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Unverträglicher Staub. Von allen Seiten wird von den Brandstätten Schutt abgeworfen. Im Burgtheater „Jugend Heinrichs V.“, dann produziert H[err] Mälz[e]l seinen Trompeter. Im Kärntnertor-Theater „Armand“, im Theater an der Wien „Fanchon“. Früh arbeitete ich, Therese gab ihre Lektionen. Mittags speisten wir mit Karilla bei Peter. Ich begann heute neue Briefe an meine Padronen zu schrieben. Durch Aloys schickte ich Peter Nessmüllner. Napoleons Hauptquartier ist von Purkersdorf nach Schönbrunn verlegt worden. Von Seibersdorf kamen zwei Bauern, welche von Jammer und Elend, Plünderung der herrschaftlichen Kasten, Keller und Viehes die traurigste Schilderung machten. Schön bewirkte durch den V[ize]-Präsidenten der Kammer, Pergen, Cavrianis Schwager, das die Früchte, welche sich vielleicht noch in Waltersdorf finden, die Weine bei 300 Eimer, die 80 Rinder, 1100 Schafe, 600 Lämmer, mittels Sauve Garde nach Wien gebracht, vom Magistrat übernommen und bezahlt werden. Mittags bei Peter, mit Jungmann, Karilla und ihren Mädchen. Nach Tische kam der Ob[er]leutnant Decaen (?) vom 56. Inanterieregiment, Division Boudet (?), Corps des Marechal Masséna, Duc de Rivoli. Therese verlor sich nach 4 h, ich etwas später mit Jungmann und Decaen, Wir zeigten ihm die Stephanskirche, sie besuchten uns, Umlauf und Treitschke gesellten sich dazu, nahmen Rosoglio und gingen, die Stadt zu besuchen. Bei Wassermann kopierte ich die Proklamation Napoleons an die Ungarn, schön in deutscher und französischer Sprache und ungarisch gedruckt: Im kaiserlichen Quartier zu Schönbrunn am 15. Mai 1809. Ungarn ! Der Kaiser von Österreich, ungetreu seinen Traktaten, verkannte die Großmut, mit welcher ich ihn nach drei aufeinanderfolgenden Kriegen, zumal nach jenem von 1805 behandelt hatte. Er hat meine Armeen angegriffen. Ich habe diesen ungerechten Angriffen begegnet. Gott, der Geber des Sieges, der den Undankbaren und Meineidigen straft, ist meinen Waffen günstig gewesen. Ich bin in der Hauptstadt Österreichs eingezogen und stehe an Euren Grenzen. Der Kaiser von Österreich ist es, nicht der König von Ungarn, der mir den Krieg erklärt hat. Nach Euren Konstitutionen konnte er dies nicht ohne Eure Einwilligung tun. Euer System, welches beständig nur defensiv war, und die Massregeln, welche Ihr in Eurem letzten Reichstag genommen habt, haben mir zur Genüge zu erkennen gegeben, dass Euer Wunsch die Beibehaltung es Friedens war. Ungarn, der Augenblick ist gekommen, Eure Unabhängigkeit wieder zu erhalten. Ich biete Euch Frieden an, die unabänderliche Vollständigkeit Eures Gebietes, Eurer Freiheit und Konstitutionen, sie mögen wie sie bis jetzt bestanden, beibehalten, oder durch Euch selbst umdefiniert werden, wenn Ihr es für gut findet, nachdem es der Geist der Zeit oder das Interesse Eurer Mitbürger erheischen. Ich verlange nichts von Euch, ich will Euch nur als eine freie und unabhängige Nation sehen. Eure Vereinigung mit Österreich hat Euer Unglück gemacht. Euer Blut ist geflossen für dasselbe in entfernten Gegenden und eure Hauptinteressen wurden beständig denjenigen seiner Erbstaaten aufgeopfert. Ihr waret der schönste Teil seines Reiches und dennoch wurdet Ihr behandelt wie eine Provinz, welche immer Leidenschaften preisgegeben wurde, die Euch fremd waren.Ihr habt National-Sitten, eine Nationalsprache; ihr rühmt Euch mit Recht uralten und glorreichen Ursprunges. Verschaffet Euch also wieder eine Existenz als Nation ! Seid, was Ihr wart ! Gebt Euch einen König, der Eurer Wahl seine Krone verdanke, der nur für Euch regiere, der unter Euch wohne, und von Euren Bürgern und Soldaten umringt sei. Ungarn ! Dieses ist’s, was Europa von Euch verlangt, welches auf Euch seine Blicke richtet. Das ist alles, was ich von Euch verlange: einen anständigen Frieden, Handlungsverhältnisse mit mir, eine gesicherte Unabhängigkeit. Dieses ist das schöne Los, welches Eurer harret, wenn Ihr Euren Vorfahren und Euer selbst würdig sein wollet. Ihr werdet diese großmütigen Anerbietungen nicht von Euch stossen, und Euer kostbares Blut nicht verschwenden wollen für schwache Fürsten, welche beständig bestochenen Ministern unterworfen waren, denen England sein Geld gab, dieser Feind des festen Landes, welches seinen Reichtum auf seinen Alleinhandel und unsere Zwietracht gegründet hat. Versammelt Euch auf einem National-Reichstage auf dem Felde von Rakos, nach der Art Eurer Vorfahren und gebt mir Euren Entschluss zu erkennen. Napoleon. Auf Befehl des Kaisers, der Fürst von Neuchatel, Major-General der Armee, Alexander. Diese Proklamation gab mir die volle Gewissheit, dass er Österreich von Ungarn trennen wird. Auch meine Existenz ist dahin, dies kümmert mich sehr. Meine Erwartung ist auf’s höchste gespannt, was Ungarn antworten wird. Heute wurde das Hofkommissariat aufgehoben und mittels Platzbefehl des Grafen Andreossi unter seiner Leitung die Regierung eingesetzt. Graf von Bissingen (?) ist Präsident, Reich[ ... ?] Hofkirchen Vizepräsident. Ich arbeitete bis 8 h, kopierte noch einmal die Proklamation, besuchte die Richart wegen Obers und Milch, dann Fleisch. Therese blieb den Abend zu Haus. Bei Richart war eben Lärm wegen Einquartierung. Es kamen ein paar Regimenter Infanterie an, welche sich auf dem Hof im Karree aufstellten und dann in dem Viertel einquartiert wurden. Hillers Hauptquartier ist in Stammersdorf. Heute erhielt die Porzellanfabrik eine Sauve Garde und Tafel, dass selbe kaiserlich französisch sei; traurige, erschütternde Nachrichten !. Um 9 h ins Bett. Mein linker Vorfuss schmerzt mich sehr, aus der kleinen Zehe fließt Blut. Bei Ebersdorf und Schwechat forcierten die Franzosen, auf einem kleinen Arm eine Brücke zu bauen. Nun haben sie die Donau, noch 10 Mal so lang zu passieren.
Band 06 (VI.), Seite 221r
19.05.1809
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