Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum [4301]

4301
1809
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Ein warmer Tag, unmäßiger Staub. Wien kapituliert. Früh und den ganzen Tag freute man sich, seine Bekannten zu finden. Viele Personen wurden beschädigt und getötet, selbst unsere Kanonen richteten viel Unheil an. An Möbeln und sonstigen Schäden litten die meisten unserer Bekannten. Außer einzelnen Plünderungen, Exzessen und dem Schaden von uns, sind die Vorstädte gut davon gekommen. Die Stände, der Fürsterzbischof, der wegen der Spaniengeschichte einen Verweis erhielt, und Max Dietrichstein an der Spitze, der Magistrat und von jedem Bürgercorps einige gingen zum General Andreossi (?) General-Gouverneur von Österreich, welcher im Kaunitz-Garten wohnt, und von da fuhren sie nach Schönbrunn zum Kriegsminister Berthier. Dieser meldete sie beim Napoleon, der eben im Garten frühstückte. Er kam ihnen mehrere Schritte entgegen, empfing sie anfangs sehr gnädig und gewährte ihnen vollkommene Sicherheit der Person und des Eigentums. Übrigens blieben unsere Bürger unter Waffen, die Soldaten, es sind außer Artillerie nur ein paar tausend Rekruten hier, sind kriegsgefangen. Auch von der Landwehr bekamen sie etwas, die meisten machten sich durch Zivilisierung frei, auch vom Militär gelang es vielen. Früh wurden noch von uns die 3 Tabor-Brücken alle, und auf den Grund abgebrannt. Der Erfolg ist klein, denn wir werden selbst sie wieder aufbauen müssen. Mittags wurde nach beschlossener Kapitulation auf der Rotenturm-Bastion die weiße Fahne aufgesteckt. Umlauf, Peter und ich sahen diesem Spektakel zu. In dem Stadtgraben der Hauptmaut ist etwas Wasser, da hinein warf man alle spanischen Geschichten, Korrespondenz des Papstes, alle Lieder Collins, und sonstigen Gelegenheitsschriften, welche ohne so vieles Aufsehen weit besser verbrannt hätten werden können. Der ganze Stadtgraben war übersät, ballenweise wurden sie zugeführt Dann wurden dem Volke alle Artillerie- und alle Munitionskarren und sonstigen Gerätschaften in dem Stadtgraben und auf den Wällen, alles Bauholz von abgerissenen Gebäuden, Hütten und Magazinen, dann auch bei den Toren, endlich die zu den Bastionen die von den Kaufleuten requirierten Baumwollsäcke, wovon einer 6, 7, auch 800 fl. wert sind, preisgegeben, auch alle Armatur- und Monturstücke, deren Quantität sehr bedeutend war. In der Leopoldstadt teilte man ein Salz- und Mehlmagazin unter das Volk. Unerklärbar ist die Schnelligkeit, mit der alles gesammelt, vertragen und verschleppt war. Die elegantesten Menschen nahmen und trugen. Zum Erstaunen war es, wie man Buben und Weiber, große Mauerbänke, Dippelbäume, Artillerielafetten und mehr dergleichen schwere Gegenstände fortschleppen sah. Den ganzen Tag brannte es im Stögerischen, Juden- und Trattnerhaus, beim Pálffy ist gar nicht zu löschen und den ganzen Tag hörte man immer nur kanonieren. Man erzählt sich, Hiller sei geschlagen und Carl abgeschnitten. Dies lässt nichts Gutes mehr erwarten, die Monarchie ist zertrümmert. Früh wurde unter der Unterschrift der Freiherrn von Wöber angeschlagen, dass alle, welche zum Landsturm gestern Waffen erhielten, aufgelöst sind und bis 3 h nach Mittag über schärfste Strafe alle wieder ins bürgerliche Zeughaus abgeben sollen. Dann erschien abends, die Truppen des Kaisers Napoleon werden einrücken; sie sind aber so tapfer im Kriege, als sie menschlich gegen friedliche Einwohner sind, dann, dass Person und Eigentum auf das feierlichste verbürgt sind. Dass man selbe gut bewirten soll, und dergleichen. Mittags allein. Ich wollte von der Angst und den Fatiquen ruhen, konnte aber nicht, sondern die Unruhe und Besorgnis trieb mich den ganzen Tag herum, mit Mafficioli, Peter und Umlauf. Abends trank ich in Compagnie Bier, restaurierte mich zu Hause mit Zunge und Kalbschlegel, und so schlief ich dann ein, aber nicht lange ließ mich der Gedanke des unübersehbaren Elends so vieler Menschen schlafen, denn da die Folgen gar nicht zu berechnen sind.
Band 06 (VI.), Seite 218r
12.05.1809
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