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1805
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Sehr kalt, aber trocken. Um 5 h schon stund ich auf, um in mein Tagebuch, und Stessel einen langen, langen Brief zu schreiben. Um 7 h sind alle Bürgercorps vom Platz-Kommandierenden en parade auf die Glacis beordert. Der kaiserlich-königliche Befehlshaber der Garde zu Fuß, General Hulin, gab hierzu die Ordre. Es waren das Bürgerrregiment, die Schützen, Artillerie, die Bildenden Künste, die sogenannten Decreter mit blauen Aufschlägen und Kragen, und die Musterkarte. Magistratsrat Leeb als Oberstleutnant kommandierte selbe. Sie standen bei Schneestürmen bis 12 h, endlich kam der Befehl, sie sollten nun einrücken, es kämen weder Napoleon noch Hulin. Sie froren 5 Stunden, 2 Stunden war ich selbst mit Rohrweck und Giáy da. In Stockerau erhielten die Franzosen unser großes Ökonomie-Depot mit so viel 1000 Paar Stiefeln, Schuhen, Monturen, Wäsche, Helmen etc. Unaufhörlich ziehen durch die Stadt starke Patrouillen zu Pferd und zu Fuß. Die Truppenmärsche dauern noch immer fort. Am Spitz vor der letzten Tabor-Brücke warfen die Franzosen Schanzen auf und setzten Palisaden. Das Corps von Merveldt soll im Gebirg bei Mariazell geschlagen und ganz aufgerieben worden sein. Die Russen haben Melk geplündert und Langenlois angezunden. Vom Übergang der Franzosen über die Taborbrücken am Mittwoch muss ich noch nachtragen: Sie fanden den Liniengatter am Tabor geschlossen, ihre Zimmerleute hauten ihn auf. Auf der Brücke standen 2 Kavalleristen von uns, diese schossen ihre Pistolen in die Luft, zum Zeichen, dass hier die Grenze der Neutralität sei und sprengten davon. So nahmen sie ungehindert von den Brücken Besitz. Gestern Abend kam ein französischer Infanterist auf die Windmühl zum Lamm, forderte Essen, Trinken und Quartier, und als im dies in Fülle gereicht wurde, auch ein Mensch zur zeitlichen Freude. Dies konnte nicht gleich herbeigeschafft werden; also ergriff er die Wirtin und als sie ihm entwischte, schoss er eine Pistole nach ihr ab, verfehlte sie aber und die Kugel fuhr durch die Zimmertüre durch. Er wurde gleich arretiert. Der kaiserlich-königliche General Hulin erließ eine Kundmachung, dass binnen 24 Stunden alle hier befindlichen Fremden ihm angezeigt, und ohne seine Erlaubnis niemand aufgenommen werden soll. Niemand von den Truppen darf in seinem Quartier länger bleiben, als seine Anweisung lautet. Alle sollen, was immer sie kaufen, gleich bar bezahlen. Ich sah heute mehrere von der kaiserlich-königlichen Suite, sie sind dunkelgrün gekleidet und mit goldenen Tressen bordiert. Die Stände und der Magistrat waren in der Burg im Ratssaal versammelt und warteten Sr. Kaiserlich-königlichen Majestät. Bis ½ 3 h schrieb ich an den Grafen und Stessel und schickte den Laufer Stephan weg. Mittags allein, nach Mittag schrieb ich wieder und ging herum. Therese hatte Probe von „Palma“. Nach Mittag ging sie mit Goldmann zur Edmunda Bulla gratulieren, gestern war sie bei Traun. Abends im Burgtheater „Wandernde Komödianten“,“Apollo als Hirt“, im Kärntnertor-Theater „Gartenmauer“ und „Taubstumme“. Se. kaiserlich-königliche Majestät Napoleon sind um 2 h von Mameluken begleitet durch die Stadt gefahren, um bei der Armee jenseits der Donau zu sein, da sich die Russen in großer Menge sammeln. Man sagt, sie waren schon in Korneuburg. In diesen Tagen wird wohl wieder eine blutige Schlacht vor sich gehen. Dem Kaiser folgten seine Garderegimenter durch die Tuchlauben, und mehrere Regimenter Kavallerie und Infanterie über den Graben zur Donau-Armee. Sie hatten ihre Kanonen, Bagage und trieben sogar Ochsen mit. Selbst seine Garden zu Pferd und die Kanonen, welche am Burgplatz standen, mussten eilig aufbrechen. Viele im Publikum machten die Bemerkung, bestimmt hätten sie einige Regimenter, sowohl Kavallerie als auch Infanterie, schon zweimal durch die Stadt marschieren sehen, weil sie die Offiziere davon kannten. So suchen die Franzosen die Wiener durch Menge zu täuschen. Auf dem Burgplatz beim Wegführen der Kanonen und Abmarsch der reitenden Artillerie und Garden kam ich mit Immler (?), Michel und Rohrweck wieder zusammen. Alles freute sich schon im Stillen des Sieges der Russen, welche die Franzosen fürchten, da sie keinen Pardon geben, und in der letzten Affäre einen Obersten beim Arsch gespießt in ihr Lager trugen. Sie sind sehr grausam. Auch glaubt man, Kaiser Alexander sei bei der Armee. Im Burgtheater hörte ich, Napoleon erwarte hier den Kurfürsten von Bayern, um ihm provisorisch die Regierung zu übergeben, auch will er unseren Kaiser hier haben, hier soll er öffentlich den Frieden unterschreiben, die Stände ihn garantieren, dass er die deutsche Kaiserkrone abschwören und mit Frankreich gegen Russland eine Offensiv- und Defensivallianz schließen. Auch soll Polen wiederhergestellt werden, darum sei der Zweck der Franzosen, jetzt nach Polen zu gehen. Österreich bis an die Enns, Salzburg, Eichstätt, Venedig und die militärische Position von Tirol soll abgetreten werden. In beiden Theatern leer, besonders im Kärntnertor-Theater, da blieb ich der Compagnie wegen.
Band 05 (V.), Seite 98v
16.11.1805
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