Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum [3029]

3029
1805
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Kalt, trüb. Früh schrieb ich, ging aus und forschte nach dem Vorgefallenen, las die Theaterzettel. Im Burgtheater „Podestà“, im Kärntnertor-Theater „Schloss Limburg“, dann zum 1. Mal „Seehafen“ (?) Divertissement von Gallet. Therese passierte mit Koch die Rolle von „Palma“. Nach 11 h ging ich in die Generalprobe vom neuen Ballett, die mich nicht empfing (?) Ich blieb bis 12 h, holte Therese ab und wir gingen zum Burgtor hinaus über die Glacis, wo ein ganzer Artilleriepark steht, teil unsrige, teils französische Kanonen. Im Stadtgraben werden Kanonen auf Lafetten gesetzt; damit niemand hinabsehen kann, stehen alle 100 Schritte Wachen. Heute marschiert wieder Militär bei allen Toren aus und ein. Wegen des gestrigen Alarms ist von R[udolph] Grafen Wrbna eine Kundmachung angeschlagen, die ungefähr so anfängt: „Als die kaiserlich französischen Posten abgelöst wurden und es manche für kaiserlich russische Truppen ansahen, entstand ein Gerücht, als ob in der Nähe der Donaubrücken ein Gefecht vorgefallen wäre. Dies verursachte Auflauf und Unordnung. Man warnt also jedermann, ja Ordnung und Ruhe zu handhaben, weil beim zweiten solchen Fall ganz sicher noch mehr französische Truppen in die Stadt verlegt würden“. Dann erschien ein Armee -Befehl für den Platz Wien, deutsch und französisch, vom Platzkommandanten General Hulin, dass man vernommen habe, dass mehrere in den Wirtshäusern Anweisungen, statt barem Gelde gäben. Solche, die wahrscheinlich keinen Rang in der Armee haben, sollen sowohl von französischen Soldaten, als auch von Bürgermilizen verhaftet und vor ihn gebracht werden. Auch soll allen Viktualien-Fuhren, und Leuten, welche selbe bringen, jeder mögliche Vorschub geleistet werden. Heute erschien auch ein französisches Extrablatt, das erste seit der Entstehung Wiens; erstens ein Waffenstillstand mit den Russen, geschehen zu Hollabrunn am 16. November 1805 zwischen Bolliard, Chef des großen Generalstabes und Generaladjutant Wintzingerode; zweitens Gefangennehmung der Kolonne des Generalmajors Hillinger auf den Anhöhen von St. Leonhard, von 5000 Mann, 70 Offiziers, einem Brigadier, Major, Obersten und 80 Pferden. Die Kapitulation geschah am 2. November 1805 im französischen Hauptquartier zu Montebello in Italien. Mittags allein, nach Mittag arbeitete ich, sah wieder Truppenmärsche. Abends ins Kärntnertor-Theater, ziemlich voll. Der Ballett schlüpfte durch, machte aber samt den Nationaltänzen kein Glück. Heute ist ein Verbot angeheftet, dass die französischen Offiziers und niemand ohne Geschäfte auf’s Theater darf, das sie fast bestürmten. Im 3. Stock las ich ein 2. Extrablatt über den Verlust von 191 Kanonen, Eroberung Tirols, Flucht des Ehz. Johann in das Gebirge und Retirade des Ehz. Carl. in Italien. Schrecklicher Velust, alles ist verloren, wenn es sich bestätigt. Auch ist hierin die Neutralität Ungarns durch General Pálffy geschlossen.
Band 05 (V.), Seite 99v
18.11.1805
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