Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum [4320]

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1809
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Warm, erstickender Staub. Im Kärntnertor-Theater „Taubstumme - L‘ Abbé de l’ Epée“, „Belebtes Gemälde - Le Tableau animé“; im Theater an der Wien „Wladimir, Fürst von Nowgorod - Wladimir, Prince de Nowgorod“, opéra en 3 actes. Früh arbeitete ich, um 9 h zu Reitmayer (?), in unser Haus, setzte die Revision des Inventariums von der Zuckerbäckerei fort. Ging noch einmal zum Magistratsrat Huber, und bat ihn, er möchte wegen dem armen Franz Obermayer dem Grafen selbst schreiben, ich würde den Brief begleiten. Er möchte ihn, damit er sich zeigen kann, entlassen, und verband mich, ihn zur Strafe ins Polizeihaus zu senden, wenn es verlangt würde. Er versprach mir alles. Später besuchte ich Karilla, erhob für Therese die Gage – diesmal noch ganz –, besuchte Brandl. Mittags allein, nach Mittag schrieb ich an den Grafen. Ich sprach Eckhart, Paur, alles ist trostlos, niemand hat vernünftige Gründe eines guten Ausgangs. Nach Mittag kam Schön, die Hauptmann Pehaker (?) und der Zuckerbäcker Obermayer, dem ich mit aller Strenge hernahm und ihm das heiligste Versprechen der Besserung abnahm. Später kam Negri (?), brachte mir unser Extrablatt von Ofen, herausgegeben am 25. Mai, welches ich schnell kopierte, und ein Lamm für 6 fl. 24 x.. Ich führte ihn ins Kärntnertor-Theater und sah eben von Alberts Palais herab Bonapartes Stiefsohn Beauharnais, Vizekönig von Italien, herab nach Ebersdorf fahren. Er wohnt seit 2 Tagen hier. In der Nacht ¼1 h starb in seinem Hause in der Kleinen Steingasse No. 73 der große Haydn Joseph im 78. Jahr an der Entkräftung und wird morgen begraben. Er war 77 Jahre und 61 Tage alt. Früh gegen 6 h starb, nachdem ein Fuß glücklich operiert und abgenommen wurde, am Brand des anderen Schenkels, in Ebersdorf Napoleons Schwager Marschall Lannes. Herzog von Monte[bello]. Napoleon wich nicht von seinem Sterbelager. Er wurde einbalsamiert und wird nach Paris gebracht. Auf der Bastei sprach ich nebst anderen Bekannten den würdigen Magistratsrat Ferdinand Huber, welcher mir für den armen Obermayer einen rührenden Brief an den Grafen gab, dass ich ihn lesen sollte. Er ist ein wahrer Menschenfreund. Ich blieb noch eine Weile in Compagnie und um 9 h nach Haus. Ich dachte Haydns Schicksal nach, wünschte seine Biographie zu lesen, wozu ich mehrere Daten liefern könnte. Er war eines mittellosen Wagners zu Rohrau an der hungarischen Grenze Sohn, kam nach St. Stephan als Sängerknabe, und blieb bis in sein 16. Jahr. In späteren Jahren kam er in fürstlich Esterházysche Dienste nach Esterház, machte nach des Fürsten Nikolaus Tode zwei Reisen nach London, die den wahren Grund zu seinem Ruhme und mäßigen Vermögen legten. Als er starb, war er Doktor der Tonkunst, des französischen Nationalinstituts der Künste und Wissenschaften, der königlich schwedischen und Wiener musikalischen Gesellschaft Mitglied, Bürger von Wien und wirklicher Kapellmeister bei Herrn Niklas Fürsten Esterházy von GalánthaNachtrag: Montag den 30. Oktober 1820: Mittags 2 h ließ Fürst Esterházy Haydns Leichnam im Hundsthurmer Friedhof ausgraben; da fand man selben ohne Kopf, nur die Perücke. Der Fürst, entrüstet über diese Tat, wandte sich gleich an den Polizeiminister Sedlnitzky und alle Naderer wurden in Bewegung gesetzt.
Band 06 (VI.), Seite 225r
31.05.1809
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