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1808
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Ein heiterer, aber kalter Tag. Erste Redoute zum Vorteil der Arzt-Witwen. Im Burgtheater „Wald bei Hermannstadt“, im Kärntnertor-Theater „Gutherziger Alter“ und „Achilles“. Am heutigen 6. November, am Tage unseres feierlichen actus spielen beide, Roose im Burgtheater den jungen Siebenbürger Bauern und Koch im Kärntnertor-Theater. Früh ruhte ich im richtigen Sinne des Wortes, denn die ganze Woche schlief ich sehr wenig. Bange Sorge, Gefahren mancher Art, Furcht vor Misslingen beunruhigten mich stets und machten mich zu nicht vollkommen tüchtig. Am Vormittag arbeitete ich, schrieb Nitschner ein Promemoria an den Fürsten um Preiserhöhung. Therese trug es ins Gewölb, besuchte Hocheder und Goldmann und erinnerte beide, dass sie bei dieser Trauerhandlung schwarz erscheinen möchten. Therese speiste allein, ich suchte gegen 12 h auf dem Michaelsplatz Peter, Jungmann und den Arzt Weiß auf, und speisten zusammen bei Peter. Therese erzählte, dass sich die Hocheder sehr entsetzte; gestern ließ sich die Heldin nichts merken; dass sie nicht schlafen konnte, Rooses Gesicht ihr immer erschien und ihr ihr Gang ganz deutlich wurde. Sie wünscht, dass den Kopf niemand sieht, weil es ein schrecklicher Anblick ist, einen schon 13 Tage toten, und 11 Tage begrabenen Kopf einer Freundin zu sehen. Ich muss gestehen, dass ich über den herzhaften Hinblick dieser weiblichen Heldin staunte. An der Michaelskirche erfuhr ich, dass Anton Baumann der Ältere heute früh ½ 8 h im 51. Jahre an der Herz- und Brustwassersucht verstorben sei. Für Hensler ist der Verlust so groß, so unersetzlich, wie R[ooses] Verlust für die Hoftheater. Alle Travestien liegen. Mittags machte ich den Vorschlag des Kultus bei dieser Feierlichkeit, und er wurde ganz angenommen. Noch unterm Essen kamen Therese und Goldmann, letztere wollte den Kopf sehen. Die Entstellung war schon zu groß, wir konnten ihn nicht mehr zeigen. Beide gingen in den Prater und wir zur Mazeration. Alle Begriffe übersteigt der Gestank, den wir duldeten und bewundern mussten wir den jungen Mann – Weiß, ein Preusse – wie geschickt, schnell er alles abschnitt und diesen grässlichen Gestank ertrug. Wir räucheren so stark, dass W[eiss] im ganzen Gesichte schwarz wurde. Nur mit geistigen Tüchern den Mund verbunden konnte die Manipulation fortgesetzt und vollendet werden; sie dauerte 5/4 Stunden. Den übelsten Geruch machte das ganz in Fäulung übergegangene Gehirn beim Außtechen. Nach 5 h kamen Hocheder, Geissler, Therese, Goldmann und etwas früher Ullmann. Wir zeigten ihnen die Urne, in welche die edelsten Überreste gelegt und dann der Erde übergeben wurden, gruben selbe des schrecklichen Geruches wegen gleich ein und stellten auf den Platz eine Spritiuslampe und vor selbe eine Rauchpfanne. Vor 6 h waren wir mit dem ganzen Apparat fertig, und der Kopf in frisches Kalkwasser gelegt, von mir in den Garten getragen und von Jungmann angegossen. Peter schraubte sich ganz ab und beschäftigte sich immer nur mit Graben. Im ganzen Garten roch es, wir machten unaufhörlich Rauchen und zündeten eine große Quantität Tabak an. Im Tempel, wo alles geschah, wurden alle Türen aufgemacht und mit Geist bespritzt. Ich holte die Damen, führte sie in den Tempel. Die 4 Damen saßen, wir 4 standen und Peter hielt eine Rede, die er sich ausbat, sagte aber nichts. Dann führte ich Hocheder auf den Platz, wo die teuren Überreste nahe eines Zwetschgenbaumes und der Blumenstelle zur Rechten begraben sind, gab ihr die Spiritusfackel, ersuchte sie, die Lampe anzuzünden, 3 Mal Rauchwerk in die Pfanne zu werfen, um die Stelle herumzugehen, 3 Mal die Totenfackel zu schwingen und so den Manen ihrer verklärten Freundin, ihrer angenehmen Reisegefährtin das letzte Opfer, die letzte Huldigung zu bringen. Ihr folgten alle Übrigen und taten das Nämliche. Es war ein schauerlich feierlicher Actus. Der Abend war heiter, der Mond schien, drang durch die nahen Pappeln und beschattete gerade diese ehrwürdige Stelle, welche mit einem dauernden Monumente geehrt wird. Nach dieser vollendeten Trauerhandlung führte ich die Geissler und Goldmann Jos[epha] in die Grotte und zeigte ihnen den vom Fleisch entblössten Kopf. Hocheder und Therese blieben zurück. Weiß gab gleich wieder den Kopf ins Kalkwasser, damit dieses die noch vorhandenen Fleischteile abbeize. Den übrigen Abend blieben wir beisammen, wünschten uns Werlen, der vom Quartette noch fehlte. Wir bedauerten, dass er in Feldsberg schmachten muss. Mit Peter wollten wir einen Spaß machen und ihn zum Deklamieren bringen, aber weil wir ihn wegen seiner Rede so schimpften, war er nicht dazu zu bewegen. Um 9 h führten wir die Hocheder nach Hause, die Goldmann schlief bei ihr. Wir wiegten uns gleich in Morpheus' Arme. Sehr ruhig bin ich jetzt, dass dies große, in aller Hinsicht gefahrvolle Werk vollbracht ist.
Band 06 (VI.), Seite 183v
06.11.1808
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