Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum [4303]

4303
1809
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Ein heisser Tag, unerträglicher Staub. Noch brennt es bei Pálffy, Stöger, Trattner und im Judenhaus. Heute ist wieder Theater, vier Tage waren selbe geschlossen. Im Burgtheater „Entführung aus dem Serail - L‘ Enlèvement du Serail“, Karntnertor-Theater geschlossen, im Theater an der Wien „Der lustige Schuster - Le Cordonnier gaillard“, musique de M. Paër, im Leopoldstädter Theater „Schöne Melusine“. Vor Mittag bis 11 h schrieb ich, auch meiner Mutter, dann sprach ich Meitrath (?), schlenderte herum, mittags allein. Daru ist hier, führt die Regierung. Marschall Masséna, Herzog von Rivoli, wohnt bei Lobkowitz, Andreossi, Reichsgraf und Generalgouverneur, erließ mittels Magistratskundmachung den Befehl, Waffen aller Art binnen 6 Stunden in das bürgerl[iche] Zeughaus abzuliefern, bei Strafe des Erschießens. Französisch und deutsch wurde folgender Befehl angeschlagen: „Soldaten ! Ein Monat, nachdem der Feind den Inn überschritten hat, den nämlichen Tag, in der selben Stunde, sind wir in Wien eingezogen. Seine Landwehren, sein Landsturm, seine Wälle, aufgeworfen durch die ohnmächtige Wut der Prinzen des Hauses Lothringen, haben Eure Blicke nicht ausgehalten. Die Prinzen dieses Hauses haben ihre Hauptstadt verlassen, nicht wie Männer von Ehre, welche den Umständen und dem Wechsel des Krieges nachgeben, nein !, wie Meineidige, welche von ihren eigenen Gewissensbissen gejagt werden. Indem sie Wien mit dem Rücken ansehen, spricht sich ihr Abschied an die Einwohner mit Mord und Brand aus. Wie Medea haben sie mit eigenen Händen ihre Kinder ermordet. Soldaten ! Das Volk von Wien ist nach der einstimmigen Aussage der Deputationen seiner Vorstädte, verlassen, hilflos, preisgegeben jeden Ereignissen. Es erhält dadurch auch allen Anspruch auf Eure Schonung. Ich nehme deine gutmütigen Bewohner unter meinen besonderen Schutz. Was die Unruhestifter und Aufwiegler betrifft, diesen soll ihr Lohn nach der strengsten Gerechtigkeit werden. Soldaten ! Lasst uns mitleidig sein gegen die armen Bauern, gegen das gute Volk, das in so mancher Rücksicht unsere Achtung verdient, legt jeden Stolz ab, der sich nur auf neue Siege gründet. Wir wollen in denselben nichts sehen, als den unumstösslichen Beweis der göttlichen Gerechtigkeit, welche den Undank und den Meineid unausbleiblich straft. Im kaiserlichen Quartier zu Schönbrunn, am 13. Mai 1809. Napoleon m p.; auf Befehl des Kaisers der Fürst von Neuchatel, Major-General der Armee, Alexander Berthier m. p. Nach Mittag zu Hause. Ich besuchte Peter, Therese ging mit der Goldmann Josephine zu Reimann, ihnen geschah gar nichts. Auf dem Glacis sind Franzosen gelagert. Peter hatte 3 Offiziere des 56. Regiments, die Czaczek, Geissler mit dem Fiala (?), später Jungmann waren die Gesellschaft. Alles verlor sich nach und nach, und wir Männer waren allein. Die Leopoldstadt strotzt von Franzosen, Bayern und Hessen. Im Prater ist ein großes Lager, alle Hütten und Salettln haben sie, so wie den Circus de Bach aufgesprengt, sich hinein gelagert, viel Möbel und Geschirr zerschlagen, alle Tische, Bänke und Stühle zerschlagen und verbrannt. Die Hirschen schießen sie zusammen. Noch muss man durch den aufgeworfenen Schanzgraben in den so verwüsteten Prater gehen. Beim Lusthaus haben die Franzosen eine Schiffbrükke geschlagen. Auf dem St. Stephansplatz wimmelt es von Franzosen. Es sind schöne Leute, meistens Grenadiers. Sie bivakieren da und benutzen die Kirchentreppen zu ihren Dächern, indem sie selbe über ihre Schranken legen. Musik, Tanz, Essen und Trinken versammelt immer eine Menge Menschen um sie. Dahin musste es kommen ! Unser schönes Wien von unseren Prinzen so ruiniert ! Wie sehr wird unser Wohlstand sinken ! Der heutige Tagesbefehl tat mir sehr weh. Unsere Stunde hat geschlagen. Um 9 h ins Bett; ich fühle mich sehr entkräftet und wirklich lebensmatt.
Band 06 (VI.), Seite 219r
14.05.1809
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