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Sehr kalt. Noch weiß man vom Einzug der Franzosen nichts. In beiden Hoftheatern sind heute die Preise der Plätze ausgesetzt. Im Burgtheater zum 1. Mal „Neugierige Frau“, Lustspiel in 3 Akten aus dem Italienischen von Schid (?), nachher „Der gutherzige Alte“, im Kärntnertor-Theater „Das zweite Kapitel“ und „Savoyarden“. Die Loge gab ich in Camesinas Handlung. Früh arbeitete ich, ging ins Haus zum Grafen. Therese hatte Probe von „Palma“. Mittags allein. Ich wollte mehrere Briefe schreiben, aber alle Kommunikation ist gesperrt, wir sind ganz abgeschnitten. Um ½ 12 h strömte eine Menge Menschen zum Burgtor herein und alles rief „Die Franzosen kommen !". Wirklich erfolgte der Einmarsch und zugleich Durchzug, denn der größte Teil, fast alle Kavallerie marschierte am Spitz über die Brücke, welche man nicht abbrennen durfte. Kavallerie, die wirklich manche Judenbärte hatten, begann den Zug. Ihre ersten Kanonen waren kaiserlich österreichische. Beinahe in der Mitte des Zuges ritt Prinz Murat, von Generalen umgeben, ein großer, starker, stattlicher Mann. Er dankte dem grüssenden Publikum, begleitete das Corps bis zum Spitz und logierte dann im Palais des Herzogs Albert ein. Der Durchzug dauerte bis abends 8 h. Das 64. Infanterieregiment machte auf dem Burgplatz halt und wollte da einlogiert sein, dies setzte den Wachtkommandanten Kumpfhofer und den etwas betrunkenen Burginspektor in große Verlegenheit. Ich kam mit Goldhann (?) dazu und persuadierte ihn, zum Landeskommissär Wrbna zu gehen, und so wurden sie in der Getreidemarkt-Kaserne einquartiert. Ihre Kürassiers mit spiegelndem Brust- und Rückenharnisch, ihre Grenadiers zu Pferde wie auch manche Kompanien von anderen, wie auch die Chasseurs mit ihren menschenerschreckenden Backenbärten sind schöne Truppen. Ihre Infanterie ist sehr verlumpt, haben keine egale Adjustierung, einer Hut, andere Kasketl, Csako, einer Seidenbinde, der andere Musselintuch; Stiefel, Schuhe, Zischmen, Patschen, leinerne Tücher, manchesterne Beinkleider, alles sieht man durcheinander. Die Kavallerie und Infanterie hat kleine Fahnen, oben mit Adlern von Bronze, der aber von vielen fehlt. Sehr verwildert sieht die Truppe aus, sie kommen meistens von Boulogne und haben seit Braunau keinen Rasttag mehr gehabt. Ihr Tross, das Reiten der Weiber mit den Kindern, das muntere, degagierte in ihrem ganzen Betragen erregt Staunen. Sie trugen Brot und Fleisch auf Gewehren und Stangen mit. Sie wurden fast nach jedem Regiment geführt. Beim ersten Zug ging ich in Compagnie herum, plauderte mit Giáy und Wallaschek, später mit Therese und Laucher und nach Mittag beinahe 2 Stunden mit Therese und den beiden Goldmann. Sonnleithner erzählte mir, der Bürgermeister Wohlleben in Uniform und der Magistratsrat Heiss (?) übergaben inner dem Burgtor dem Murat auf einem Kissen die Schlüssel der Stadt, welcher selbe nahm und dem Bürgermeister einige Worte sagte. Die kämen vermutlich nach Paris, wenn sie selber genommen hätte. Sehr ernst und nachdenkend machte mich diese Feierlichkeit, dieser Einzug. So weit musste es mit uns kommen; unseliger Krieg ! Vor einem Monat träumte noch beim Laxenburger Fest niemand davon. Cavriani sagte, Napoleon befahl dem General Sabatier gestern, heute in Preßburg einzurücken, es koste, was es wolle. Welche Bestürzung und Verwirrung wird da herrschen ! Von unserer Armee weiß man gar nichts; sie hat sich weit vom Spitz zurückgezogen, denn die Franzosen sind Herrn der ganzen Gegend. In beiden Theatern waren einige Offiziere, sonst leer. Ich ennuyierte mich im Stück ganz unmenschlich, ich kenne nichts Langweiligeres als die „Neugierige Ehefrau“. Therese war den Abend allein zu Haus.
Band 05 (V.), Seite 97r
13.11.1805
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