Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum [4300]

4300
1809
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Christi Himmelfahrt. Der Horizont ist nicht ganz rein, doch sehr warm. Den Morgen und Vormittag wurde immer von uns kanoniert, auch in den Vorstädten und nahe an selben wurden einige Schüsse gehört. Früh schrieb ich, auch meinem Grafen. Alle Theater sind geschlossen. Mein erster Gang war zum Burgtheater, da erzählte mir auf dem Bankl Huber, Baron Kienmayer und Hiller erwarte man alle Augenblicke. Sie kamen auch wirklich gleich nach ½ 4 h, Ehz. Carl wäre gestern hier gewesen, und seine Armee käme heute und morgen. Von da auf den Boden des Kärntnertor-Theaters. Leere Glacis, manchmal zeigt sich ein Franzose und gleich wird auf ihn gefeuert. Neue Batterien werden aufgeführt. Heute bekam die Sepherl nur eine Semmel. Heute wurden 3 Zirkulare angeschlagen: eines, um sich ruhig, besonders nachts, im Belagerungszustand zu erhalten, dass alle öffentlichen Gast-, Kaffee- und andere Zusammenkunfts-Häuser um 9 h geschlossen sein müssen; dann dass man sich im Drange der Umstände wegen Brot mit dem Bedarf begnügen und nicht vorkaufen möchte, weil Brot hinlänglich vorhanden und nur eine augenblickliche Stockung entstand, weil die Vorstadt-Bäcker nicht ihre Läden versehen konnten; endlich, dass alle, welche gestern Waffen ergriffen, sich nach Mittag 2 h zur Einteilung und Bestimmung ihrer Plätze im Augarten einfinden sollten. Mit Haim und Stabl zur Hauptmaut-Brücke, Roten Turm. Am Lichtensteg wurden gerade wieder Kühe geschlachtet. Mittags allein. Unterm Essen wurde von der Kärntner-, Burg- und Schottenbastei auf die kaiserlichen Ställe – aus deren 2. Stock schossen die Franzosen eine Kanone auf unsere Burg und zündeten einen Wollsack an – und in die Glacis und Roveranigasse fürchterlich mit wenig Pausen gefeuert, und auch Bomben geworfen. Eine Bombe zerplatzte am Stallgebäude und schleuderte Stücke auf den Burg- und Josephsplatz, wovon sich der Architekt Pichl ein Stück aufbewahrte. Die kaiserlichen Ställe und der Gardehof, in welchen man vermutet, dass die Franzosen Batterien errichten, sind sehr beschädigt. Ich ging mit Mahr (?) auf den Burgboden und sah diesem grässlichen Schauspiel zu. Ein herzerhebender Anblick war es, als FML Baron Kienmayer um ¾ 4 h mit seinen Grenadieren in die Burg zog, Die Bürger, Landwehr und ein Regiment Infanterie paradierte. Alle Trommeln wurden gerührt, ein allgemeines Vivat-Rufen übertönte den Donner der Kanonen. Er ritt auf die Bastei und zum Maximilian ins Kriegsgebäude. Heute Nacht wird es heiß hergehen. Man hofft auf einen Ausfall und Gefecht in den Vorstädten. Bei Therese dann den Nachmittag die Goldmann und Rosalie. Abends marschierte alles Militär außer den Rekruten wieder zum Tabor hinaus. Ich schlenderte unruhig in der Stadt herum, war beim Wiesinger, die mich unbedingt beim Souper haben wollten, blieb aber nicht. Ging um 9 h nach Haus um etwas zu essen, da begann das fürchterlich grässliche Schauspiel. Es war kaum ¼ nach 9 h, so fingen die Franzosen aus 6 Haubitzen hinter den kaiserlichen Ställen auf der Anhöhe unter den Bäumen die Bombardierung an und feuerten heftig bis 12 h, dann weniger bis 3 h. Es fing zu dämmern an und sie hörten auf. Unsere Batterien feuerten sehr wenig, denn sie konnten nicht wirken, die Franzosen waren von den Gebäuden geschützt. Der Schaden ist außerordentlich. Die ersten Haubitzen zündeten gleich das Stögerische, ehemals Pilatische Haus, das Trattnerische, Schlossergassel, Kromsische (?) Kaffeehaus, die Brandstatt, dem Mafio(?) gehörig, und das Haus eines