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1809
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Fronleichnamstag. Ein heisser Tag, erstickender Staub. Keine Prozession. Um 6 h fing ich zu arbeiten an, schrieb für Niedermayer das Extrablatt von Ofen ab, dem Magistratsrat Huber wegen Obermayer ein kleines Billett ins kleine Waghaus samt Adresse von Grafen, vollendete meinen Brief an den Grafen und gab ihm dem Negri mit. Nach Mittag 5 h Leichenbegängnis des großen, unsterblichen Sängers der „Schöpfung“ und der „Jahreszeiten“ Joseph Haydn. Ziegler besuchte mich mit dem verdienstvollen Artillerie-Major [Name fehlt], welcher die Artillerie auf den Wällen Wiens in den Tagen des 10.und 11. Mai so vortrefflich leitete. Er wünscht mittels Briefen an Ehz. Maximilian und FM Colloredo seine Ranzionierung zu erreichen, um dem Staate wieder nützen zu können. Ich schrieb an Stessel und schloss ihm alle Briefe ein. Alle Theater sind geschlossen. Heute früh und nach Mittag krachte es, aber entfernt, die Schlacht geht zwischen Wien und Preßburg vor. Alle Marschälle und Generäle sind abgereist. Der Prater ist bis zum Feuerwerksplatz offen, von da an stehen französische Vorposten. Mittags bei Brandl. Ich las unseren Tagesbericht von der Schlacht bei Ebersdorf, Ofen, vom 25. Mai und schickte selben zum Niedermayer. Nachmittags um 4 h mit Rodler zum Leichenbegängnis Haydns. Er lag in seinem großen Zimmer schwarz gekleidet, gar nicht entstellt, zu seinen Füßen lagen die sieben Ehrenmedaillen von Paris, Russland, Schweden und die hiesige Bürgermedaille. Klemp, Grundbuchsverwalter in Dornbach ist Executor Testamenti, der Sohn seiner Schwester, Schmiedmeister in Schwechat, Fröhlich, sein Universalerbe. Johann Elsler erbte 6000 fl. und seine älteren Kleider und Wäsche. Nach 5 h wurde Haydn in einem eichenen Sarg in die Gumpendorfer Kirche geführt, da dreimal herumgetragen, eingesegnet und in den Kirchhof vor die Hundsthurmer Linie geführt. Nicht ein Kapellmeister Wiens begleitete seine Leiche. Vom Fürsten waren Grell und Möglich, Pölt, die Stocklass, Defrith und Kerner. Joseph Haydn war im Jahr 1732 den 31. März zu Rohrau in Unter-Österreich, dem Grafen Carl Harrach gehörig, geboren. Nachmittags die 4. Stunde war die Stunde seiner Geburt. Er war Doktor der Tonkunst, Ehrenmitglied des kaiserlich französischen Konservatoriums der Musik – dessen Medaille er dem fürstlichen Majorat vermachte – der königlich schwedischen Akademie, Bürger von Wien und fürstlich Esterházyscher Kapellmeister. Er liegt dem Löschenkohl zur Rechten, an dessen linker Seite die Roose ruht. Nachdem das Grab zugemacht war, sprach ich mit unserem würdigen, von Franzosen ganz ausgeplünderten Jakob Demuth, einem Österreicher, ein etwas beleibter, großer, jovialer Mann, wegen Abnahme dieses in jeder Rücksicht so verehrungswürdigen Kopfes, bestimmte alles genau, nahm die Abrede auf morgen abends, und die Übergabe auf Sonntag früh. Vom Staube, Hitze und der außerordentlichen Weite ganz ermattet, schleppte ich mich noch über die Bastei zum Peter, und erzählte diesem kalten, nur durch manche phantastische Aufwallungen zu bewegenden Menschen, den aber Furcht und Bedenklichkeiten gleich wieder abhalten, den ganzen Hergang. Schwanger mit der Ausführung dieses großen Entwurfes, ermattet von der allzu großen Bewegung, schlief ich sehr wenig. Heute wurde wieder gefochten, man hörte vor und nach Mittag Kanonieren, aber nicht anhaltend. Heute vor Mittag war der von Napoleon ernannte neue Polizeiminister Bacher (?) in der Ratssitzung des Magistrates, fragte nach allen Gegenständen, den Beamten und ging. Er war im braunen Staatskleide mit dem Stern der Ehrenlegion, ist ein hoher, hagerer Mann, mit zusammengeschobenem, fatalen Gesicht; seine Physiognomie verrät Geist. Er ist derselbe, welcher vor mehreren Jahren so viel und so bitter gegen Österreich schrieb. Dieses Mannes Hiersein trübt unser Sein.
Band 06 (VI.), Seite 226r
01.06.1809
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