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Unerträglicher Staub. Den ganzen Vormittag wurden Verwundete gebracht, die Kapuzinerkirche schnell zu einem Spital umgeschaffen. Das Arbeitshaus musste geleert, und dahin und in das Allgemeine Spital sollen 3000 Verwundete kommen. Im Kärntnertor-Theater „Le Médecin de la Maison“, „Le Tableau animé“, im Theater an der Wien „La Reine du Fer“, im Leopoldstädter Theater „Savoyarden“, „Geister im Wäschekasten“. Das Josephstädter Theater ist seit 14 Tagen ganz geschlossen. Früh arbeitete ich, ging in unser und das fürstliche Haus, später auf den Graben und Kohlmarkt. Mittags allein mit Rosalie. Gestern kam Davoust mit seinem Corps, er ritt gleich durch den Prater und schickte ein paar Regimenter Sukkurs. Die Franzosen forcierten den Übergang bei Ebersdorf und Albern gestern nach Mittag mit den Divisionen Oudinot, Molitor und Boudet, ersterer kam am Fuß verwundet zurück. Es mochten 20.000 Mann gewesen sein. Die Bataille begann unter dem mörderischsten Kanonenfeuer der beiden Seiten. Aspern jenseits der Donau stand gleich in Flammen und leuchtete zu diesem grässlichen Schauspiel. Die Franzosen geben bei diesem forcierten Übergang selbst einen Verlust von 9000 Mann an. Viele Stabsoffiziere blieben oder wurden verwundet. Der General Claparède, welcher bei uns wohnt, ist an der Hand verwundet, sein Adjutant blieb, samt den Ordonnanzen, jener von Sérusier ? wurde schwer verwundet und schrie, solches Morden habe er noch nie erlebt, die Österreicher stehen wie die Mauern und fochten wie die Löwen. Der junge Leidenfrost, Sohn des Wirts vom Jägerhorn und bürgerlicher Kavallerist, begleitete gestern nachmittags eine Depesche zum Napoleon auf’s Schlachtfeld. Sie stürzten oft mit den Pferden, weil die Toten und Verwundeten hoch aufgetürmt waren. Napoleon fanden sie mitten im Gefecht kommandieren, einen Helm mit Bakken auf dem Kopf, eine gewöhnliche, grüne Uniform und Schnürstiefeln. Er hatte ein Pferd unter dem Leib verloren und war von dem außerordentlichen Verlust und dem harten Widerstand in der verdrießlichsten Stimmung. Nachts 2 h begann das Morden wieder, dauerte bis 12 h. Man bemerkte, dass sich das Gefecht vom Ufer der Donau weg bis gegen Aspern hinziehe, und wieder ein Ort brenne. Zur Begrabung der häufigen Toten wurde ein Waffenstillstand auf 4 Stunden abgeschlossen. Um 5 h nach Mittag begann die nämliche Kanonade fast am nämlichen Platz, in eben derselben Entfernung, war durch 2 Stunden ebenso heftig und ließ dann nach. Unaufhörlich fuhren Wägen mit Verwundeten über den Rennweg zum Kärntnertor herein, weil das Stuben-, Schotten- und das neue Kärntnertor noch immer geschlossen sind. In den Vorstädten und auch in der Stadt sind alle Klöster, Spitäler, Magazine und Stiftungen mit Verwundeten überfüllt, selbst in Privathäusern werden sie eingelegt. Mit Grund befürchten die Ärzte eine Epidemie. Ich saß lange bei Browns Haus, beobachtete die Kanonade und war vorher auf den Plätzen der Stadt und machte die Tour von der Burgbastei zum Roten Turm. Mafficioli, Cziskowsky und Wokurka, später Ben (?) sprach ich. Im Prater auf dem höchsten Gipfel des Stuwerschen Feuerwerksgerüstes haben die Franzosen einen Telegraphen errichtet, mittels welchem sie zur Armee, und zum St. Stephansturm, welcher immer besetzt ist, korrespondieren. Im Prater ist das Lager abgebrochen, einige Ringelspiele und Wirtshäuser zwar offen, man sieht aber wenig Menschen. Um ¾ auf 10 h wurden die Stadttore geschlossen, die Brücken aufgezogen und da sehen sie schon niemand mehr auf den Straßen. In aller Hinsicht lebt man hier sehr traurig. Wie sehr sehnte man sich nach so einem rauen Winter auf den holden Frühling, und wer kann sich dessen erfreuen !. Die Garnison ist nicht stark, alle Truppen ziehen sich an der Donau gegen Ungarn hinab. Die jetzigen großen Einquartierungen kommen von Durchmärschen und sind nicht permanent. Wir waren so glücklich, heute mit 10 Mann vom 33. Infanterie-Regiment beschenkt zu werden; sie wurden in das Zimmer zu ebener Erde logiert. Heute erschien von der Regierung eine Kundmachung, dass Ordnung und Ruhe auf das dringendste empfohlen und jede Zusammenrottung verboten sei, dass unerbittliche (?) strenge Strafe die Folge sei. Die Franzosen haben ihre größten Generale verloren, teil sind sie tot, teils verwundet. Dem Marschall Lannes ist der Fuß, Masséna der Arm abgeschossen, Savary (?) tot, Davoust schwer verwundet. Ein anderer General wurde abends in Begleitung von 6 Offizieren hereingebracht. Er ist sehr gefährlich und der Wagen fuhr Schritt für Schritt. Die Brücke wurde von den Unsrigen zerstört, und die Corps, die hinüber, sind abgeschnitten, müssen sich ergeben oder werden gefangen. Napoleon ist in dem geplünderten Ebersdorf, Stadtl Enzersdorf brennt. Hier ist nirgends Platz zum Unterbringen von Verwundeten, es müssen bei 20.000 schon hier liegen. Vor der St. Marxer-Linie ist ein kleines Lager von einigen 1000 Mann, welche auf der Straße 8 Kanonen aufgestellt haben.
Band 06 (VI.), Seite 222v
22.05.1809
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