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1809
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Ein schwüler Tag. Im Kärntnertor-Theater „Matrimonio segreto“, im Theater an der Wien „Strandrecht - Le droit de rivage“ und „Arlequin dans l‘ Île des Amazones“. Um 8 h kamen die Geissler, Peter und Jungmann. Wir fuhren zu der Hundsthurmer Linie, ich stieg aus und übernahm von Jakob Demuth Haydns unschätzbarste Reliquie. Es roch heftig. Als ich den Pack im Wagen hatte, musste ich mich übergeben, der Gestank ergriff mich zu sehr. Wir fuhren ins allgemeine Spital. Ich blieb bei der Sezierung. Der Kopf war schon ganz grün, aber doch noch sehr kennbar. Ewig bleibt mir der Eindruck, welcher dieser Anblick auf mich machte. Eine Stunde dauerte dieselbe; das Gehirn, dessen Masse groß war, roch am entsetzlichsten. Ich hielt aus. Wir fuhren dann in die Wohnung des Totentragers. Peter kaufte sich einen schon gebleichten Kopf und bewunderten den Fleiß und Mazerierung eines weiblichen Skeletts, und ihrer Bleichung. Mit tausend Erinnerungen des Fleißes und der Genauigkeit in Mazerierung und Bleichung dieses Kopfes, dem ich selben nur auf Eckharts Versicherung überließ, fuhren wir in die Stadt. Ich schlenderte herum und hörte nichts, als dass bei Körmend ein Gefecht vorfiel, wobei der Ulan Cavriani mit einer Kartätschenkugel im Halse und der junge Daff (?) mit 5 Hieben im Kopfe tödlich verwundet wurden. Mittags allein, nach Mittag erhielt ich Besuch von der Major Stein, welche mich um Beförderung eines Briefes an ihren Gemahl, oder die Gräfin Pálffy geborene Kolowrat nach Bibersburg, und um Antwort von daher ersuchte, und demjenigen Boten 100 fl. Douceur antrug. Sie erzählte mir aus dem Journal de l’ Empire von Paris, dass die Tiroler in Bayern eingedrungen sind und dass 900 sich eingeschifft und die 230 Wägen mit den Schätzen und den Kunststücken des Königs von Bayern genommen haben, welche mit einer Bedeckung von 150 Mann in die Schweiz gebracht werden sollte, dass sich Schill, der sich als österreichischer, als russischer und als englischer General proklamiert, gegen Westfalen vordringt, sich mit Hessen verband und sich mit General Blücher vereinigte, der von Preussen ausgesandt wurde, um ihn und sein Corps auszuheben. Um 5 h gingen wir mit den Goldmann, Josephine, Therese und Bab[ette], dann Kämpfler (?) zu Peter – „Pierre“, so unpatriotisch nannten ihn die beiden Schwestern. Therese und Bab[ette] blieben bis 7 h, dann über die Bastei nach Hause. Der Prater ist bis zum letzten Kaffeehaus rechts – sie sind alle geschlossen – und links bis zum Feuerwerksplatze für alle offen. Alles geht jetzt auf die Bastei, nur wenige Menschen im Prater und jene nur in die Gegend der Ringelspiele und Wirtshütten. In dem eingefangenenen Platz an der Donau beim Schiffsmagazin laborieren die Franzosen an Munition und Ausbesserung der Artillerie. Alle Tore sind jetzt offen, nur das neue Kärntner-, Schanzel. und Hauptmaut-[tor]nicht. Vor dem ersteren ist ein Teil der Brücke abgebrochen. Heute starb beim Grafen Apponyi der Divisionsgeneral St. Hilaire an seinen Wunden am Fuß. Beauharnais – sein Vater war General und Gemahl der Kaiserin von Frankreich, er wurde in der Revolution guillotiniert – reiste plötzlich vom Herzog Albert, wo er den Abend vorher noch Musik hatte, nach Neustadt ab.
Band 06 (VI.), Seite 226v
04.06.1809
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