Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum [3056]

3056
1805
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Strenge Kälte. Früh schrieb ich, ging aus. Im Burgtheater „Klara von Hoheneichen“, im Kärntnertor-Theater „Muta“ und „Vologesus“. Mittags zu Haus. Therese und ich machten eine Promenade auf den Graben. Um ½ 12 h trugen ein Regiment Garden 20 bis 30 eroberte russische und kaiserlich österreichische Fahnen wehend durch die Stadt. Später brachte man ungefähr 150 österreichische und russische Gefangene vom Burgtor in die Kriegskanzlei. Ich schlich in Compagnie herum, Czermak begleitete mich. öcker erzählte mir von dem gestrigen Konzert bei Napoleon in Schönbrunn. Beiläufig um ½ 8 h erschien Napoleon in einer schmal gestickten Uniform, mit dem Stern der Ehrenlegion, in Stiefeln. Seine Figur klein, etwas leibig, sein Gesicht schwarz, braungelb schattiert, ein paar Brillant-Augen drangen jedem in die tiefsten Falten des Inneren; seinen Kopf deckten schwarze, struppige Haare. Ihm folgte Murat, und umgeben war er von ungefähr 30 Generalen, Ministern, Adjutanten, Kammerherrn in scharlachrot mit Gold gestickter Uniform und gepuderten Haaren, alle in Gala. Er kam schnell durch eine Reihe von Zimmern in jenes, wo Musik gehalten wurde, fragte Crescentini, ob er in Rom gesungen ?, und den Cherubini, ob die Madame Campi eine Italienerin sei ? Sonst sprach er mit niemandem etwas. Er setzte sich auf den für ihn bestimmten Armsessel, unter welchem ein Teppich aufbereitet war, ließ alle Lichter im Salettl bis auf jene an den Musikpulten auslöschen, und saß mit dem Avis in der Hand von den aufzuführenden Stücken – es wurden 6 Stücke aus den Opern „Romeo und Julia“, und „Giulio Sabino“ aufgeführt – durch nicht eine volle Stunde, als die Musik währte, in wie unbeweglich mit einer sehr ernsten, düsteren, fast möchte man sagen trotzigen Miene. Ein einziges Mal sprach er mit Murat, der zwei Schritte hinter ihm zur Rechten stand, ein paar Worte, und äußerte auch nicht die geringste Spur von Gefallen und Missfallen während der Musik. Die Begleitung stand hinter ihm im halben Rund in orientalisch despotischer Stille, keiner sprach zum anderen auch nur eine Silbe. Als die Musik geendigt, lief er mit Dupplier-Schritten davon, ohne auch einen Wink über etwas zu geben, und entließ das Orchester ohne Beifall, ohne Belohnung. Letztere dürfte noch folgen. In Schönbrunn ist er sehr schwer zu sehen, nach Wien kommt er gar nicht. Schwerlich werden wir ihn im Theater erblicken. Als ich mit Therese nach Mittag ausging, fand ich das Patent wegen Kontribution vom 14. Dezember mit der Unterschrift des Wrbna angeschlagen. Schrecklich und negierend waren die Äußerungen des Publikums über diese unverhältnismäßige und schnell zu erlegende Brandschatzung, und doch wahr, sehr gegründet. Ich sehe die Möglichkeit nicht ein, wie der Beamte, die arme Witwe, die wegen altem Bestand große Quartiere haben, augenblicklich den halben Jahreszins erlegen kann, und fühle mich mit den meisten tief gekränkt, dass unser Landeskomissär sagen kann: „Wenn dieses Darlehen nicht alsogleich erlegt wird, es mit französischer Militärexekution eingetrieben und die für jeden festgesetzte Summe noch zur Strafe erhöht werden soll“. Die Hauseigentümer zahlen die einjährige Steuer, aber so auch die Besitzer von Dominikal-Renten oder Gülten. Die Ausnahme des Reichshofrats und Kanzlei ist höchst unbillig. Ich schrieb gleich dem Grafen und schickte ihm und Keglevich das unmenschliche Patent. Abends war ich im Burgtheater, ziemlich voll. Therese war zu Hause.
Band 05 (V.), Seite 107r
15.12.1805
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