Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum [3030]

3030
1805
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Heiter. Quarins Geburtstagsfeier. Therese war bei ihm, Weigl und der Barany gratulieren. Ich schrieb, war mit einem Brief bei Terzaga, antwortete dem Grafen und fand beim Ausgehen folgendes höchst überraschendes Manifest angeschlagen: „Auszug aus den Aufsätzen des Staatssekretariats, gegeben im Palaste zu Schönbrunn am 15. November 1805. Wir Napoleon, Kaiser der Franzosen und König von Italien haben beschlossen und verordnen wie folgt – hier folgt die Einteilung der Regierungsgeschäfte und Beamten im Kriege –: Der Divisionsgeneral Clarke ist zum Generalgouverneur, und der Staatsrat Daru zum Generalintendanten von Österreich ernannt, und wohnen in Wien.“ Unterschrieben ist Napoleon, auf Befehl des Kaisers B. Hugues Maret mp, Staatssekretär. Diese neue Regierung, der alle Länderstellen, Bürgermeister, Polizei etc. untergeordnet sind, verursachte eine traurige, sehr nachdenkensvolle Stimmung im Volk. R[udolph] Graf von Wrbna warnt auf’s Neue das Publikum vor allen Unbesonnenheiten, Bewegungen und Unordnungen und legt ihnen die Folgen ihres traurigen Schicksals ans Herz. Vor Tische hatte ich noch wegen Einquartierung in des Grafen Wohnung zu laufen, sprach auch mit Kunz, um die Last auf den Hausherrn Gontard zu wälzen. Mittags allein, nach Tische schrieb ich an den Grafen weiter, auch an Keglevich, Origoni brachte mir einen Einschluss. Abends sang Therese im Burgtheater „Capricciosa“, die Loge gab ich an Kunz; im Kärntnertor-Theater „Puls“ und „Seehafen“ (?) Heute wurde ein 3. Extrablatt ausgegeben, von der Gefangennahme und Ermordung von 5000 Russen, der Verweigerung der Kapitulation durch Napoleon. Manche Sachen widersprechen sich in den 3 Blättern und verlieren so das Gepräge der Authentizität. Um 5 h ging ich herum, traf Cleynmann, ging mit ihm in die Burg. Da brachte man eben bei 200 russische Gefangene ein, die erbarmungswürdig aussehen. Sie konnten sich kaum fortschleppen, hinkten, waren ohne Montur, in Kitteln, und umringten uns bettelnd. Staatsminister Talleyrand wohnt mit seinem Gefolge in der Burg. Jenes und die Zurückgebliebenen des Napoleon machen eine außerordentliche Suite. Zum Frühstück allein brauchen sie täglich – ohne Karbonaden, Rostbraten etc. – 200 Bratwürste. Man sagt, Talleyrand sei für den Frieden gestimmt und vermag sehr viel. Heute haben die Franzosen die städtischen und Staatskassen übernommen, und werden jetzt von den Franzosen verwaltet. Die Bürger haben alle Wachtposten an den Stadttoren und Linien verloren, und Franzosen sie allein besetzt; eine Folge der sonntägigen Zusammenrottungen. In den kaiserlichen Reitställen und auf dem Josephsplatz kampieren die Franzosen und brennen große Wachtfeuer. Sie liegen und stehen herum, als ob sie mitten unterm freien Felde wären. Was geht jetzt in Wien alles vor ! Abends 7 h, als ich in Compagnie herumging, marschierten 2 Regimenter Infanterie beim Roten Turm durch die Stadt, beim Kärntnertor hinaus. Die meisten trugen freie Lichter, teils in der Hand, teils auf die Musketen gesteckt, und so zogen sie durch. Später war ich in beiden Theatern. Im Kärntnertor-Theater war es sehr leer. Beim Grafen ist seit 4 Stunden der Kriegskommissar Ferro einquartiert, von der Division des Marschalls Mortier, die am 11. November zwischen Krems und Stein von den Russen sehr gelitten hat.
Band 05 (V.), Seite 100r
19.11.1805
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