Die Tagebücher des Joseph Carl Rosenbaum [283]

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1798
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Christi Himmelfahrt; ein schöner, heiterer Morgen. Um ¼ auf 5 h stand ich auf und machte mich zur Landreise fertig. Meine Gesellschaft, Herr v. Senestri (?), sein Schwager Kollmann (?) und Klimbke versprachen, punkt 5 h bei mir zu sein und waren um ½ 6 h noch nicht hier. Es ist sehr unangenehm, einen so schönen Morgen verlieren zu müssen; ich bin darüber umso mehr verdrießlich, weil ich sie so sehr bat, die Stunde zu halten. Etwas vor 6 h kamen sie; etwas Slivovitza, dann fuhren wir durch Döbling, Grinzing auf den Cobenzlberg. Einmal verfuhren wir uns und verloren eine halbe Stunde. Auf dem Cobenzl gingen wir in den Garten, besuchten einige schöne Plätze, mit prächtigen Aussichten, frühstückten und machten uns auf den Weg zum Kahlen- und Leopoldsberg. Wir ergötzten uns an den malerisch schönen Aussichten über Wien, Donau, die Orte Klosterneuburg, Kritzendorf – wo das Aufgebot war – Langenzersdorf, Korneuburg, Klein Maria Taferl, Bisamberg und das ganze Marchfeld. Ich wäre so selig unterhalten gewesen, wenn nicht sehnsuchtsvolle Erinnerungen und herzliche Wünsche nicht noch etwas wünschen übrig gelassen hätten. Wir sahen auf den Bergen die verschiedenen Landhäuser an, besonders gefiel mir ein ganz auf türkische Art möbliertes Zimmer, wo die Möbel aus sehr schönen weichen türkischen Stoffen sind, des Prinzen de Ligne auf dem Leopoldsberg. Kollmann schäkerte da ein Weilchen mit des Wirts Therese, weswegen und wegen beispiellosem Heroismus des Aufgebots er manche Anspielung hören musste. Mit vielen Umwegen und auf einem sicher gesperrt gewesenem Wege kamen wir um ½ 2 h mittags zurück auf den Cobenzl, aßen da recht gut und besuchten nach Tisch das Gütchen des Barons Braun am Himmel, welches uns ausnehmend gefiel: die romantisch schöne Lage, das ausgesprochen geschmackvoll möblierte Landhaus mit der Aufschrift auf der Fassade „Ein mäßig Feld, davor ein Garten schließet,ein steter Bach, der nah am Hause fließet,ein klein Gehölz war meiner Wünsche Zug.Der Himmel gab’s; ich hab mehr als genug.“Das Grabmal, welches Braun seinen Kindern Marie und Heinrich, dann seinem Vater setzen ließ, der Obelisk, verrieten den 1. Mai 1795, welchen der Sohn seinem Vater in 14 Tagen erbaute und worauf Alxinger eine sehr passende Inschrift machte; die Einsiedelei mit dem Springwasser, der Holzstoß mit dem Grazien (?)-Bette und den Statuen von Venus und Adonis; die Teiche mit den Goldfischen, die verschiedenen passenden Inschriften, worunter besonders jene auf einem Baum:„Der Mensch – ein Widerspruch: dünkt sich stets groß und klein,zankt mit sich selbst; kann er wohl glücklich sein ?“dann jene auf dem Grabmal:„Ein Weiser lernt, sich und die Welt beglücken,und selbst auf Gräbern Rosen noch zu pflücken.“Zurück zum Cobenzl, gingen in den Kuhstall, wo sehr schönes Vieh war, dann in Garten und Wald, sahen die besonders gut gewählte geflochtene Brücke, die Alpenhütte mit schöner Aussicht, die zwei Tempel, wovon mir jener in gotischer Art, mitten drin ein Eichbaum, welcher den Tempel bekränzt, besonders gefiel. Den Reiz dieser Gegenden erhöhen noch mehr die unbegrenzte, malerisch schöne Aussicht und die balsamischen Düfte, welche man einatmet, und woraus der Mensch frei von Plage und städtischem Ungemach Erquickung findet. Wir blieben bis 7 h, dann fuhren wir in die Stadt und gerade ins Kärntnertor-Theater, wo – als „Die adelige Schäferin“ – die Costello und Mändel (?) auftraten. Beide missfielen und – ein äußerst seltener Fall – wurden nicht einmal herausgeklatscht. Therese – dies hörte ich gleich beim Eintritt – hat ihre Arie unnachahmlich schön gesungen; ich war ganz begeistert und bis zu Tränen gerührt. Ihr Rondeau sang sie aber mit so viel Kunst und Annehmlichkeit, und nur sie erhielt die Oper, dass sie nicht ausgezischt wurde. Am Ende wurde Therese einstimmig herausgeklatscht. Wie mich dies freute, kann ich nur fühlen ! Ich liebe Theresen so herzlich, dass ich … Gott ! Ich kann den Gedanken einer Trennung nicht fassen. Nach dem Theater wartete ich beim Wagen, drückte und küsste Theresen die Hand, zollte ihr meinen herzlichen Beifall und wünschte ihr eine gute Nacht. Weinmüller fuhr mit ihr nach Hause; dem machte ich auch mein Kompliment. Durch Klimbke schickte ich Theresen als Beweis meiner Erinnerung blauen Holler auf’s Theater, welcher sie sehr freute. Nach dem Theater schlich ich ernst und düster mit dem möglichen Gedanken an eine Trennung nach Hause, schrieb bis ½ 12 h und wiegte mich dann in Morpheus’ Arme. Lange konnte ich nicht einschlafen; Therese, Trennung, der Gedanke an ein infames, freudloses Leben machten mich ganz melancholisch.
Band 01 (I.), Seite 37r
17.05.1798
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