Juden hinter der Säule an, später Puchbergs Hotel garni, später alle Häuser in unserer Gasse, wovon am Kaisersteinischen das Dach abbrannte. Schrecklich waren all die Brände zu sehen. Am meisten litt das Johann Pálffy’sche Haus in der Wallnerstraße, welches ganz abbrannte, und rückwärts gar durch 2 Stöcke durchbrannte, dann das Stögerische Haus, wo der arme Rohrweck wohnt, der auf dem Boden und in den Zimmern des 4. Stocks sein ganzes Warenlager hatte und alles einbrannte. Um 12 h machten vom äußeren Burgtor ein paar Kompanien unserer großen Landwehr einen Ausfall, wurden aber nicht unterstützt. Trieben die Franzosen bis in die Breite Gasse des Spittelberges, mussten dann rückkehren. Die Franzosen wagten sich in der Nacht mit Kavalleriegeschütz bis an die Tore, um selbe einzuschießen, wurden aber versprengt. In dieser Nacht geschah viel Unglück; die arme Stadt litt sehr, weil niemand darauf vorbereitet war, niemand sich dieses Unglück dachte. In ganzen Straßen blieb kein Fenster ganz, kein Haus unbeschädigt. Fensterstöcke, Dachfenster, Stücke von Gesimsen liegen auf der Straße. Man kann vor Glasscherben gar nicht gehen. Bei uns waren alle wie sinnlos und flüchteten sich in den Keller; da lernte ich erst unsere Parteien kennen: Frau v. Hemberg (?), mit Hr. v. Werner, Hr. v. Gorgos (?), Sekretär bei einem Harrach, mit seiner ältlichen Gattin, die sich den 2. Mann nahm, die Schneider (?), ein Schauer (?) mit 2 Kindern, eine alte und eine junge Jungfer bei Hemberg, dann war im äuseren Keller das ganze Dienstpersonale des Hauses. Der Jammer, das Winseln und Geschrei vom ganzen Hause war beispiellos und würde auch den gefasstesten Mann erschüttert haben. Ich hatte nichts als meinen leichten Schlafrock, es fror mich, ich ging in unsere Wohnung um Hut und Nachtleibl, und nahm meine Uhr mit, weil niemand eine Uhr hatte. Da fand ich schon Malter und einen großen Mauerziegel auf unserem Gang. Ich konnte schwer unsere Türe öffnen. Mit tausend Trostgründen und Erzählungen suchte ich die jammernde Schar von Zeit zu Zeit etwas zu beruhigen. Oft wurde unser Haustor von Bürgerpatrouillen angeschlagen und zum Feuerlöschen aufgefordert. Ich ging von Zeit zu Zeit auf die Straße, den Graben, um nachzusehen, wie weit diese verheerenden Flammen greifen und wie unser Haus zu retten sei. Im 5. Stock schlief der Schneider und sein Geselle, von Mattigkeit und Wein benebelt; beim Feuerlärm erwachte er doch. Ich nahm alle Leute zusammen, um Wasser zu tragen, ließ die Frauen Leitern und Hacken hinaufziehen und so wurde unser Haus erhalten. Wunderbar ist es auf dem Graben zwischen dem Trattnerhof und dem Judenhaus, erhielt sich das alte Raabische Haus, mit Schindeln gedeckt, worin die Hocheder wohnt. So wurde denn diese Schreckensnacht überstanden. Um 3 h räumten wie erst, durch andere verleitet, in der Furcht einer künftigen noch schrecklicheren Nacht Wäsche, Kleider und Betten in den Keller. Ich protestierte gegen diese unnütze Vorsicht, ließ es aber doch geschehen. Mafficioli war bei seiner Mutter, kam um 3 h nach Haus. Ich machte im Keller Toilette und ging mit ihm durch die ganze Stadt, um alle Gräuel der Verwüstung zu sehen. Die Franzosen forcierten in der Nacht im Prater den Übergang über die Donau; ein Bataillon Landwehr stellte man ihnen ohne Unterstützung, ohne Kanonen entgegen. Um 11 h ritt der Maximilian mit Suite in den Prater, ließ selbe warten und er flüchtete über die Brücken. Der Graf Chotek reiste ab und Freiherr Jakob v. Wöber wurde provisorischer Hof-Kommissär.
Band 06 (VI.), Seite 217r
11.05.1809
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