh zum Grafen, zu Offenheimer, mit Pisling wegen Quartier zu Neuner (?), dann Brockmann anzusehen. Er lag in seinem Schlafzimmer in einer bunt gemalenen Truhe, mit ausgestreckten Händen, im Hemd und Unterkleid. Rechts und links lagen ein paar elende Holzstiche, Marien-Bildnisse. Er sah sich ähnlich, nur sehr gelb. Mittags allein, nach Tische kamen Kárner, Hampel, Schmirer, später Riedl. Mit ihm zu Hitzinger und Fertbauer, dann zu Brockmanns öffentlicher Beisetzung bei den PP. Augustinern, nach Mittag um 4 h. Die Schauspieler vom Hoftheater und viele von der Wien waren da, die meisten schwarz. Mäntel wurden keine ausgeteilt. Die Kirche war voll von Zusehern. Ich ging im Zuge mit Stabl (?). Die ganze Schauspieler-Gesellschaft trägt wegen Brockmann durch 14 Tage Trauerflor. Nachher mit Pisling in Neuners (?) Haus wegen Quartier der Sonnenstein, mit dem Grafen ins Starhembergische Haus und Garten – nunmehr KIeglevich – wegen Stallung für die Schafe, zu Haus, deliberieren. Dann ins Burgtheater, Stich wurde vorgerufen. Während dem Theater soupierte ich in Compagnie und sah die letzten 2 Akte der „Entführung“.
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Trüb. Im Burgtheater „Schachmaschine“, Stich zu letzten Mal als Karl Ruf, Jost von München zum ersten Mal als Graf Balken. Im Kärntnertor-Theater „Milton“, dann „Blöder Ritter“, im Theater an der Wien „Lorbeerkranz“, LaRoche Prinz. Den Vormittag beim Grafen, mit Pisling vergebens wegen Quartier, zur Terzaghi, schloss mit dem neuen Hausherrn zu 3000 fl. Zins ab. Mittags waren Jean und Pepi Gast bei uns, vorher bei Schießl, der sich bessert und dem wir Essen schickten. Dann auf die Bastei, ging mit Hampel, welchen ich samt Petrowitz und der Etzelt zur Optik geladen. Nach Mittag zu Haus, schrieb an meine Mutter, Joseph Reich wegen meiner mechanischen Figuren, arrangierte manches zur Optik. Zum Grafen, Schwaiger, schrieb Mericzay. Dann ins Theater an der Wien, sehr leer, LaRoche und Rüger als Oberst spielten brav. Beim dritten Akt ins Burgtheater. In der Szene zwischen Graf Balken, dessen Bruder und Ruf riss ersterem die Glocke ab und letzterer schoss 2 Pistolen ab. Dies bewirkte Ärgernis jedes Menschen, die Narren (?) zum Klatschen und Lärmen bis zum 4. Akt. Beide wurden vorgerufen; Jost gefiel wenig, und Stich übertrieb.
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Peter Prokop: Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum (ÖNB SN 194- 204) - eine Arbeitstransskription.
Die nachstehende Arbeitstransskription der in der Österreichischen Nationalbibliothek (Sammlung von Handschriften und Alten Drucken) in 11 Manuskriptbänden aufbewahrten Tagebücher des gräflich Esterházyschen Sekretärs Joseph Carl Rosenbaum (1757-1829) wurde vom Autor ursprünglich für private Zwecke als Findhilfe für architekturgeschichtliche Recherchen angefertigt, um das digitale Auffinden von Personen und Zusammenhängen zu erleichtern, die im Zusammenhang mit der Arbeit am „Architektenlexikon Wien 1770-1945“ relevant wurden. Es handelt sich demnach lediglich um eine Findhilfe, keineswegs aber um eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition. Diesem Primärzweck entsprechend, weicht die Transskription vom Originaltext in folgenden Details ab:
Rosenbaums biedermeierliche Schreibweise wurde modernisiert, seine Syntax jedoch weitgehend beibehalten; seine nicht immer eindeutige Interpunktation (mittels Bindestrichen) jedoch durch die heute gebräuchliche ersetzt.
Innerhalb der einzelnen Tageseintragungen wurden die gelegentlich vorkommenden Wiederholungen ein und desselben Sachverhaltes zusammengezogen.
Die von Rosenbaum ausgeschriebenen Wochentagsnamen wurden weggelassen, da mit dem Datum des jeweiligen Tageseintrags redundant. Dieses wurde im Format Jahr / Monat / Tag wiedergegeben. Die Bezeichnungen von Feiertagen wurden beibehalten. •Die ab etwa 1816 stereotyp wiederkehrenden Notizen zum täglichen Wetter und zum jeweiligen Programm der Hoftheater und des Theaters an der Wien wurden an den Beginn des jeweiligen Tageseintrages gerückt.
Bei Personennamen, deren Schreibweise bei Rosenbaum nicht selten variiert, wurde eine einheitliche und möglichst dokumentarisch belegte Schreibweise angewendet.
Fragliche Lesungen von Personen-, Ortsnamen u. dgl. wurden durch nachgestellte Fragezeichen (?) gekennzeichnet, Rosenbaumsche Abkürzungen entweder ausgeschrieben oder ihre wahrscheinliche Ergänzung in eckige Klammern gesetzt. Abgesehen davon wurde auf möglichste inhaltliche Vollständigkeit der Textwiedergabe geachtet. Kleinere Auslassungen und Tippfehler sind bei einer manuellen Eingabe von rund 9 Millionen Zeichen trotz aller Sorgfalt nicht ganz auszuschließen. Wem aber mit der raschen Auffindbarkeit von Personen, Orten, Sachbegriffen etc. gedient ist, ist eingeladen, sich dieser Ressource zu bedienen.
Der Autor ersucht lediglich um Einhaltung der üblichen Zitierungsusancen (siehe obenstehender Titel oder abgekürzt, z B. in Fußnoten Datum des zitierten Eintrages, bzw. bei Einträgen ohne Datum mit Band und pagina).